Kapitel 6

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Montag morgen. Lillie gähnte verschlafen als sie die Françoise Dupont betrat. Fast ferngesteuert schlurfte sie zu der gewohnten Bank, wo Marinette, Alya, Rosé und Juleka schon warteten.

„Oh Girl, du sieht richtig fertig aus", betonte Alya und hielt sich die Hand vor den Mund.

Mit verdrehten Augen setzte sich Lillie neben Rosé und antwortete genervt: „Was echt? Hätte ich gar nicht bemerkt, Sherlock."

„Ohhh, da ist wohl wer auf dem falschen Fuß aufgestanden", lachte die kleine Blondine neben ihr und umarmte sie fest.

„Alles gut, Leute. Ich hab nur schlecht geschlafen", erklärt die junge Tänzerin rasch und lächelte halbherzig in die Runde.

„Schlecht geschlafen, weil...?", fragte Marinettes beste Freundin neugierig.

Doch bevor Lillie antworten konnte, kam Alya schon mit ihrer eigenen Antwort: „... Du nur noch an Luka denken kannst? Marinette hat alles erzählt! Ihr seid so süß zusammen und so hast du auch gleich einen neuen Partner zum Eislaufen! Und... du hast mich gar nicht unterbrochen."

Das stimmte. Lillie hatte ihre Augen geschlossen und döste auf ihrer Hand vor sich hin; hatte nichts von Alyas Monolog mitbekommen.

„Es liegt an Luka. Ich bin mir sicher."

„Was liegt an mir?", fragte eine sanfte Stimme hinter Alya.

Diese zuckte zusammen und schlug Lillie unauffällig gegen das Schienbein.

„Bloody hell, gehts noch Alya? Das hat Schei-", fuhr Lillie sie aufgebracht an, stoppte allerdings abrupt, als Luka sie amüsiert anlächelte.

„Ok Mädels, wir sollten gehen und Äh... diese eine Sache noch holen... Für den Unterricht", stammelte Rosé vor sich hin und zog die Gruppe förmlich mit sich. Marinette und Alya drehten sich noch einmal um und warfen der Tänzerin Luftküsse zu.

Letztendlich blieben nur noch Lillie und Luka übrig. Dementsprechend nutzte er die Gelegenheit und setzte sich neben Lillie auf die Bank. Die Gitarre auf seinem Rücken stellte er sicher auf den Boden, zwischen seine Beine.

„Wie gehts dir, Lillie?", fragte er simpel, aber ehrlich. Es war kein Smalltalk. Er meinte es ernst.

„Eigentlich gut, ich bin heute nur echt müde", antwortete sie und unterdrückte ein Gähnen.

„Du solltest dich mehr ausruhen und vielleicht nicht ganz so viel Eislaufen", meinte Luka verspielt und legte kurz seine Hand auf ihre Schulter.

Lillie schnaubte und antwortete ertappt: „Ich war gestern nicht mal Eislaufen. Also... Ich hab nur fürs Ballett geübt."

Darauf musste Luka lachen und hielt sich eine Hand mit den schwarz lackierten Fingernägeln vor dem Mund.

„Na gut. Ich muss jetzt aber auch in meine Klasse, man sieht sich!", verabschiedete sich Luka, schulterte seine Gitarre und schlenderte davon.

Lillie blickte ihm verschlafen hinterher und machte sich schließlich auch auf den Weg in ihre Klasse.

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„Liebling? Das Abendessen ist fertig!", rief Fiona Blanché zum Keller hinunter.

Lillies hatte ihr ganz eigenes Tanzstudio im unteren Geschoss. Ihre Eltern wussten einfach, wie sehr sie es liebte ihren Körper zu allerlei Musik zu bewegen. Verschwitzt, nahm das Mädchen einen Schluck aus ihrer Wasserflasche und wischte sich das Gesicht mit dem mitgebrachten Handtuch ab. Rasch schlüpfte sie aus ihren Spitzenschuhen, hinein in die Hausslipper.

Entspannt und erfrischt schlenderte sie die Treppe hinauf und gab ihrer Mutter einen Kuss, ehe sie sich an den Esstisch im Wohnzimmer setzte.

Theodore grinste seine Tochter an und meinte: „Hast du schön trainiert, darling?"

„Yes, die Choreografie wird immer besser. Ich sollte nächste Woche damit durch sein, dann können wir den Werbespot drehen", erklärte Lillie rasch und nahm noch einen Schluck Wasser.

