Prolog

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Der Ausblick von der Dachterrasse war atemberaubend. Überall helle bunte Lichter und hunderte Menschen tummelten sich auf den Gehwegen unter dem dunklen Nachthimmel.

Doch Regina hatte keine Zeit, um den Anblick zu genießen. Ihr Herz schlug ihr bis zum Hals, obwohl sie versuchte, nach außen hin ruhig zu bleiben.

Sie stellte sich immer wieder die Frage, ob das hier der richtige Weg war. Der richtige Weg, um die Dunkelheit in sich loszuwerden. Der richtige Weg, um mit ihrer Vergangenheit abzuschließen. Sie hatte nicht die leiseste Ahnung. Das einzige, was sie wusste, war, dass sie so nicht weiterleben konnte und wollte.

Sie musste das hier tun.

Besorgt schaute Regina in die Gesichter von Emma und Snow. Der Ausdruck des Sheriffs war schwer zu deuten, während Snow versuchte, zuversichtlich zu wirken.

Regina krempelte den Ärmel ihrer Jacke hoch. "Dann passt gut auf euch auf. Ich bin sicher, dass gleich eine sehr wütende Königin auftaucht. Die hasst dich auch an guten Tagen." Sie warf einen prüfenden Blick zu der Retterin. "Emma?"

Diese nickte. "Bin bereit."

Schließlich nahm Snow Reginas Arm sanft in ihre Hand, um sie ruhig zu halten. Ein letztes aufmunterndes Nicken, das Regina erwiderte, und Snow stach die Nadel der Spritze in Reginas Unterarm.

Die Nadel drang tief in ihr Fleisch, doch Regina ließ sich den stechenden Schmerz nicht anmerken. Ihre Gedanken kreisten immer wieder, um das, was sie gleich tun würde. Sie konnte nur hoffen, dass sie stark genug sein würde. Aber jetzt gab es ohnehin kein Zurück mehr.

Regina beobachtete, wie die rote Flüssigkeit in der Spritze langsam in ihren Körper drang, und dann zog Snow sie auch schon wieder aus ihrem Unterarm. Wie auf Kommando verspürte Regina einen brennenden Schmerz in ihrer Brust, der sich langsam auf ihren ganzen Körper ausbreitete. Snow trat schnell einen Schritt zurück, während Regina sich vor Schmerzen krümmte.

Das Gefühl war unvergleichlich. So etwas hatte sie in ihrem ganzen Leben noch nicht verspürt. Dagegen war es gar nichts, wenn einem das Herz herausgerissen wurde. Regina hatte das Gefühl, ihr ganzer Körper würde auseinander gerissen werden.

Sie stöhnte schmerzerfüllt auf und warf einen verzweifelten Blick zu ihren Freunden. Auf beiden Gesichtern spiegelte sich der gleiche Ausdruck von Entsetzen und Furcht wider.

Reginas Hände verkrampften, sie krümmte sich, stöhnte, schloss die Augen. Sie wollte, dass es aufhörte. Sie war sich sicher, sie würde jeden Augenblick das Bewusstsein verlieren. Es fühlte sich an wie eine Ewigkeit, obwohl es sich nur um wenige Sekunden handelte.

Doch dann warf Regina ihren Kopf in den Nacken und ballte die Hände zu Fäusten. Im Augenwinkel konnte sie erkennen, wie sich eine Gestalt von ihrem Körper löste. Der Anblick erinnerte Regina an einen Horrorfilm; es hatte etwas Außerirdisches.

Und dann war es auch schon wieder vorbei.

Die Gestalt in Form der bösen Königin löste sich von ihr und stolperte nach vorne. Der Schmerz war schlagartig fort, doch dafür war etwas anderes da. Furcht.

Die Königin sah genauso aus, wie in Reginas Erinnerung. Ein bodenlanges schwarzes Kleid mit silbernen Stickereien und hohem Kragen, die langen Haare hochgesteckt, das Make-up dunkel. Langsam drehte sich die böse Königin zu ihrer anderen Hälfte um und einige Sekunden lang herrschte Stille. Niemand rührte sich, die Atmosphäre knisterte förmlich vor Anspannung.

Das einzige, was Regina hörte, war das heftige Schlagen ihres Herzens und das Rauschen ihres Blutes in den Ohren. Sie wagte es kaum zu atmen.

Schließlich verzog die böse Königin angewidert das Gesicht und musterte ihre andere Hälfte mit Verachtung. "Ach du liebe Zeit. Was ist aus dir geworden?"

