Teil 1: Noah

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Ich war immer fasziniert von Noah, von ihm, von allem was er tat und von allem was er sagte. Er gab immer Versprechen, die er nie halten konnte. Er nahm sich immer Dinge vor, die er nie erreichen konnte. Er erzählte immer Geschichten, die nicht stimmen konnten. All diese Dinge faszinierten mich. Auf die Frage wieso er all diese Dinge tat oder nicht tat, antwortete er immer mit dem Satz, dass dies eben die Realität sei. Damit hatte er auf irgendeine schräge Weise Recht. Vielleicht wäre alles anders gekommen, wenn er eine andere Weltansicht vertreten hätte. Doch das wäre wohl nicht echt gewesen.
Ich lernte Noah kennen als ich 16 Jahre alt war. Damals zog ich nämlich mit meinen Eltern in eine neue Stadt und so kam ich auch auf eine neue Schule. Noah war in meiner Klasse. Als ich das erste Mal den Klassenraum betreten hatte, fiel er mir gar nicht auf. Ich war ein wenig überfordert mit all den neuen Gesichtern, welche mich neugierig anstarrten. Noah tat dies erst, als ich mich neben ihn auf den einzigen freien Platz setzte. „Hallo ich bin Noah", sagte er, als ich mich gesetzt hatte. Ich stellte mich ebenfalls vor.

Im weiteren Verlauf des Morgens erklärte mir Noah gelegentlich einige Dinge über meine neue Schule, ansonsten fielen nicht viele Worte. Innerhalb weniger Tagen änderte sich dies aber. Wir verbrachten die Mittagspause immer gemeinsam und sprachen im Verlauf der Zeit über allerlei Dinge. So erfuhr ich Interessantes über meine Mitschüler und vor allem Interessantes über Noah. Er liebte es, von sich zu erzählen. In der Klasse verhielt er sich aber immer sehr ruhig. Ich fragte ihn, wieso er nur mit mir so offen sprach. Darauf sagte er mir: „Was soll ich den Idioten aus unserer Klasse schon erzählen? Sie würden mich alle nicht verstehen. Für sie zählt nur angesagt und schön zu sein. Als wäre das von Bedeutung." Noah merkte schnell, dass ich anders tickte. Zwar verstand ich mich auch mit meinen anderen Mitschülern, jedoch teilte ich ihre Ansichten nicht. Im Gegensatz zu Noah, passte ich aber immer auf, nichts Falsches zu sagen. Ich wollte mich auf keinen Fall lächerlich machen. Aus diesem Grund verhielt ich mich nicht immer so, wie ich es gerne getan hätte.
Wie gesagt, Noah erzählte mir sehr viel, doch auch ich begann mich ihm immer mehr zu öffnen. So erzählte ich ihm auch, dass ich mich in ein Mädchen aus unserer Klasse verknallt hatte.
Tut mir leid, dass ich das Thema nicht lassen kann. Ich würde es auch nicht erzählen, wenn es nicht von Bedeutung wäre.
Wie dem auch sei, ich hasste es in sie verknallt zu sein. Zuvor hatte ich mir immer eingeredet, ich dürfe mich nie in ein Mädchen aus meiner Klasse vernarren. Dass mir das nun passiert war, kotzte mich regelrecht an. Noah sagte mir immer wieder, dass ich gar nicht versuchen sollte, ihr näher zu kommen. „Das ist Zeitverschwendung. Sie ist nicht gut für dich." Das waren seine liebsten Sätze zu diesem Thema. Ich wusste vermutlich schon immer, dass er Recht hatte, trotzdem hörte ich nicht auf ihn.
Wir beide waren sehr schnell zu guten Freunden geworden. Das hatte vor allem einen Grund, Musik. Noah erzählte mir schon früh in unserer Bekanntschaft von seiner Leidenschaft und zu seiner Freude teilte ich diese. Zu dieser Zeit hatte Noah genau wie ich bereits eigene Lieder geschrieben. Wir hatten sie aber beide nie publik gemacht. Da wir nun Freunde geworden waren und uns die Musik des jeweils anderen gefiel, fassten wir den Entschluss, zusammen Musik zu machen. Wenn uns damals jemand gesagt hätte, wozu dies führen würde, hätten wir ihn wohl für verrückt gehalten.

Die Musiker und die Realität - VorbandWo Geschichten leben. Entdecke jetzt