7 - Beziehungen

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Nach dem Essen schlenderten wir gemütlich durch die Stadt in Richtung Kino, da wir noch genügend Zeit hatten. Louisa hatte das Nachtessen erst zahlen wollen, da «du ja schon das Kino ermöglichst» und als «Entschädigung» für meine Begegnung mit Wasabi, aber ich hatte darauf bestanden, meinen Teil selbst zu zahlen. Und zum Glück hatte die Bedienung auch Deutsch gesprochen, sodass ich mich durchsetzen konnte.

Louisa erzählte mir gerade, dass sie im ersten Studienjahr war und Business und Marketing studierte. Irgendwie fand ich, dass diese Fächer gut zu ihr passten, sie war sicher eine gute Promoterin. Außerdem hatte sie einen Blog, wie sie mir erzählte. Nach einigem Nachfragen rückte sie damit heraus, dass ihr Blog schon etwas Erfolg hatte und sie davon ein bisschen Geld ans Taschengeld verdiente. Ich nahm mir fest vor, diesen Blog später zu finden. Konnte doch nicht allzu schwer sein, oder? Louisa wohnte zwar noch zu Hause, doch ich erfuhr nicht viel über ihre Eltern und ließ das Thema dann bleiben.

Stattdessen wollte Louisa mehr über mich wissen. «Hast du außer Mia noch andere Geschwister?»

Ich schüttelte den Kopf. «Nein, Mia ist meine einzige Schwester. Naja, also eigentlich ist sie meine Halbschwester.»

Louisa warf mir einen Blick zu. «Oh... dann sind deine Eltern getrennt?»

Ich nickte. «Seit fünf Jahren.» Es war nicht so, dass ich nicht damit klarkam. Aber ich dachte auch nicht besonders gerne daran.

«Tut mir leid.»

«Schon okay», sagte ich rasch und zuckte mit den Schultern. «Mias Vater ist nett, ich kann mich nicht beklagen.»

Louisa schaute mir in die Augen, ihre Stimme auf einmal überraschend sanft. «Du darfst dich dennoch beklagen.»

Ihre Worte fanden einen direkten Weg in mein Herz und augenblicklich wurde mir warm. «Naja... ich hab' ja immer noch Kontakt zu meinem Vater.» In mir drin jedoch regten sich Emotionen, von denen ich gar nicht wusste, dass sie noch existierten. Ich überlegte mir, welcher Elternteil mir mehr ein Vorbild war, aber ich wusste es nicht. Ich hatte sowohl mit meiner Mutter als auch meinem Vater gemeinsame Dinge und obwohl sich die Beziehung zu meinem Vater logischerweise geändert hatte, verstand ich mich immer noch gut mit ihm.

«Weißt du, Mias Eltern sind gerade in den Flitterwochen», meinte ich und lachte, als ich hörte, wie ironisch das tönte. «Also versteh mich nicht falsch, ich gönne es ihnen.»

Louisa lachte auf. «Wirklich?»

Ich nickte aufrichtig. «Ja wirklich. Deshalb passe ich auf Mia auf.»

«Ah, verstehe.» Sie machte eine Pause. «Ist eine liebe Geste von dir.»

Ich war überrascht und wieder einmal füllte sich mein Körper mit Wärme. «Danke.» Nate war auch erstaunt gewesen, er hatte nicht nachvollziehen können, wieso ich von mir aus diese Arbeit auf mich nahm. Aber ich mochte Mia von Herzen und ich freute mich für meine Mutter, dass sie in einer liebenden Beziehung war.

«Wow», machte Louisa nachdenklich und ich schaute sie leicht fragend an. «Sie müssen viel Vertrauen in dich haben. Deine Eltern meine ich. Dass sie dir ein Mädchen in dem Alter überlassen.»

Einen Moment lang war ich verblüfft. Ja, ich war verantwortungsbewusst genug, dass ich auf Mia aufpassen konnte. Und in der Tat würde das wohl nicht auf jede Person in meinem Alter zutreffen. Aber ich erkannte nicht sogleich, was Louisa damit sagen wollte. «Ich nehme das mal als Kompliment?»

Louisa machte grosse Augen. «Ja, bitte mach das!»

«Na dann, danke.» Ich musste erleichtert lachen. «Weißt du, meine Mutter ist glücklich mit meinem Stiefvater und das zählt für mich. Manchmal habe ich das Gefühl, sie sind verliebter als Nate und ich es sind.» Ich schaute nach vorne, sah, dass wir schon bald beim Kino waren und verlangsamte automatisch den Schritt. Kurz runzelte ich die Stirn über meine eigenen Worte. Was erzählte ich ihr da alles? Irgendwie hatte sie einen Punkt in mir getroffen, der mich plötzlich offen werden ließ und ich merkte, dass ich mich dabei wohl fühlte, ihr meine Gefühle anzuvertrauen. Und das geschah bei mir meist nicht so schnell.

