Teil 28: PPP

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Habt ihr schon einmal das Lied PPP von Beach House gehört? Als ich es das erste Mal gehört hatte, musste ich weinen. Ich weiss nicht einmal genau wieso, ich weinte einfach. Das war mir zuvor noch nie passiert. Solche Vorkommnisse inspirierten mich. Sie inspirierten mich zu neuen Songideen oder auch zu neuen Gedichten.

Ich schrieb also ein Gedicht, dessen Worte ein Lied umschrieben. Wie üblich las ich es den anderen vor. Diese schienen berührt, obschon sie das Lied noch nie gehört hatten. Dies musste natürlich schleunigst nachgeholt werden.

Ich weiss nicht, was den anderen durch den Kopf ging, als PPP durch die Lautsprecher dröhnte, aber es war mir auch egal. Das Lied hörte ich nun sicherlich bereits zum zwanzigsten Mal, doch trotzdem packte es mich wie die Neunzehn Male davor. Da war kein bestimmter Gedanke, keine Erinnerung und kein bestimmtes Erlebnis, welche ich mit dem Lied in Verbindung setzte. Es brachte mich ganz einfach zum weinen. Und deshalb war es das schönste Lied, was ich bis zu dem damaligen Zeitpunkt gehört hatte. Wenn ihr das Lied noch nie gehört habt, dann müsst ihr das unbedingt nachholen. Ich nehme an, dass es euch gefallen wird und wenn nicht, dann glaube ich nicht, dass ihr Gefühle habt.

Solche Momente schätzte ich. Ich hätte mir vor dem Umzug nie vorstellen können, mit drei anderen Jungs in einem Keller zu sitzen, schweigend der Musik zuzuhören und einfach zu weinen. Und es war mir egal. Ich würde auch später noch viel weinen. Ich muss mich dafür nicht schämen, denn es ist ganz natürlich. Ihr werdet noch einige Moment kennen lernen, in denen ich Tränen vergossen habe. Der nächste dieser Momente war dem Abend, von welchem ich eben erzählt habe, gar nicht fern.

Der Mai hatte vor einigen Tagen geendet und nun konnte man deutlich spüren, dass die Sommerferien vor der Tür standen. Lustigerweise stand noch jemand anderes vor der Tür. Bei diesem Jemand handelte es sich um Jonas. Seit unserer Woche in Berlin hatte ich ihn nicht mehr gesehen, nun stand er einfach vor unserem Haus, scheinbar unangekündigt. Als er ankam, war ich alleine zu Hause. Ich hörte die Klingel, öffnete die Tür und fragte: „Jonas? Was machst du denn hier?" Jonas schien sich zu freuen, mich zu sehen, allerdings wirkte er, als ob ihn etwas bedrückte. „Oh Hallo kleiner Bruder, ich freue mich auch dich zu sehen.", scherzte er. Anschliessend trat er ein. Als ich meine Frage wiederholt hatte, sagte er zu mir, dass ich den Grund seines Besuches bald erfahren würde. Ich verstand nicht, warum er ihn mir nicht sofort verraten konnte, doch später wurde es mir klar.

Kurze Zeit nachdem Jonas erschienen war, kamen unsere Eltern nach Hause. Sie hatten gewusst, dass Jonas kommen würde und erklärten mir, wieso er uns besuchte. Jonas war gekommen, um zu helfen. Ich verstand nicht wobei. „Würde mir bitte jemand erklären, was genau vor sich geht?", fragte ich völlig verwirrt. Und so erzählte mir meine Mutter, was ihr in den letzten Wochen widerfahren war. Sie erzählte von Müdigkeit, Schwindel und allgemeinen Unwohlsein. Sie erzählte von Arztbesuchen, Untersuchungen und Ergebnissen. Was sie aber wirklich damit sagen wollte war: „Ich habe Krebs." Sie hatte einen Hirntumor.

Tatsächlich war ihr auch bereits mitgeteilt worden, wie es weitergehen sollte. Eine Operation war durch die Lage des Tumors nicht möglich, so blieb nur die Chemotherapie. Für mich stand bereits fest, dass meine Mutter den Kampf früher oder später verlieren würde. So kam es, dass ich erneut weinte.

Vielleicht fragt ihr euch, wie es sein kann, dass ich die Anzeichen nicht bemerkt hatte. Nun um ehrlich zu sein, hatte ich meine Mutter nur noch selten gesehen. Wenn ich zu Hause war, war sie fort und wenn sie zu Hause war, war ich nicht da. Nur selten kam es zu Gesprächen. Nun kam ich mir wie ein schlechter Sohn vor. Mir wurde klar, dass die Zeit die ich mit meiner Mutter verbringen konnte, begrenzt war. Eigentlich sollte es dazu nicht eine solche Diagnose brauchen. 

Die Musiker und die Realität - VorbandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt