Kapitel 37

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Er entfernte sich wieder von mir und konnte mich nicht mehr ansehen, weshalb ich verwirrt wurde. Ich hasste es, wenn er das tat. Es verletzte mich, wenn er Abstand von mir nehmen wollte, denn ich ertrug das nicht, aber er verstand dies nicht. Warum konnte er nicht einfach bei mir bleiben? Konnte er denn nicht sehen wie sehr ich ihn brauchte? Sah er denn nicht wie viel er mir bedeutete? Strahlte ich ihm nicht dieses Gefühl aus? Das Einzige, was ich wollte war er, aber er ging jeden Schritt zurück, sobald ich mich zu ihm näherte.

"Liegt es an meiner Krankheit?", fragte ich verletzt und sofort sah er mir in die Augen.

"Was?", war er nun komplett verwirrt.

"Willst du mich wegen meiner Krankheit nicht?", stellte ich ihm die Frage genauer und er sah mich ungläubig an.

"Wie kommst du auf sowas?", konnte er nicht verstehen und ich lachte humorlos auf.

"Wie ich darauf komme? Warum sonst versuchst du mich jedes Mal von dir wegzuschubsen? Weil ich krank bin! Weil ich sterben werde! Wer will denn schon mit einem Mädchen zusammen sein, die nicht mehr lange leben wird?!", platzte es aus mir und einige Tränen liefen über meine Wange.

"Aria", sagte er, aber ich schüttelte nur meinen Kopf und stand auf, da ich gehen wollte.

"Es war ein Fehler hierher zukommen", murmelte ich.

"Es tut mir Leid", entschuldigte ich mich und ging, doch sofort schlang er von hinten seine Arme um mich, sodass ich gefangen war.

"Lass mich doch gehen", bat ich ihn, aber er umarmte mich nur noch fester, weshalb ich verzweifelt die Augen schloss.

"Du wirst nicht sterben", flüsterte er und ich schüttelte nur den Kopf, dabei verlor ich weitere Tränen.

"Du. Wirst. Nicht. Sterben", wiederholte er sich und betonte jedes Wort.

Eine kurze Stille herrschte und man konnte nur mein leises Weinen hören. Er drehte mich langsam um, aber ich ließ den Kopf hängen, da ich ihn nicht in die Augen sehen konnte. Liam legte seine Finger unter meinen Kinn und hob vorsichtig meinen Kopf, sodass ich gezwungen war ihn anzuschauen. In seinem Blick lag zum ersten Mal Traurigkeit und er wischte mir die Tränen weg. Meine wirren Haarsträhnen steckte er mir hinters Ohr und legte anschließend seine Hand an meine Wange. Auch, wenn die Stelle brannte, liebte ich seine Berührungen und fühlte mich wohl.

"Ich halte mich von dir fern, weil ich dir nicht wehtun möchte", erklärte er.

"Du tust mir nicht weh", widersprach ich.

"Ich durfte mich niemals zu dir nähern", schüttelte er verzweifelt den Kopf und nahm seine Hand von meiner Wange.

"Ich brauche dich", gestand ich und er sah mir in die Augen.

"Verlass mich nicht...bitte", sagte ich und hatte Angst, das er wieder gehen würde.

"Wie schaffst du das?", fragte er plötzlich.

"Was?", war ich verwirrt.

"Die Kontrolle über mich zu übernehmen, sodass ich machtlos vor dir stehe?", stellte er mir diese Frage mit der ich nicht gerechnet hatte.

Hatte ich wirklich so eine Wirkung auf ihn?

Bevor ich länger darüber nachdenken konnte, zog er mich plötzlich zu sich und küsste mich auf die Stirn, weshalb ich zum Lächeln begann und meine Arme um ihn schlang. Ich wusste jetzt nicht, ob alles gut und was das zwischen uns war, aber ich wollte nicht, dass es aufhörte. Am liebsten würde ich mein ganzes Leben mit ihm hier verbringen, denn ich war mir sicher, dass ich glücklicher wäre.

