Kapitel 15 - Urwächter

244 21 0
                                    

Die nächsten zwei Wochen verliefen schleppend. Elara konnte nicht aufhören darüber nachzudenken, was ihre Nichte zu sehen geglaubt hatte. Gleichzeitig ließ sie Hannahs Klasse einen Aufsatz nach dem nächsten verfassen, in der Hoffnung, dass ihre Nichte dann keine Zeit mehr haben würde, auf eigene Faust Nachforschungen anzustellen. Es schien zu funktionieren, denn sie sah Hannah entweder in der Bibliothek oder im Speisesaal. Der Preis für diese Ablenkung war aber für Elara umso höher. Tagtäglich saß sie oft bis Mitternacht in ihrem Büro und korrigierte. Wenn James sie dann überzeugte, endlich schlafen zu gehen, fielen ihr beim Gehen fast die Augen zu. Die Dauermüdigkeit war ihr stetiger Begleiter. Hinzu kam die Tatsache, dass ihre Gefühle weiterhin ein Eigenleben zu führen schienen. Beim kleinsten Anlass wurde sie zur Furie und bereute ihren Ausbruch in der nächsten Sekunde aufs Tiefste. Diese Stimmungsschwankungen verunsicherten sie, doch Helen versicherte ihr, dass es mit der Zeit einfacher werden würde. Immerhin war ihre Morgenübelkeit seltener geworden. Ein kleiner Lichtblick und auch das Wetter besserte sich sichtbar und es war spürbar, dass der Frühling auch hier Einzug gehalten hatte. Der Wald leuchtete in einem zarten Grün und bei Sonnenschein verlegte Derek das Kampftraining auf Elaras Erlaubnis hin sogar nach draußen.

Die Stimmung schlug um, als die heißersehnten Osterferien näher rückten und die Schüler fleißig Pläne schmiedeten. Hannah würde zusammen mit Mara und Helen in der Akademie bleiben und Elara wusste, dass sie ihrer Nichte spätestens dann von ihrer Schwangerschaft erzählen musste. Laut Helen und auch James stellte sie bereits jetzt schon Fragen zu ihrem Zustand.

Nur leider hielt sich das Schicksal in letzter Zeit so überhaupt nicht an ihre Pläne.

Als Elara in der sechsten Stunde Hannahs Klasse betrat, wünschte sie sich auf ihr Sofa und nicht in einen Raum mit sechsundzwanzig Schülern.

„Schlagt Seite 105 eures Buches auf", wies sie nach der Begrüßung an. Es wurde fleißig geblättert, dann trat Stille ein.

„Der Gott, den ihr dort erkennt, verkörpert das Element Erde und ist gleichzeitig Gott der Unterwelt in der griechischen Mythologie. Er herrscht über das Totenreich, aus dem keiner je zurückkehren kann. Der griechische Gott Hades ist Sohn der Titanen Kronus und Rhea. Hades' Frau ist Persephone, die Frühlings- und Fruchtbarkeitsgöttin. Er entführte sie in sein Reich, wo sie zur Unterweltsgöttin reifte, zu Kennerin der tiefgründigen Gefühle mit einem tiefen Wissen um Angst, Schrecken und Erlösung, zur Gebieterin der Schatten und zur Göttin der Dunkelheit. Doch dies hat nichts mit Furcht oder Schrecken zu tun, sondern mit jener fruchtbaren Dunkelheit der Erde, in der die Saat keimen kann und das neue Wachstum beginnt.

Hades selbst verlässt sein Reich nur äußerst selten und lässt sich nicht einmal durch betteln oder schmeicheln erweichen. Allerdings hat er einen Gehilfen. Den Fährmann Charon. Seine Aufgabe ist es, die Seelen der Toten mit einem Boot über den Fluss Acheron von unserer Welt in die der Toten zu bringen. Zu dem besitzt Hades einen dreiköpfigen Hund mit dem Namen Cerberus oder auch bekannt als Höllenhund."

Mit einer Mischung aus Faszination, Abscheu und Langeweile lauschten die Schüler ihren Worten. Doch dann brach der Bann, als die Tür aufging und Mr. Greyham im Rahmen erschien. Sofort drehten sich alle Köpfe dem Naturwissenschaftslehrer zu und mit ihm wehte ein Schwall Essensduft ins Zimmer. Es roch nach gebratenem Fleisch, einem Hauch Knoblauch und überbackenem Käse. Unwillkürlich hielt Elara den Atem an, ließ leicht genervt ihr Lehrbuch sinken und blickte ihrem Kollegen entgegen.

Mr. Greyham trat zu ihr an den Lehrertisch.

„Verzeihen Sie die Störung, Mrs. Frey", begann er leise und wirkte recht zerknirscht. „Die Alarmanlage am Haupttor ist ausgefallen. Vermutlich ein technischer Defekt. Mr. Griffin meinte, Sie sollten darüber informiert werden."

Academy for Elementarys - Herz aus EisWo Geschichten leben. Entdecke jetzt