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Emilia geht, verschwindet aus meinem Blickfeld und das Lächeln, welches bis eben meine Lippen umspielte, fällt augenblicklich in sich zusammen und das Gefühl von vollkommener Gleichgültigkeit und Langeweile breitet sich wieder in mir aus. Dieser Ort ist einfach zum Kotzen, mit all diesen Menschen, die versuchen jemandem zu gefallen, dessen Existenz nicht mal bewiesen ist. Trotzdem laufen sie ihm hinterher und führen ihr Leben nach dem, was ihr Gott ihrer Meinung nach sagte und hören dabei auf ein Buch, das irgendwelche Menschen vor hunderten von Jahren niedergeschrieben haben. Emilia ist ebenfalls einer dieser Menschen und doch schafft ausgerechnet sie es, diese erdrückende Leere in mir mit so etwas wie Freude zu erfüllen. Nein. Freude war das falsche Wort. Es ist vielmehr Verlangen. Verlangen nach ihr. Warum bin ich gerade ihr so verfallen? Was hatte dieses kleine unscheinbare Mädchen nur an sich, dass ich es kaum schaffe, meinen Blick von ihr zu lösen, wenn sie sich im gleichen Raum befindet? Wieso hatte gerade sie meine Aufmerksamkeit geweckt? Ich suche den Raum ab, doch niemand Interessantes ist mehr hier, niemand, der sonst meine Aufmerksamkeit verdient hätte. Die einzige Person ist grade durch diese gottverdammte Tür verschwunden und ich verstehe nicht, wieso meine Gedanken seit dem Tag, als ich sie das erste Mal sah nur noch auf Emilia gerichtet sind.

Es war, als hätte ich die ganze Zeit tief und fest geschlafen, als hätte ich mein ganzes Leben in einem Traum festgesteckt. Alles war nur so an mir vorbeigezogen wie ein unscharfer Film, doch ich hatte keinen Sinn darin gesehen, ihn scharf zu stellen und mich darauf zu konzentrieren. Doch plötzlich wurde alles hell und klar und ich sah Emilia zum ersten Mal, wie sie den Pastor begrüßte. Ihr Lächeln war liebevoll und freundlich gewesen und ich hatte das Gefühl, als würden meine Augen zum ersten Mal in meinem Leben richtig funktionieren. Ihr Gesicht war das erste, was sich so stechend scharf in meine Netzhaut einbrannte und auch das einzige, was es zu hundert Prozent tat. Sie ist die Einzige, die es wert ist, von mir beachtet zu werden. Jeder war mir stets egal, jedes Gesicht wirkte trüb auf mich und auch jetzt ziehen die meisten Gesichter der Menschen nur so an mir vorbei. Warum soll ich meine Sehkraft dafür verschwenden, mir andere Menschen anzugucken und einzuprägen? Ich habe die Person gefunden, für die es sich lohnt, seine Augen zu verwenden und ich will nur sie so ansehen. Wahrscheinlich ist das einer der Gründe, warum ich so vernarrt in Emilia bin. Sie ist seit der ersten Sekunde ein Lichtblick und zwar mein persönlicher. Vorher war alles immer nur in Dunkelheit gehüllt.

Vielleicht gibt es deinen Gott ja doch, Emilia. Vielleicht hat er mir einen Engel geschickt, um mich aus dieser Dunkelheit zu befreien und mich zu retten? Dein Licht hätte mich blenden und das Finstere in mir vertreiben sollen. Doch das hat es nicht Emilia. Es hat mich nur noch mehr hineingezogen. Meine Augen wurden von deinem Licht verschlungen, doch mein Herz und meine Seele blieben schwarz. Die Schatten siegen immer über das Licht. Du kannst mich nicht retten und auch jemand wie Gott, falls er allen Erwartungen nach tatsächlich existieren sollte, wird dies nicht schaffen. Meine Augen konnten sich schnell an dein Licht gewöhnen. Ich frage mich Emilia, wie lange brauchen wohl deine Augen, um sich an die Finsternis zu gewöhnen? Ich hoffe schnell. Du wirst es brauchen, wenn dein helles Licht erlischt und erneut nur die Finsternis zurückbleibt. Es ist wie immer im Leben, Emilia. Unsere Welt ist verdorben. Das Böse beherrscht das Gute, die Nacht unterdrückt den Tag, der Hass fesselt die Liebe, die Starken quälen die Schwachen. Das ist aus unsere Welt geworden, die Welt die dein Gott geschaffen hat Emilia. Das Leben ist eine Sünde. Wie hätte es auch anders kommen können. Gott hat versagt. Adam und Eva haben es jedem Menschen in die Wiege gelegt, zu sündigen. Sie hatten alles und doch hintergingen sie deinen Gott, sie wollten immer noch viel mehr. Könnte man laut deiner Bibel nicht sagen, dass sie der Ursprung allen Übels sind? Gott hat damals versagt und anstatt Adam und Eva zu vernichten und es erneut zu versuchen, ließ er Gnade über sie walten und nun befindet wir uns hier. Vielleicht gibt es gerade deshalb so viele böse Menschen. Dann wirst du es mir ja wohl nicht übel nehmen, nicht wahr Emilia? Ich kann nichts dafür, dass dein Gott uns nicht makellos erschaffen konnte.

Liebe mich!Où les histoires vivent. Découvrez maintenant