Ihre Eltern waren Designer, explizit für Sportmode. Natürlich war die junge Tänzerin perfekt für die Werbejobs. Jedoch bestand sie darauf, dass man ihr Gesicht nicht sah. Ruhm wollte sie nie und schon gar nicht mit der Arbeit ihrer Familie. Wenn, dann wollte sie sich das selbst erarbeiten, was sogar gut klappte. Mit jeder Choreografie und jedem Wettbewerb den sie gewann, tanzte sie sich mehr und mehr in die Herzen ihrer Fans.

„So, heute gibt es überbackenen Brokkoli und Lachsfilet. Perfekt für meine kleine Ballerina", summte Fiona und stellte alles auf den Tisch.

Lillie verdrehte die Augen und machte sich den Teller voll. Obwohl die Familie Geld hatte, lebten sie bescheiden. Kein eigener Koch, keine Putzfrau, nichts. Ihre Mutter sagte immer, dass sie ja sonst nichts im Haus zutun hatte. Und wenn Lillie neue Kleidung wollte, dann meistens von Second Hand Läden. Die Tänzerin war froh darüber, nicht so eingeengt wie Adrien zu leben.

Er hatte viel über sein Leben erzählt und Lillie wusste, dass sie niemals so etwas haben wollte. Manchmal tat er ihr Leid. Er hatte das nicht verdient.

Das restliche Essen bestand aus einfachen Gesprächen: Wie Lillies Schulalltag war, wie die Arbeit ihrer Eltern voranging und und und.

„Ach, 18 Uhr! Die Nachrichten", sagte ihr Vater plötzlich und schaltete den Fernseher an.

„Ladybug und Chat Noir gegen eine neue Gegnerin! Als ob Hawk Moth und Mayura nicht schon in Paris reichen. Offenbar wurden sie in die Ecke getrieben, sogar die anderen Helden sind keine Hilfe! Dabei sind unter anderem Rena Rouge, Queen Bee und viele mehr an Ladybugs Seite. Schaffen sie es unsere Stadt auch dieses Mal zu retten?", ertönte die besorgte Stimme der Nachrichtensprecherin, Nadja Chamack.

Lillie verschlucket sich am Rest ihres Essens, als sie die Eilmeldung verfolgte.

„Das soll wohl ein schlechter Witz sein. Was macht die denn in Paris?!", rief sie fassungslos.

„Pheonix...", flüsterte Theodore und blickte entschlossen zu seiner Tochter.

Diese wusste sofort, was er von ihr wollte.

„Bubbles!", rief Lillie sofort und stand vom Tisch auf.

Plötzlich kam eine kleine, hellblaue Kreatur angeflogen. Sie hatte eine Flosse und eine lange, spitze Schnauze, wie ein Schwertfisch. Sie schien verwirrt zu sein und verstand nicht was los war. So hatte er Lillie schon lange nicht mehr gesehen.

Die Tänzerin nickte zum Fernseher.
Bubbles, zog erschrocken die Luft ein und flüsterte: „Ich dachte sie hätte endlich aufgehört!"

„Das dachten wir alle. Naja, es hilft ja alles nichts. Bubbles, get wavey!", rief Lillie aus und sofort verschwand die kleine, fischähnliche Kreatur in ihrem silbernen Fußkettchen mit dem Muschelanhänger.

Ein grelles Licht umhüllte Lillie und sofort verwandelte sie sich in ihr Superhelden Ego.
Ein blauer, enger Anzug betonte ihre Figur. Von ihrer Brust, bis zur Hüfte trug sie eine Art Korsett mit silbernen und gelben Akzenten, abgerundet mit einem Cape in Form einer Flosse. Ihre Haare waren zu einem langen, geflochtenen Zopf gebunden, wodurch man die blaue Maske besser sah.
Zu guter Letzt erschien ein Dreizack, welcher mit Perlen bestückt war, vor der Superheldin.
Sie schnappte sich ihn und atmete tief durch.

„Blue Marlin. Zeig Paris, dass Ladybug und Chat Noir nicht die Einzigen mit einem Miraculous sind", sagte Theodore ernst und nickte seiner Tochter zu.

„Das sowieso. Ich bin so schnell wie möglich wieder da. Lasst mir Nachtisch übrig."

Und mit diesen Worten verschwand Lillie Blanché, bereit eine weitere Stadt zu retten.

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Miraculous - New WaveWhere stories live. Discover now