"Alle"

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"Kannst du dich noch daran erinnern, wie es war, als die Jungs alle noch hier waren?", Clouvé klang genauso bedrückt wie immer, wenn das Thema ans Licht kam. Alle. Als alle noch hier waren. Ich spürte einen kurzen stechenden Schmerz in der Brust. Es würde nie wieder dasselbe sein.

Ich sah sie an, die Schulter zuckend, versuchend mir nichts anmerken zu lassen. "Es ist eben passiert, hör auf immer allem nachzutrauern.", ich war sichtlich überrascht von meiner bestimmten Lässigkeit im Tonfall. Aber ich wusste auch, dass Clouvé als meine beste Freundin wusste, dass ich nicht so war. Das meine Gefühle und Gedanken mit meinen Worten und Aktionen nicht übereinstimmten. Das machte uns aus - nicht nur, dass wir uns kennen seitdem ich denken kann, nicht nur, dass wir denselben Nachnamen trugen und immer für Schwestern gehalten wurden, nein. Sie wusste, was in mir vorging, was mit mir los war, bevor ich es bemerkte. Bevor irgendjemand es bemerkte. Ich sagte nicht umsonst immer. dass sie meine bessere Hälfte sei. Wir teilten eine Seele in zwei Körpern. Kaum zu glauben aber wahr.

Genauso wenig konnte ich dann ihren Blick Stand halten. Dieser 'Tu-nicht-auf-cool-Blick-ich-kenne-dich' - Blick. Dieser Blick, der mich tief durchbohrte und jegliche aufgebaute Mauern zu Boden riss. Jedes Mal. Ich sah diese Trauer in ihren Augen und rutschte auf der Couch auf um meine Arme um ihren leicht zittrigen Körper zu schlingen. "Ich weiß, sie fehlen dir sehr. Alle.", meine Stimme war ziemlich abgehackt. Ich wollte mir trotzdem nichts anmerken lassen, aber auch mir fehlten sie alle. Alle. Da war es wieder. Ich würde mich nie daran gewöhnen, dass es kein 'Alle' mehr geben wird. Der Gedankenfluss hörte nicht mehr auf. Clouvés Körper strahlte immer mehr Wärme aus, immer mehr Geborgenheit, immer mehr Zuflucht. Und somit geschah es auch um meine Mauern - es war, als wären sie nie da gewesen. Erst eine, dann zwei und letztlich unzählige Tränen flossen über meine Wangen. Ich spürte wie auch Clouvé anfing meine zitternde Gestalt zu umfassen. Sie war echt die Beste, selbst wenn es ihr nicht gut ging, hatte sie immer die Kraft, mir ein Gefühl von Sicherheit und Geborgenheit zu vermitteln. "Aber wir werden uns nie trennen, oder Darléen?", vor dieser Frage hätte ich immer Angst. Noch vor ein paar Wochen hätte ich ihr ein warmes Lächeln zugeworfen und mit einem felsenfesten "Natürlich" geantwortet, aber das Leben hatte mich anderes belehrt. Ich war auch immer der festen Annahme, dass wir und die Jungs immer eins bleiben. Wir alle. Alle, da war es schon wieder. Es würde mich wohl noch monatelang jagen. Desto mehr ich in meinem Gedankenfluss verfiel, desto hemmungsloser traten die Tränen aus meinen Augen, bis sie sich schließlich komplett schlossen.

Ich wachte nur wenig früher als Clouvé auf. Jedoch früh genug um mir über eine Antwort auf Ihre Frage bewusst zu werden. Sie war meine beste Freundin, seit Jahren. Wir hatten alles hinter uns. Wir hatten uns. Sie sah mich mit ihrem typisch verschlafenen Blick an und fragte nach der Uhrzeit. Es war fünf vor sechs. Aber das antwortete ich ihr nicht. "Wir werden uns nie trennen, Clouvi. Niemals.", die Worte kamen leiser als gedacht zwischen meinen Lippen hervor aber anhand ihres Lächelns konnte ich erkennen, dass sie es wahrgenommen hatte.

Und somit verging der Abend. Wir guckten ein paar Filme zusammen auf der Couch, auf der wir sonst immer mit allen diese Abende genossen hatten. Alle. Es war echt schwer sich daran zu gewöhnen.

Aber die Frage war eher, würden wir uns je daran gewöhnen?

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⏰ Last updated: Nov 18, 2014 ⏰

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You can't spell 'beautiful' without 'Beau'Where stories live. Discover now