"Du bekommst aber keinen Ärger, weil du hier bist oder?", fragte er nach, als wir uns auf die Couch setzten.

"Solange mich Jack nicht verratet, ist alles okay", antwortete ich und er hob fragend eine Augenbraue in die Höhe.

"Jack?", war er verwirrt.

"Er hat mich hergefahren", erklärte ich und er nickte ungläubig.

"Ich glaube, dass er dich langsam mag", vermutete ich und lächelte leicht.

"Schön zu wissen", meinte er und sah irgendwie nachdenklich aus.

"Was ist?", riss ich ihn aus seinen Gedanken, weshalb er mich ansah und mich näher an sich zog.

"Es ist nur komisch", antwortete er und ich verengte verwirrt die Augen.

"Wie komisch?", wollte ich wissen.

"Ich fühle sowas zum ersten Mal", meinte er und konnte es anscheinend nicht erklären.

Ich lächelte nur und legte meinen Kopf an seine Brust, worauf er mir durch die Haare ging und ich beruhigend meine Augen schloss. In seiner Nähe war alles schön. Meine Krankheit war wie vergessen und alle Probleme waren verschwunden. Liam gab mir Ruhe und Liebe. Auch, wenn er erst selbst lernte, was dieses Wort zu bedeuteten hatte und was es alles mit einem anstellen konnte.

Er riss mich aus meinen Gedanken, als er sich plötzlich von mir löste. Verwirrt blickte ich zu ihm hoch, doch dieser stand von der Couch auf und verließ das Wohnzimmer ohne mir etwas zusagen. Verständnislos sah ich ihm einfach nach und wusste nicht, was ich sagen sollte. Hatte ich irgendwas falsches gemacht? Wenige Sekunden später tauchte er wieder auf und setzte sich neben mich. In seiner Hand war ein Zeichenblock und ein Bleistift. Ich konnte erahnen auf was er hinaus wollte und schüttelte direkt meinen Kopf.

"Du hast jetzt aber nicht vor mich zu zeichnen oder?", fragte ich nach.

"Genau das habe ich vor", flüsterte er und küsste mich ganz leicht an der Nase.

"Aber ich kann nicht stillstehen", meinte ich.

"Bleib einfach nur sitzen und schau zu mir", verlangte er und ich tat, was er sagte.

Leicht amüsiert beobachtete ich ihn. Konzentriert blickte er Mal zu mir und Mal zum Zeichenblock, dabei zeichnete er mit Leichtigkeit auf das Blatt irgendwelche Linien. Komisch, das ich ihn genau jetzt nicht ablenken konnte, aber genau das war das Interessante an ihm. Wenn er zeichnete, war er in seiner eigenen Welt und hatte darauf hohe Konzentration, die ich bewunderte. Nie im Leben könnte ich wie er zeichnen. Außerdem würde ich mich die ganze Zeit nur aufregen, weil es hässlich aussah und das würde mit meinen Nerven spielen.

"Aria", riss er mich aus meinem Gedankengang, weshalb meine Aufmerksamkeit wieder bei ihm lag.

"Lächle", bat er mich und ich begann automatisch zu lächeln, was ihn genauso zum Schmunzeln brachte und mich glücklich machte.

Ich verlor mich in diesem Lächeln und konnte nicht aufhören ihn anzuschauen. Liam sah einfach wunderschön aus, wenn er lächelte und das würde ich am liebsten viel öfter von ihm sehen. Er war nicht der böse Junge wie jeder es dachte. In diesem Jungen, der gerade vor mir saß, versteckte sich ein kleiner verletzter Junge. Ich konnte diesen sehen und fühlen. Von Anfang an hatte ich Recht und war froh nie andere Gedanken gehabt zuhaben.

"So eine Schönheit musste ich einfach zeichnen", sprach er und zeigte mir es, worauf mein Lächeln breiter wurde.

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