Louisas Augen weiteten sich bei meinen Worten kurz, mit einer Hand strich sie sich die schwarzen Haare aus dem Gesicht. Sie sah mich auf einmal wieder so intensiv an und beinahe spürte ich beim Gehen ihre Schulter an meiner. «Oh, soll das heissen, du bist in deiner Beziehung nicht glücklich?»

Ich öffnete den Mund, aber wusste nicht, was ich erwidern sollte. Doch, klar war ich glücklich. Nur nicht mit rosaroter Brille und Glitzer. Louisa brachte mich dazu, jedes meiner Gefühle zu hinterfragen. Erst mit meinem Vater, dann mit meinem Freund. Ich liebte Nate, da war keine Frage. Warum also konnte ich ihr nicht antworten? «Ähm...», sagte ich äusserst geistreich. «Doch, klar.»

Louisa winkte schnell ab. «Tut mir leid, ich stelle zu persönliche Fragen.»

Ich lachte, war aber erleichtert, dass sie die Spannung aufgelöst hatte. «Schon okay.» Ich deutete nach vorne auf das Kino. «Hier rein.»

In der Tat kannten wir uns ja erst seit zweieinhalb Tagen, aber es fühlte sich an wie Monate. Ich hatte das Gefühl, Louisa schon ewig zu kennen und ihr alles anvertrauen zu können. Und das, obwohl ich sonst nicht leicht vertraute. Lag das an ihrer offenen Art, die jeden einzuladen schien? An ihrem Charme, ihrer fröhlichen Ausstrahlung? Oder ihrer Begabung, in mich hineinzusehen und meine Gefühle zu lesen? Es war beinahe schon beängstigend, aber ich fühlte nichts anderes als Geborgenheit.

Ich kümmerte mich um die Tickets und stellte sicher, dass wir den Rabatt bekamen. Dann kauften wir uns eine Packung Nachos zum Teilen und begaben uns in den Kinosaal. Wir suchten uns einen Platz in der Mitte des Saales und Louisa schob die Lehne zwischen uns hoch, damit wir die Nachos dort platzieren konnten. Sie hatte anscheinend gar nicht genau geschaut, um was der Film ging, denn jetzt stellte sie mir Fragen zum Inhalt.

Ich musste lachen. «Warst du so begeistert über Rabatt, dass du den Trailer gar nicht angeschaut hast?»

«Nein!», widersprach sie empört. Dann sprach sie etwas leiser. «Ich war bloß so begeistert über Kino mit dir, dass ich mir den Trailer gar nicht angeschaut hatte.»

Mein Herz klopfte wie verrückt. Kino mit mir. Was an mir fand Louisa so interessant, dass sie mir ein derartiges Kompliment gab nach bloß zwei Tagen? Ich war nicht dumm oder langweilig, aber ich war auch nicht die, auf die sich alle stürzten. Doch Louisa schien das anders zu empfinden. Ich spürte ein Schauder und merkte erst dann, dass Louisas Hand in der Nachospackung leicht zu zittern schien. Bevor die Spannung zu hoch wurde, ging der Beamer an.

Unsere Köpfe drehten sich nach vorne und wir warteten gespannt darauf, dass der Film begann. Während noch die Werbung lief, beugte ich mich etwas zu Louisa herüber und berührte ihre Hand, um ihre Aufmerksamkeit zu bekommen. «Es ist eine Mischung aus Komödie und Liebesdrama.»

Louisa drehte ihren Kopf zu mir, ihre Augen schauten mich intensiv an. Ich hatte fast das Gefühl, dass sie unter meiner Berührung zusammengezuckt war. «Das ist perfekt», meinte sie, doch ihr Blick bewegte sich unruhig auf und ab. Ihre braunen Augen erinnerten mich an flüssiges Caramel.

«Gut.» Ich nahm erleichtert meine Hand zurück und drehte mich wieder zur Leinwand um. Aber ich spürte, dass Louisa mich immer noch betrachtete und ich fragte mich, was sie dabei dachte. Etwas nervös zupfte ich an meinem Top herum und widerstand der Versuchung, zu Louisa zu schauen. Stattdessen machte ich es mir in dem Sitz bequem und bald begann auch schon der Spielfilm.

***

Was für Filme schaut ihr gerne? Geht ihr häufig ins Kino?

Ich schaue viele verschiedene Genre, aber meistens zu Hause und nicht im Kino.

Love is not a choice (Roman)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt