Kapitel 2

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Der Damon-Salvatore-Verschnitt ging kein Risiko dabei ein, seinen Auftrag zur vollsten Zufriedenheit der Gründer zu erfüllen. Trotz zahlreicher Einwände wollte er nichts davon hören, sich wichtigeren Aufgaben zuzuwenden. Entschlossen begleitete er mich, bis ich den ersten Fuß in den Vorgarten des schlichten Ziegelgebäudes gesetzt hatte, in dem der Kreis tagte.

Direkt hinter dem Haus schossen die Bäume dicht wie Palisadenzaun in die Höhe und markierten die Grenze zwischen unserem ehemaligem Schlachtfeld und der freien Welt. Das Versammlungsgebäude war augenscheinlich nie als Zentrum der Gemeinschaft gedacht gewesen, denn im Gegensatz zum Seelenbaum hatten die Gründer es am äußersten Rand ihres Verstecks errichtet.

Entweder Zephael machte sich Sorgen, dass ich im letzten Moment kalte Füße bekommen würde und die Flucht in diesen dunklen Wald wagen würde, oder ich war den Aufwand schlichtweg wert, nun da ich offiziell eine Gründerin werden sollte. Denn das musste mein Begleiter bedeuten: Der Kreis war endlich dazu bereit, mir den zweiten Sitz der Marblods mit allen seinen Rechten und Pflichten zu überschreiben.

Als mir die Realisation kam, dass bisher alles nach Plan lief, hoben sich meine Mundwinkel – gemeinsam mit meiner Laune. Mit etwas Glück würde ich tatsächlich meine Chance bekommen, etwas zu ändern.

Während ich jedoch an die Vordertür des Hauses klopfte, wischte mir eine kühle Brise das Lächeln wieder vom Gesicht. Wie oft hatte ich hier bereits gestanden und mich ans andere Ende der Welt gewünscht?

Der Anblick des vertrauten Ziegelklotzes rief mir die Ernsthaftigkeit meiner Lage zurück ins Gedächtnis. Ein vollwertiges Mitglied des Inneren Kreises zu werden, brachte nicht nur Privilegien mit sich; begleitet wurde die Sonderbehandlung davon, sein Leben der Gemeinschaft zu verschreiben.

Reflexartig blickte ich über beide Schultern, als würde ich erwarten, dass jeden Moment Avna hinter einem Baum hervorspringen und mich fragen würde, was zum Teufel ich mit diesen verrückten Leuten zu tun hatte.

„Meine Güte, Epherys! Siehst du erwachsen aus."

Mein Kopf schnellte wieder nach vorne, als ich die vertraute Stimme von Jolana Meadow aufschnappte. Als ältestes Mitglied des Kreises besaß sie eine gewisse Autorität – trotz des mit einem Nachthemd zu verwechselnden Kleides und der bloßen Füße.

„Wir dachten schon, du hättest dich verlaufen", fuhr Jolana fort. In der sanften Stimme der alten Frau schwang leichter Tadel mit. Offenbar hatte Mr. Salvatore bei der Ausführung seines Auftrags getrödelt.

Es war nicht nötig ihn anzuschwärzen, also entschuldigte ich mich leise für die Verspätung.

Jolana schnalzte mit der Zunge und wedelte gleichzeitig mit einer faltigen Hand, damit ich ihr ins Innere des Gebäudes folgte. Ihr graubrauner Dutt begann sich nach und nach zu lösen, während sie auf ihren Stock gebückt durch die Eingangstüre und das beengte Vorzimmer kroch.

In diesem Tempo haben wir erst übermorgen den Saal erreicht, kam ich nicht umhin zu bemerken. Ich war noch dabei zu überlegen, ob ich eine ältere Gründerin von rechts überholen dürfte, als ich die erhobene Stimme von Zephael auffing. Selbst in einer lärmenden Menge wäre sein autoritäres Bellen schwer zu überhören gewesen, doch in diesem Moment trennten uns kaum zweieinhalb Zentimeter Holz voneinander.

„Sie ist bereit, wenn ich das sage, Caellis."

„Sie ist erst zwei Wochen wieder hier. Wir wissen nicht mit Sicherheit, ob eure Erbin unsere Stimme stärken wird. Du kannst nicht verge-"

Ich drückte die weißen Flügeltüren auf, ohne auf das Ende des Satzes zu warten, und betrat den Versammlungsraum mit großen Schritten. Ihren wütenden Protesten zu lauschen war gar nicht notwendig; ich wusste genau, was Caellis Grimlore über mich zu sagen hätte. Immerhin hatte ich ihre Tochter vor der magischen Gesellschaft als Mörderin gebrandmarkt und in den sicheren Schoß der Gemeinschaft verbannt. Zumindest bis Gras über die ganze Sache gewachsen war.

Die Gemeinschaft der Nachtalben - Band IIWhere stories live. Discover now