Kapitel 39

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Ich lauschte an der Tür, aber konnte nichts hören, weshalb ich mich verzweifelt auf das Bett setzte. Was, wenn er ihm wehtun würde? Sollte ich wirklich hier drinnen bleiben? Ich spürte die Nervosität an meinem ganzen Körper und das meine Hände zum Zittern begangen, machte die Situation nicht besser. Vorsichtig stand ich wieder auf und schloss für einen Moment meine Augen. Es würde nichts passieren. Ich versuchte mir Dinge einzureden, an die ich nicht Mal selbst glaubte. Noch immer hatte ich keine Ahnung, was das zwischen Liam und Ace war. Sie hatten einen großen Hass aufeinander, aber warum? Was könnte denn passiert sein? Über dieses Thema hatte ich viele Fragen in meinem Kopf, aber keiner von den beiden würde mir Antworten geben. Es würde mich aber nicht wundern, falls Ace etwas angestellt hätte.

Als ich die Augen wieder aufmachte, blickte ich zum Spiegel und fühlte mich direkt unwohl bei meinem Anblick. Ich hatte nie ein Problem mit meinem Aussehen und war zufrieden von mir selber, aber mitanzusehen, dass mich diese Krankheit Tag zu Tag immer mehr zerstörte, war grauenhaft. Ich war blass im Gesicht, meine Augenringe waren nicht zu übersehen, meine Haare hatten ihren Glanz verloren, ich hatte viel zu sehr abgenommen, sodass man meine Knochen schon heraussehen konnte, die blauen Flecken waren überall an meinem Körper und um das Ganze genauer zufassen, sah ich einfach wortwörtlich wie eine lebendige Leiche aus.

Ich wurde aus meinen Gedanken gerissen, als ich etwas lautes von unten hörte. Sofort näherte ich mir zur Zimmertür und versuchte zu verstehen, was da los war. Langsam machte sich Panik in mir breit und ich hatte Angst, das Liam etwas passiert war, jedoch schüttelte ich meinen Kopf und setzte mich anschließend auf das Bett wieder. Ich versuchte mich selbst zu beruhigen und vertraute Liam. Er konnte sich beschützen und alles würde gleich vergehen.

Jede Sekunde die verging, fühlten sich wie Stunden an und so langsam verlor ich die Geduld. In dem Moment konnte ich aber Schritte wahrnehmen, weswegen ich angespannt zur Tür starrte. Vor Angst traute ich mich nicht einmal zu bewegen und krallte meine Hände in die Bettdecke.

"Aria, du kannst die Tür aufmachen", hörte ich Liam seine Stimme, worauf ich erleichtert ausatmete.

Sofort stand ich vom Bett auf und schloss anschließend die Tür auf. Als ich Liam ins Gesicht schaute, wurden meine Augen größer. Besorgt sah ich an seine rechte Augenbraue, wo eine blutige Wunde zusehen war. Er hatte ihm wehgetan. Traurig schlang ich meine Arme um seinen Bauch, wobei er meine Umarmung direkt erwiderte.

"Ace, er hat es getan oder?", fragte ich, wobei er nichts sagte und das meine Bestätigung war.

"Komm, wir machen deine Wunde sauber", bestimmte ich und nahm ihn an der Hand.

"Es ist nichts schlimmes", meinte er, jedoch zog ich ihn einfach hinter mir her.

Im Badezimmer säuberte ich die kleine blutige Stelle, dabei wanderten meine Augen in seine. Er starrte gedankenverloren ins Leere und schien nachzudenken. Es musste etwas passiert sein und mein Gefühl sagte mir, dass es nichts gutes war. Ich fragte aber nicht und blieb still, denn er würde mir es nicht erzählen. Ich konzentrierte mich wieder auf seine Wunde und klebte ihm einen Pflaster darauf. Zuletzt küsste ich ihn ganz leicht an der Wange, wodurch ich seine Aufmerksamkeit bekam. Für einen Moment konnte ich Verzweiflung in seinen Augen sehen und das machte mich traurig. Was beschäftigte ihn denn so sehr?

"Tut es weh?", fragte ich.

"Dein Kuss hat alle Schmerzen verheilt", antwortete er und entlockte mir ein kleines Lächeln.

"Wir müssen wieder gehen", sagte er plötzlich, weshalb sich mein Gesichtsausdruck schlagartig änderte.

"Warum?", wollte ich wissen.

"Er weiß, dass du hier bist", erklärte er, aber das reichte mir nicht.

"Du hast vor etwas Angst", stellte ich fest, wobei sein Ausdruck kälter wurde.

"Aria, wir gehen. Pack deine Sachen", bestimmte er und wollte gehen, aber ich hielt ihm am Arm fest.

"Sag es doch endlich!", regte ich mich auf und er hielt für einige Sekunden inne bis er sich umdrehte.

"Ja, ich habe Angst und weißt du wovor ich Angst habe? Dich nicht beschützen zu können", sprach er und verschwand aus dem Badezimmer.

Wir saßen im Auto und fuhren wieder nach Hause. Meinen Kopf lehnte ich erschöpft an die Fensterscheibe und blickte gedankenverloren in die Dunkelheit. Warum musste immer alles kaputt gehen? Sobald ich mit ihm alleine war und alles so lief wie ich es mir vorstellte, kam etwas dazwischen und alles wurde zerstört. Eine große Stille war zwischen uns und niemand sagte ein Wort. Langsam wanderte mein Blick zu ihm und seine Augen waren konzentriert auf die Straße gerichtet.

"Willst du wieder zum Schweigen beginnen und mich von dich wegschubsen?", wollte ich wissen, jedoch kam von ihm nichts.

"Wenn du wirklich vorhast mich so zu beschützen, erreichst du damit das Gegenteil, denn du bereitest mir mehr Schmerzen zu, als ich die schon habe", redete ich weiter und hielt die Tränen angestrengt zurück, aber er sagte wieder kein Wort.

"Ich bin so dumm. Ich bin einfach nur dumm, weil ich jedes Mal zu dir komme und jedes Mal tu ich mir das selbst an!", regte ich mich auf und plötzlich blieb er mitten auf der Straße stehen.

"Ich bin nicht der Junge, der dich glücklich machen kann", meinte er und ich lachte ungläubig.

"Hör auf damit! Hör auf mich von der wegzuschubsen! Ich ertrage es nicht mehr!", schrie ich und eine Träne lief mir über die Wange.

Auf einmal schnallte er sich ab und stieg aus dem Auto aus. Wütend schlug er mit seinem Fuß gegen den Reifen und begann zu schreien. Ich schloss meine Augen und versuchte ruhiger zu atmen. Als ich nichts mehr von ihm hörte, blickte ich erneut zu ihm und er stand einfach nur da. Vorsichtig stieg ich ebenfalls aus dem Auto raus und näherte mich zu ihm. Ich fasste ihn an beiden Armen, worauf er mir in die Augen sah und unregelmäßig atmete.

"Du willst auch nicht von mir fern bleiben. Ich weiß es. Du willst es auch nicht", sagte ich traurig, jedoch schüttelte er nur seinen Kopf und befreite sich aus meinem Griff.

Meine Augen begannen zu brennen und die Tränen vermehrten sich. Auf einer Weise fühlte ich mich gerade viel zu schwach und hätte mich am liebsten fallen gelassen, aber eine Wut entfachte in mir und meine Geduld war nun am Ende. Wütend ging ich auf ihn zu und schlug ihm mit meinen Fäusten gegen die Brust. Er reagierte nicht darauf und vermied es mir in die Augen zusehen.

"Ich sterbe!", platzte es aus mir und ich ließ meine Hände langsam fallen.

"Ich sterbe...langsam und langsam. Siehst du das denn nicht?!", schrie ich und er traute sich wieder mir in die Augen zuschauen.

"Hör auf mich zu töten", flüsterte ich verzweifelt, denn der Schmerz in meinem Herzen war unerträglich, sodass ich keine Luft mehr bekam.

"Ich kann dir das nicht antun", murmelte er und ich umarmte ihn, denn er sollte wissen, dass das alles wirklich war.

"Du wirst mich für immer hassen", sprach er so leise, als ob er mit sich selbst reden würde.

"Niemals", versicherte ich ihm und umarmte ihn fester.

Die AugenWhere stories live. Discover now