2 Nebel

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Jetzt ist die Begegnung eine Woche her, wir sind in der „Villa". Alte Architektur - ein großer, heller Kasten mit verzierter Fassade und Fenstern mit Rundbögen. Typisch für diese Ecke der Stadt.
Die mattgrauen Metallschilder, die auf eine soziale Nutzung des Gebäudes verweisen, wirken wie Fremdkörper auf der Sandsteinfassade.
Unter der Woche bin ich hier nicht unterwegs, aber am Wochenende öffnet sie manchmal ihren Keller, in dem dann schlechte, unbekannte Bands spielen.
Man geht natürlich hin, weil man um drei Ecken jemanden kennt, der einen von den Musikern kennt.
Da ist der Drang, in jeder Wochenendnacht an solchen Orten zu sein, die sind wie wir: jung, cool und undergroundig. Oder ist es Druck?
Wenn die jungen, coolen, schlechten, unbekannten, undergroundigen Bands fertig sind, legt ein DJ auf. Den kennt man natürlich auch, oder kennt jemanden, der ihn kennt.

Im Moment spielen ein paar Jungs, die ihren Auftritt mit einem Spruch gegen die „kapitalistische Warengesellschaft" eröffnet haben. Es wurde mit gelangweiltem Schweigen quittiert.
Ich habe mich von Jette herschleppen lassen, die mit einem der den Ton macht, in eine Klasse geht.
Die Musik ist hauptsächlich Grölen und Lärm und ein bisschen Wut. Keine Ahnung, warum man dafür jemanden am Ton braucht. Höchstens der Lautstärkeregler könnte einen hörbaren Unterschied machen.

Neben mir steht ein schmaler, junger Mensch mit sorgfältig geschnürten Zehn-Loch an den Füßen. Die Arme hält er verschränkt und den Blick auf die Bühne gerichtet. Ich kenne ihn vom Sehen und finde ihn gut, aber er hat eine Freundin, mit einem netten Gesicht. Wie ein frischer Eierkuchen, warm, rund und behaglich.
Wenn er da ist, öffnet ein zweiter Raum und er legt Neofolk auf.
Die Aussicht darauf macht den Abend ein bisschen besser. Hier, wo jetzt die Band im Dunst der Nebelmaschine und der Zigaretten auf ihren Instrumenten herumhackt, wird später Dark Wave und Gothickram gespielt werden.
Ich kann es kaum erwarten. Die kreischende Musik zerrt an meinen Nerven. Bestimmt denken sie, dass sie was Cooles und Wichtiges tun. Irgendwie stimmt das auch. Sie sind jung und da und machen Krach im Nebel.
Jette ist verschwunden, wahrscheinlich mit dem Tonmenschen quatschen und rauchen, dem verzichtbarsten Typen im ganzen Raum.

Zeit, was zu trinken zu holen. Ich schiebe mich durch den Dunst und schwarz gekleidete Gestalten mit bleichen Gesichtern. Viel Samt, Patchoulie und grobe Lederstiefel mit Stahlkappen sind anwesend.
Als ich vorbeigehe, sieht mich der Neofolk-Mensch kurz an und ich verziehe die Mundwinkel, damit er weiß, dass ich ihn kenne.
Im Flur, von dem links die Garderobe und eine Treppe abgehen, die ins Freie führt, steht eine alte Couch, auf die sich ein paar Leute gefläzt haben.
Meine Wochenendbekannten. Wir reden nicht, aber man sieht sich regelmäßig und ab und an taucht eines ihrer Gesichter auch am Tag in der Clique auf.

Rechts liegt das Café. Weil die Villa ein Jugendkulturirgendwaszentrum ist, gibt es ein paar Tische und ein großes Regal mit Brettspielen.
Die Aufmachung ist schlicht, Holz und zu grelles Licht für diese Zeit. Selbst auf den Klos ist die Beleuchtung nachsichtiger.
Hinter dem Tresen steht wie immer eine zarte, ältere Frau mit kurzen Haaren um die sie ein Haarband geschlungen hat. Sie ist schwarz gekleidet, aber ungeschminkt und ich frage mich, ob die Farbe nur ein Zugeständnis an ihre Arbeit ist, oder ob sie auch am Tag schwarz trägt.
Vor allem anderen bewundere ich ihre Handgelenke, die dünn wie Zweige sind und an denen der Griffelfortsatz der Elle hervorsteht. Ich finde das sehr elegant.
Das kann ich natürlich nicht aussprechen. Sie würde es nicht verstehen und ich müsste erklären, woher ich weiß, wie der kleine Huckel unter ihrem ledernen Armband heißt und damit würde ich über die Schule reden und mich wie eine Idiotin anhören. Die Szene wäre verdorben.

Ich trete deshalb still an den Tresen. Er ist einen Schritt vom Durchgang zum Flur entfernt.
An der hinteren Wand sitzen zwei Typen, vor einem steht eine Flasche Bier. Etwas an dem, der mir den Rücken zudreht, kommt mir bekannt vor. Seine hellbraunen Haare berühren die Schultern. Er redet auf sein Gegenüber ein. Die Geschichte scheint witzig zu sein, denn der andere lacht und guckt ungläubig.

Mela und Jo - Bad Boy VampirWhere stories live. Discover now