18.

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Immer und immer wieder landet mein Blick auf Shawn. Er hingegen beachtet mich nicht. Und ich glaube einfach nicht, dass er zu mir sieht sobald ich wegschaue.
Brian sitzt mir gegenüber, den Kopf an der Lehne angelehnt und seine Kopfhörer im Ohr. Er hat die Augen geschlossen. Irgendwas muss bei Shawn und ihm vorgefallen sein. Die beiden haben sich nicht mal richtig begrüßt.
Ein Blick auf die Uhr verrät mir, dass noch vierzig Minuten Flug vor uns liegen.
Irgendwann gebe ich es auf Shawns Blick zu suchen. Wahrscheinlich bereut er den Kuss und möchte sich ganz auf das Mädchen von gestern Abend einlassen.
Ich beuge mich zu Brian rüber und tippe ihm mit dem Zeigefinger auf den Oberschenkel.
Blinzelnd öffnet er die Augen. Sein einer Mundwinkel zuckt nach oben und er nimmt einen der AirPods raus.
„Möchtest du?", fragt er mich sanft. Stumm nehme ich den Kopfhörer entgegen.
Mich umgibt die Stimme von Julia Michaels und endlich fällt meine Anspannung ein klein wenig ab.
Obwohl nur mein rechter Gehörgang von ihrer Stimme beschallt wird, fühlt es sich an, als würden alle anderen Geräusche in den Hintergrund rücken. Auch dieses typische Flugzeuggeräusch.
Ich lasse mich in das Polster des Sitzes sinken und lächele Brian an. Er lächelt wissend zurück.
Als wir uns zehn Minuten vor dem Landen über Julias Musik unterhalten, kann ich das erste mal sehen, dass Shawns Blick zu uns zuckt. Aber es ist mir egal. Zumindest glaube ich das.
Ich richte meine komplette Aufmerksamkeit auf Brian und versuche, das Gefühlschaos in mir zu beenden.

Lautes Geschrei erwartet uns am Flughafen in Oslo. Man könnte meinen, dass ich das mittlerweile gewöhnt bin, aber tatsächlich habe ich mich noch nicht einmal ansatzweise an diesen Lautstärkepegel gewöhnt.
Reihenweise Mädchen rufen nach Shawn und mich überkommt ein beklemmendes Gefühl.
Ich hole tief Luft, verschlucke mich aber dabei an meiner eigenen Spucke. Hustend versuche ich Luft zu holen.
Der Rest scheint mein zurückbleiben gar nicht zu bemerken. Brian habe ich komplett aus den Augen verloren.
Shawn und Alessia werden von Security Leuten umringt und als ich schließlich aufhole und mich suchend nach Brian umsehe, streift Shawns Blick meinen. Alles in mir zieht sich zusammen.
Ich bin so wütend auf ihn. Aber ich habe gar keine Zeit, die Wut ausbrechen zu lassen, denn plötzlich zieht sich die Traube von Mädchen um uns zusammen. Ich werde angerempelt und niemand kümmert sich um mich.
Eigentlich bin ich immer davon ausgegangen, dass die Security Leute sich auch um Shawns Gefolgschaft kümmern, aber das tun sie nicht. Vielleicht falle ich unter all den Mädchen in meinem Alter auch einfach nicht auf.
Ich dränge mich weiter nach vorne und orientiere mich an Shawns großer Gestalt - mein einziger Fixpunkt in dem ganzen Getümmel. Mich überkommt wieder ein Hustenanfall.
„Scheiße.", fluche ich. „Lasst mich mal vorbei!"
Aber die Mädchen reagieren nicht auf mich. Also versuche ich, nach Shawn zu rufen, aber er hört mich nicht. Wie auch? Vor mir rufen unzählige Mädchen dasselbe.
Die Situation an einem Flughafen war noch nie so unorganisiert wie jetzt. Wieder rempelt mich ein Mädchen an.
Ich Kralle meine Finger um den Griff meines Koffers und stolpere weiter auf den Ausgang zu. Mein Herzschlag beschleunigt sich. Mir fällt auf, wie wenig ich schon wieder getrunken habe. Eine einzige Tasse Kaffee. Kaffee zählt nicht mal.
Hustend schubse ich ein paar Mädchen zur Seite und ich schwöre, wenn Blicke töten könnten, wäre ich nun schon unzählige Tode gestorben.
„Shawn!", rufe ich. Aber es gibt keine Reaktion. Panisch ziehe ich die Luft ein, als eine neue Druckwelle an Schubserei hinter mir entsteht.
Ein Ellbogen trifft mich mit voller Wucht gegen den Kiefer. „Oh mein Gott! Entschuldigung.", quietscht ein Mädchen.
Übelkeit überkommt mich. Ich versuche weiter zu gehen, aber meine Knie drohen nachzugeben. Ich kann nicht mehr.
Mein Kiefer schmerzt, ich habe das beklemmende Gefühl keine Luft mehr zu kriegen und als ich schließlich erneut angerempelt werde, stolpere ich nach vorne.
Ich spüre, wie zwei Arme nach mir greifen, aber da wird mir schon schwarz vor Augen.

*

„Willst du was von ihr?"
Ein dumpfes Gemurmel. Keine Ahnung von wem. Ich will auch nicht die Augen aufschlagen, weil ich noch nicht bereit dazu bin, wieder aufzuwachen. Ich versuche meine Augen entspannt zu halten.
„Nein. Aber sie will was von dir und du von ihr."
Es ist eine Sekunde lang still. Dann werden Stühle verrückt.
„Das ist nicht wahr."
Ich glaube, Shawn spricht da. Und... Brian? Aber ich kann bei bestem Willen nicht sagen, wer wer ist.
„Das ist wohl wahr, und das weißt du genau so gut wie ich, du Depp. Du reagierst wie so ein aufgedrehtes, eifersüchtiges Eichhörnchen..."
Erschöpft gleite ich zurück in den Schlaf, nur um wenig später erneut von einem Gespräch geweckt zu werden.
„Sie können nicht hier bleiben. Die Patientin braucht ihre Ruhe."
Ein protestierendes „Ich bleibe."
Die Schwester gibt das diskutieren auf und ich frage mich unweigerlich, wieso ich überhaupt in einem Krankenhaus bin.
Neben meinem Bett nehme ich ein Geräusch wahr. Ich glaube, ein Stuhl wird daneben gestellt.
Dann wird nach meiner Hand gegriffen. Warm und schützend legt sich die andere Hand um meine eigene. Der Daumen streicht zärtlich über meinen Handrücken.
Zu gerne würde ich die Augen aufmachen. Aber es geht einfach nicht. Also sauge ich die Berührung förmlich in mich auf, und döse wieder weg.
Es ist das erste mal in diesen acht langen Tagen, dass ich wirklich gut schlafe.

Shawn Mendes: We keep this love in a photographWhere stories live. Discover now