Kapitel 3

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Montagmorgen, sechs Uhr dreißig, aufstehen. Nach einer Nacht, die ich endlich mal wieder durchschlafen konnte, ohne von jeglichen Alpträumen verfolgt zu werden und etliche male wach zu werden. Ich stehe auf, ziehe mich an und verschwinde erstmal im Bad, um mich fertig zu machen. Auch so eine Sache, wegen der ich mich Jörg schon einige male aneinander geraten war. Ich brauche ihm zu lange im Bad und wäre total das Mädchen. Nicht mal Alice würde morgens so lange im Bad brauchen wie ich. Es nervt einfach total und ich bin mir sicher, dass es da auch so schnell keine Ruhe geben wird. Dabei achte ich einfach darauf, dass ich nicht komplett wie eine wandelnde Leiche aussehe, wenn ich aus dem Haus gehe und mich komplett gehen lasse. Aber egal, was ich mache oder nicht mache, ist in seinen Augen lächerlich und ein Grund, mich irgendwie aufzuziehen oder sich über mich lustig zu machen. In solchen Momenten wünsche ich mir Papa besonders zurück. 

Ich gehe in die Küche und bin froh, als ich merke, dass Jörg gerade nicht da ist und ich somit in Ruhe meine Tasche zu ende packen kann. Das gemeinsame Frühstück versuche ich so gut es geht zu vermeiden, damit mir weitere Situationen mit ihm erspart bleiben. 

Es ist kalt draußen, der Winter rückt immer näher und der Nebel liegt nahezu den halben Morgen über der Kleinstadt. Mit Kopfhörern laufe ich zum Bus, der heute mal wieder auf sich warten lässt. Ich stehe komplett alleine an der Bushaltestelle und stehe mir die Beine in den Bauch, bis der Bus dann endlich kommt und mit sieben Minuten Verspätung los fährt Richtung Schule. 

Das Dröhnen der Musik in meinen Ohren lässt mich die Welt um mich vergessen, bis ich an der nächsten Haltestelle aus meinen Träumen gerissen werde, als sich Ruben, einer meiner Freunde, wie eigentlich jeden Morgen zu mir setzt und mich mit einem "moin Digga" begrüßt. Wir sind seit der fünften Klasse befreundet und fahren jeden Morgen im gleichen Bus zur Schule und manchmal treffen wir uns nachmittags zum skaten oder zocken. Trotz dass er ein Jahr älter ist, haben wir uns von Anfang an super verstanden und sind so ziemlich auf einer Wellenlänge. Man könnte fast meinen, dass er eingebildet sei und alles in den Arsch gesteckt bekommt, weil seine Eltern Ärzte sind und eine eigene Praxis haben und er und seine Schwester auch viel von der Welt sehen können bei den ganzen Urlauben, aber dennoch sind beide total auf dem Boden geblieben und absolut nicht das, was man sich womöglich unter den Kindern einer Arztfamilie vorstellen würde. Die siebte Klasse hat er sogar einmal wiederholen müssen, weil er Schwierigkeiten in Mathe hatte und auch so ganz gerne mal Quatsch gemacht hat. Mittlerweile unterstütze ich ihn und gebe hin und wieder Nachhilfe, dafür hilft er mir dann in Musik, denn mit Notenlesen und so etwas habe ich absolut gar nichts am Hut, während er schon seit er klein ist Klavier spielt und schon in mehreren Bands und Gruppen in der Schule war. So gerne ich es auch können würde, es liegt mir einfach nicht, aber damit habe ich mich mittlerweile abgefunden.

"Ich hab' überhaupt keine Lust heute auf die Schule. Es ist einfach viel zu früh und ich bin jetzt schon wieder Ferienreif, obwohl es noch gar nicht richtig losgegangen ist." , stöhnt er und lehnt seinen Kopf an die Scheibe. 

"Frag mich mal.", erwidere ich nur und das war es auch mit unserer Buskommunikation am Montagmorgen nach den Herbstferien.

Als wir auf das Schulgelände gehen, treffen wir schon ein paar unserer anderen Klassenkameraden und ein paar Leute aus den Parallelklassen. Man begrüßt sich, unterhält sich ein bisschen über die vergangenen Ferien, das übliche. Die Raucher stehen in der Raucherecke und rauchen, die Kiffer kiffen, die Mädels veranstalten wie nach jeden Ferien ein riesiges Gruppenkuscheln. Alles noch genau wie vor zwei Wochen, der normale Alltag am städtischen Gymnasium dieser "wundervollen" Kleinstadt. 

Schon in der ersten Stunde werden wir nicht verschont und der Tag startet direkt mit Deutschunterricht bei unserer Klassenlehrerin Frau Hermann. Eigentlich eine wirklich liebe Frau, aber besonders Montagmorgens und dann auch noch nach den Ferien, kann einem ihre gute Laune schon etwas gegen den Strich gehen. Die Motivation der Klasse liegt absolut bei Null, nicht mal die Mädels in der letzten Reihe tuscheln wie sonst immer, sondern liegen mit den Köpfen auf dem Tisch. Aber wem kann man das auch verübeln. 

Die Farben von Liebe Where stories live. Discover now