Kapitel 3 - Konfrontation

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Ihr erster Gedanke war es, sich in ihr Haus zu flüchten, ihre Trainingssachen anzuziehen und zu laufen, bis ihre Beine brannten und ihre Lunge nach Luft verlangte. Es würde ihr helfen, einen klaren Kopf und ihre Gefühle unter Kontrolle zu bekommen. Das hatte es nicht immer getan, doch nach Helens Verschwinden brauchte sie ein Ventil für die Wut und den Schmerz in ihr und das Laufen hatte ihr geholfen. Dabei war Helen immer diejenige von ihnen beiden gewesen, die das Laufen so sehr geliebt hatte. Hastig schüttelte Elara den Kopf und versuchte, diese Gedanken aus ihrem Gehirn zu vertreiben. Ihr war klar, dass sie einer Konfrontation mit der Vergangenheit nicht würde aus dem Weg gehen können, doch das hieß noch lange nicht, dass sie von jetzt auf gleich alles vergeben und verzeihen würde.
Als sie in die imposante Eingangshalle des Hauptgebäudes trat, atmete sie tief durch und straffte die Schultern. Das hier war ihr kleines persönliches Reich und sie würde nicht zulassen, dass jemand dieses durcheinanderbrachte.

Das Klappern der schmalen Absätze ihrer geliebten schwarzen High Heels war das einzige Geräusch, das die Stille durchbrach. Die achte Stunde war in vollem Gange und das bedeutete, dass die Flure so gut wie ausgestorben waren. Elara genoss es, durch die Gänge laufen zu können, ohne, dass sie aufpassen musste, wohin sie trat. Bedächtig stieg sie die hohe Treppe hinauf, die ins Herz des Gebäudes führte. Anstatt zu ihrem Büro, führten ihre Füße sie wie von selbst vor die Tür, hinter der sie Helen vorerst hatte unterbringen lassen. Stocksteif stand sie da, unfähig sich zu rühren. Sie hätte sich einfach umdrehen und gehen können, doch eine leise, aber penetrante Stimme in ihrem Inneren drängte sie dazu, sich ihrer ehemals besten Freundin zu stellen. Hatte sie doch gerade bereits das Gespräch mit deren Tochter Hannah überstanden.

„Nein", hauchte sie in die Stille und presste die Lippen zusammen. Ihr Herzschlag beschleunigte sich. So sehr sie sich auch dagegen zu wehren versuchte, etwas zog sie wie magisch zu der Tür hin und ehe sie es sich versah, drückte sie die Klinke herunter.

In dem kleinen Zimmer war es dämmrig, da die Vorhänge zugezogen worden waren und das Sonnenlicht die orange-roten Stoffe zum Glühen brachte. Auf dem grauen, gemütlich mit Kissen ausstaffierten Sofa saß Helen und drehte sich nun zu ihr herum. Ihr Anblick war für Elara wie ein Schlag in den Magen, doch sie ließ nicht zu, dass die schützende Eisschicht um ihr Herz zersplitterte.

Helens Lippe war blutverkrustet und musste wirklich schmerzen, aber die Frau, die einst wie eine Schwester für sie gewesen war, verbarg ihren Schmerz gekonnt. Ihre dunkelblauen Augen funkelten, als sie sich aufrichtete und einige Schritte auf Elara zu machte. Schweigend starrten sie sich an. Helens Blick tastete sich über jeden Zentimeter ihres Körpers und Elara fühlte sich, als würde man ihr Eiswasser über den Kopf gießen.

„Du siehst gut aus", meinte Helen schließlich und nickte bekräftigend. Ihre Stimme klang belegt.

„Was ich von dir nicht gerade behaupten kann." Elara wusste nicht recht, woher dieser angriffslustige Unterton kam in ihrer Stimme kam, aber sie war nicht in der Lage, etwas daran zu ändern.

„Die Wächter waren auch nicht wirklich zimperlich." Da war nicht eine einzige Spur von Vorwurf in ihren Augen und das irritierte Elara völlig. Sie hatte erwartet, dass Helen sie anfauchte, wütend war und sie mit Anschuldigungen bewerfen würde, denn damit hätte sie umgehen können, doch nichts davon geschah.

„Sie waren angewiesen, euch herzubringen. Unter allen Umständen."

„Du hast lange gebraucht, um uns zu finden."

„Lange hättet ihr euch nicht mehr verstecken können. Deine Tochter ist siebzehn Jahre alt und ihre Kräfte hätten sich spätestens mit ihrem achtzehnten Geburtstag vollständig offenbart. Und was dann?"

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