Teil 19: So wie Steven Patrick Morrissey

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Ja das musste es sein. Bereits als wir nur zu dritt oder gar zu zweit musiziert hatten, war die Begeisterung von meiner Seite gross gewesen, doch nun als Jakob dazu gestossen war, bestanden für mich keine Zweifel mehr, dass aus uns etwas werden konnte. Die Musik, welche die Band spielte, ist schwierig zu beschreiben. Wir liessen uns von allen möglichen Musikern und Bands inspirieren. The Cure, Blur, The Strokes, Vampire Weekend und MGMT sind einige davon. In unseren Songs liessen wir unsere verschiedenen Geschmäcker und unsere liebsten Genres verschmelzen. Dabei planten wir unser Vorgehen nicht, sondern liessen uns zu Improvisationen und Experimenten hinreissen.

Neben der Musik passte auch der menschliche Aspekt. Jakob fand sich genau so gut wie wir in der Gruppe zurecht und erweiterte diese in einem guten Sinne. Wir verstanden uns alle so gut, dass wir nach jeder Probe mindestens eine weitere Stunde in Jakobs Keller verbrachten, um noch mehr Zeit miteinander zu verbringen. In diesen Stunden kam es meist zu sehr interessanten Gesprächen.

So auch an dem einen Abend, an welchem Noah uns aus unbekannten Gründen schon früher verlassen musste. Als er fort war, beschloss ich den Vorfall der letzten Nacht unserer Berlinreise noch einmal anzusprechen. „Hey Till..." Ich wusste nicht, wie ich mir die Frage am besten zurechtlegen sollte. „Was ist denn?", fragte er mich. Ich zögerte. Schlussendlich fragte ich ihn: „Was ist eigentlich zwischen dir und Noah?" Till musste lächeln. Offenbar hatte er erwartet, dass ich ihn das früher oder später fragen würde. „Keine Ahnung", sagte er schliesslich, „weisst du, Noah ist echt cool. Leider ist er aber auch kein beziehungsfähiger Typ." Jakob, der von diesen Vorkommissen nichts wusste, meldete sich nun auch zu Wort. „Wann lief denn da etwas zwischen euch? Ihr wirkt, als wäre da nichts."

Da hatte Jakob recht. Noah und Till verhielten sich so, als ob in dieser Nacht nichts geschehen wäre. Jetzt erzählte uns Till das erste Mal etwas davon. „Nun ja das war in den letzten Ferien. Wir waren in einer Bar und hatten ordentlich was getrunken. Als ich mal zur Toilette musste, folgte mir Noah und begann mich plötzlich anzubaggern. Mir machte das nichts aus, schliesslich sieht Noah echt gut aus." Da wurde er plötzlich von Jakob unterbrochen. „Dann ist Noah also auch schwul?", fragte er. Diese Frage hatte ich mir auch schon gestellt. Ich hatte nämlich immer gedacht, dass Noah gar keine Vorlieben hätte.

Till wusste offenbar auch nicht, was er Jakob antworten sollte. Er überlegte fieberhaft und sagte dann: „Ich weiss nicht, ob er überhaupt irgendetwas ist. Tatsächlich habe ich in dieser Nacht noch mit ihm darüber gesprochen. In diesem Gespräch sagte er mir, dass er in dieser Hinsicht dieselben Ansichten wie Steven Patrick Morrissey vertritt." Erneut wurde Till von Jakob unterbrochen. „Wer ist das?", fragte dieser. „Der Leadsänger von The Smiths. Nachdem sich die Band aufgelöst hatte, wurde er aber Solokünstler.", antwortete ich ihm. Till, welcher wohl selbst auf die Frage von Jakob antworten wollte, sah mich an und nickte. „Ach ja, von denen habe ich schon gehört.", sagte Jakob darauf. Dass er The Smiths nicht wirklich kannte, überraschte mich nicht. Sie waren wohl ein wenig zu soft für seinen Geschmack. Anschliessend erzählte Till weiter. „Naja Morrissey findet, dass Homosexualität, Heterosexualität oder Bisexualität für ihn nicht akzeptabel seien. Er sagt, es seien nur Vorsilben und das Wort Sexualität. Naja und Noah denkt eben genau so." Dass Noah dieselben Ansichten wie Morrissey vertrat, verunsicherte mich. Ich mochte The Smiths und mir gefiel die Stimme von Morrissey, allerdings hielt ich ihn für einen Arsch. „Hoffentlich nimmt sich Noah Morrissey nicht als Vorbild", sagte ich zu den anderen, „ich meine, er singt zwar sehr schön, aber er ist ein Arsch." Da mussten Till und Jakob lachen. „Da steckt ein Song drinnen oder nicht?", fragte Jakob. Ich sah ihn begeistert an. „Ja du hast recht." 


Die Musiker und die Realität - VorbandWhere stories live. Discover now