Kapitel 15

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Jeongin Pov:

Mit meinem Rucksack auf dem Rücken ging ich weiterhin über den Waldboden. Gleich nach Aufgang der Sonne war ich losgegangen und hatte mich für Tag zwei bereit gemacht. Nun ging es langsam auf den Abend zu. Dennoch wollte ich nicht zu voreingenommen sein.

Der Tag war noch nicht vorbei und bis jetzt war für diesen Tag auch noch kein Toter zu verzeichnen. Normalerweise würde ich sagen, dass das gut wäre, aber mit meiner derzeitigen Lage zusammen, war das eher negativ einzuschätzen.

Ich hielt in meiner Bewegung inne, als ich schnelle Schritte hörte, welche sich mir in einem erstaunlichen Tempo näherten.

Erschrocken blieb ich stehen und wusste im ersten Moment der Überforderung nicht, was zu tun war.

Jedoch wurde mir die Entscheidung eines nächsten Schrittes abgenommen, indem jemand in mich reinlief und mich somit zu Boden riss.

Ich schaute erschocken auf, genau in das panisch aussehende Gesicht von Solar. Ihr Schwert hielt sie stark umschlossen, sodass ihre Fingerknöchel weiß herausstachen. Mit geweiteten Pupillen sah sie mich an. Ich erwiderte ihren Blick mindestens genauso geschockt, obwohl es bei ihr vermutlich andere Gründe hatte.

Sie sah aus, als wäre sie vor etwas weggelaufen.

Wir tauschten keine Worte aus, sondern nur Blicke, die eigentlich alles sagten. Stumm vereinbarten wir etwas, indem sie ein Stück von mir weg rutschte und ich es ihr gleich tat.

Mit einem Nicken stand sie auf und verschwand schnell hinter den Bäumen.

Ich stieß erleichtert Luft aus, da ich mir sicher war, dass ich sie in einer Kampfsituation niemals hätte umbringen können. Grade, als ich mich einigermaßen in Sicherheit zu wiegen wagte, hörte ich einen Schrei, welcher sich sogar nach Solar anhörte, wenn ich mich nicht irrte, und einen Kanonenschuss, welcher den Tot eines weiteren Tributes anzeigte.

Mit offenem Mund sah ich in die Richtung, in welche Solar vor wenigen Sekunden noch verschwunden war und rappelte mich schnell auf.

Ich musste hier weg!

Doch grade, als ich mich umdrehte, um wegzurennen, bohrte sich, nur wenige Millimeter neben meinem Kopf, ein Pfeil tief in den Stamm eines Baumes.

Ich drehte mich sofort wieder um, nur um in das süffisant grinsende Gesicht von Yeji zu sehen, welche mit Pfeil und Bogen bewaffnet war.

Ehe ich reagieren konnte, zielte sie schon mit dem zweiten Pfeil auf mich.

,,Game over, kleiner. Danke, fürs mitspielen!" Dann schoss sie ab.

Ich kniff meine Augen zusammen und hörte, wie der Pfeil sein Ziel erreichte.

Jedoch das falsche Ziel.

Ich öffnete meine Augen, als ich einen Schmerzenslaut vernahm, welcher nicht von mir kam. Unter Schmerzen hielt Hyuna sich den Bauch, in welchem nun ein Pfeil steckte.

Sie hatte sich davor geworfen.

In meinem Kopf schien alles wie in Zeitlupe abzulaufen. Yeji hatte Hyuna einen Pfeil in den Bauch geschossen. Und das alles nur, weil sie mich umbringen wollte.

Meine Gefühle handelten aus Reflex und lösten eine Kettenreaktion in mir aus. Voller Wut riss ich den Pfeil neben mir aus dem Baum und schmiss ihm mit all meiner Kraft zurück in Yejis Richtung. Damit schien sie nicht gerechnet zu haben, da der Pfeil mit einem dumpfen Geräusch genau in ihrem Herzen stecken blieb.

Sie schenkte mir noch einen letzten erschrockenen Blick, ehe sie zur Seite kippte und der Kanonenschuss ertönte.

Ich kümmerte mich jedoch nicht weiter darum, sondern beugte mich runter zu Hyuna, welche leise wimmerte und den Pfeil in ihrem Bauch umschlossen hielt. Vorsichtig zog ich ihn heraus und holte das Handtuch aus meinem Rucksack, um es leicht auf ihre Wunde zu pressen.

,,Das wird schon wieder, Noona. D-das wird schon wieder, versprochen." Versuchte ich sie und mich selber zu beruhigen. Ich hatte selbst nicht bemerkt, dass ich angefangen hatte zu weinen, bis mir die salzigen Tränen über die Wangen liefen und mir das Sprechen schwer machten.

Ich versuchte die Blutung mit Mühe zu stoppen, erreichte aber herzlich wenig damit. Ich wurde nie zum Krankenhelfer ausgebildet.

Ich wurde von meiner Tätigkeit gestoppt, indem sich eine Hand auf meine Wange legte. Mit glasigen Augen sah ich zu Hyuna, welche mich nur schwach anlächelte.

,,Es ist schon in Ordnung, Jeongin." Ich biss mir auf die Unterlippe. ,,A-aber, deine Zukunft, deine Pläne." ,,Das war schon immer der Plan, Jeongin. Das und nichts anderes."

Sie strich mir beruhigend über meine Wange, ehe ich ein kaltes Metall an meiner Hand spürte. Ich sah hinab, auf meine Hand, in welcher nun ihr goldenes Schwert mit der silbernen Klinge lag. Ihr eigene Hand lag nun auf meiner.

,,Dein Schwert! Wie hast du..." ,,Jeder hat ein paar Geheimnisse." Unterbrach sie mich lächelnd. ,,Pass gut drauf auf. Ich bin mir sicher, dass du das richtige tun wirst. Gib bitte nicht auf, kleiner. Für mich und für alle anderen. Gib nicht auf." Sagte sie mir leise, als ihre Stimme zu brechen begann und auch ihr eine kleine Träne über die Wange floss.

,,I-ich...ich werde nicht aufgeben. Versprochen. Alles wird wieder gut." Schluchzte ich und umfasste sanft ihre Hand, welche an meiner Wange lag. ,,Pass auf dich auf." Flüsterte sie leise und sah ausatmend zum Himmel.

Ein Schuss ertönte und zeitgleich rutschte ihre Hand leblos von meiner Wange.

,,Noona?" Flüsterte ich leise, während mir eine Träne das Kinn hinunter lief. Ich schluchzte leise auf, als ich keine Antwort mehr bekam.

Ich versuchte meinen Atem unter Kontrolle zu bekommen und sah von Hyuna auf, direkt auf die Leiche von Yeji.

Plötzlich traf mich die Erkenntnis wie ein Schlag.

Ich hatte Yeji umgebracht.

Ich hatte einen Menschen getötet und das ohne zu zögern.

Ich bekam Schnappatmungen und der Schuss halte in meinen Gedanken wieder. Meine Tränen wollten nicht mehr aufhören zu fließen und hysterisch versuchte ich das leicht getrocknete Blut von meinen Fingern zu wischen.

Vor meinem inneren Auge tauchten immer wieder Hyunas und Yejis Gesichter auf, wie ich Yeji einfach so getötet hatte und wie Hyuna einfach vor meinen Augen gestorben war.

Ich fing immer stärker an zu weinen und zog die Beine an. Laut schluchzend drückte ich meine Hände gegen meine Ohren und wippte mich leicht hin und her, bei dem Versuch mich selbst zu beruhigen.

Aber es wurde nurnoch schlimmer. Der Schuss halte wie ein Echo durch meine Gedanken, genau wie das dumpfe Geräusch, als der Pfeil sich in Yejis Herz gebohrt hatte.

Ich fühlte den salzigen Geschmack meiner Tränen an meinen Lippen und drückte meine Hände nurnoch stärker gegen meine Ohren.

Plötzlich griffen zwei starke Hände nach meinen Handgelenken und entfernten diese vorsichtig von meinen Ohren.

,,Jeongin?" Jedoch traute ich mich nicht, meine Augen zu öffnen und weinte einfach weiter. Im Moment nahm der Schockzustand überhand über meinen Körper und kümmerte sich nicht um das, was um mich herum geschah. Und das, obwohl mein Gegenüber mich nun locker umbringen könnte.

,,Hey, Jeongin..." Sagte die Stimme plötzlich viel sanfter. Ich spürte, wie sich zwei Arme um meine Taille schlungen und ich in eine bequeme Umarmung gezogen wurde. Anhand der Stimme und des süßlichen Geruchs machte ich aus, dass mich offenbar grade Hyunjin aus 3 im Arm hielt und mir sanft über die Haare strich.

Jedoch traute ich mich noch immer nicht meine Augen zu öffnen. Viel zu groß war die Angst vor dem, was ich hinterlassen hatte.

Jedoch konnte ich spüren, wie Hyunjin sich umschaute und sich leise selbst fragte:

,,Was zum Teufel ist hier passiert?"




Hunger Games~Stray KidsWhere stories live. Discover now