Regina wollte etwas erwidern, doch ihr Kopf war wie leergefegt. Sie konnte ihren bösen Teil nur schockiert anstarren. Zu mehr war sie nicht fähig.

Auf einmal machte die böse Königin einen Schritt nach vorne, doch Emma reagierte sofort und ließ mithilfe ihrer Magie eiserne Fesseln an den Händen der Königin entstehen, die sie zurückhielten. Ungläubig versuchte sie sich aus den Fesseln zu befreien, aber es war vergeblich. Ihre Augen schrien puren Hass und Mordlust. Wieder nutzte Emma ihre Magie, um die Hände der bösen Königin an ihren Körper zu pressen.

"Regina", sagte Emma sanft, um ihre Freundin zurück in die Realität zu holen. "Das ist deine Chance. Vernichte sie."

Es war ein seltsames Gefühl für Regina, ihr ehemaliges Ich vor sich stehen zu sehen, höhnisch grinsend.

Die böse Königin lachte leise. "Du? Mich vernichten? Das schaffst du doch nicht", knurrte sie hasserfüllt.

Regina war noch immer bewegungsunfähig.

"Regina!", wiederholte Emma, dieses Mal panischer, und machte einen Schritt nach vorne.

Mit vor Verachtung triefender Stimme fuhr die Königin fort: "Du bist schwach."

Endlich löste sich Reginas Starre und sie machte vorsichtige Schritte auf die Königin zu. Sie hatte keine Ahnung gehabt, wie furchteinflößend ihr früheres Ich gewesen war.

"Egal, was du anstellst, du kannst unsere Dunkelheit nicht vernichten. Tief in deinem Inneren kennst du die Wahrheit." Die Königin machte eine Pause, in der sie Regina intensiv in die Augen starrte. Mit tiefer kehliger Stimme fügte sie schließlich hinzu: "Du brauchst mich."

Regina atmete tief durch. "Nein", erwiderte sie und versuchte, so selbstsicher wie möglich zu klingen, "tue ich nicht."

Ohne weiteres Zögern holte Regina aus und rammte ihren Arm tief in die Brust der bösen Königin. Der Ausdruck von Schock und Unglauben in dem Gesicht ihrer dunklen Hälfte ging Regina durch Mark und Bein. Sie griff das schlagende Herz und zog es heraus. Die dunklen Augen der Königin wurden beinahe schon traurig, flehend nach Gnade.

"Es tut mir leid", flüsterte Regina mit einem Zittern in ihrer Stimme. Sie würdigte dem fast schwarzen Herzen in ihrer Hand keines Blickes, sondern betrachtete weiterhin den verzweifelten Ausdruck der Königin.

Herzen herauszureißen und zu zerquetschen, das hatte sie tausende Male gemacht. Aber das hier, ihr eigenes Herz in der Hand zu halten, fühlte sich so anders an. Irgendwie falsch.

In dem einen Moment noch spürte Regina das Schlagen des Herzens in ihrer Hand, im nächsten Moment zerquetschte sie es zu Staub, der durch ihre Finger rieselte. Die Königin senkte den Kopf, und langsam wurde auch sie zu Staub, der von dem kühlen Abendwind davon getragen wurde. Mit einem klirrenden Geräusch fielen die Fesseln zu Boden.

Regina zitterte am ganzen Körper, als sie sich zu Emma und Snow umdrehte, die ungläubig die Fesseln anstarrten.

Sie hatte es geschafft. Sie war die böse Königin, ihre Dunkelheit, endlich für immer losgeworden. Niemals wieder würde Regina den unerträglichen Impuls verspüren, jemanden töten zu wollen. Niemals wieder würde sie diese Stimme in ihrem Kopf hören, die sie daran erinnerte, wer sie war und was sie getan hatte.

Und vielleicht würde Regina endlich ihre schmerzhafte, grauenvolle Vergangenheit hinter sich lassen können.



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Soo, eine neue SwanQueen ff.
Ich werde versuchen, jede Woche ein neues Kapitel zu posten, und würde mich sehr über Feedback freuen. Die Handlung wird zwar auf der Staffel basieren, aber ich habe sie sehr stark geändert.

Btw den Dialog hier habe ich original aus der Folge übernommen. Bin ich die einzige, die findet, dass die Übersetzung teilweise etwas komisch klingt?

The Beauty of DarknessWo Geschichten leben. Entdecke jetzt