"Winston, lassen Sie bitte ein leichtes Abendmahl auftragen", sagte Bailian an den Butler gerichtet, der nickte und sich sofort an die Arbeit machte.

Dann wandte er sich an Lucinda: "Ich zeige dir gleich einmal unser Schlafgemach, dann können wir noch eine Kleinigkeit zu uns nehmen und uns dann zurückziehen."

Bei seinen Worten sah Lucinda erschrocken zu ihm. 'Ihr' Schlafgemach?

Bailian schien sich über ihre Reaktion zu freuen. "Was hättest du denn gedacht?", flüsterte er ihr zu, als er sie sachte zur Treppe zog. "In meinem eigenen Heim werde ich mich ganz sicher nicht aus meinem Schlafzimmer vertreiben lassen!"

"Werde ich denn nicht mein eigenes haben?", fragte sie leise und sah ihn verunsichert an, während sie ihm die Stufen hoch folgte. Sie wusste, dass es in der adligen Gesellschaft üblich war, als Ehepaar getrennte Schlafzimmer zu beziehen. Sie hatte es für eine Selbstverständlichkeit angesehen und sich damit beruhigt, dass wenigstens die Abende und Nächte ihr alleine zustanden.

Bailian blieb neben ihr stehen und grinste sie an. "Ich lasse mich doch nicht zum Gespött der Stadt machen", meinte er gelassen. "Zu heiraten, aber getrennte Schlafzimmer zu haben... Das würde meinen Ruf doch nicht retten, sondern nur noch mehr ruinieren", raunte er ihr mit funkelnden Augen zu und ging weiter. Mit rotem Kopf sah sie ihm nach, raffte dann ihre Röcke und folgte ihm schnell in den ersten Stock. Er hielt ihr eine schwere Eichentür auf und machte eine knappe Verbeugung. "Nach Ihnen, Mylady", sagte er galant und neugierig betrat sie den großen Raum, während sie versuchte, seinen intensiven Blick nicht zu beachten. Diese entspannte Art und Weise, wie er seit ihrer Ankunft in London mit ihr umging, war ungewohnt und in gewisser Weise unglaubwürdig. Aber sie gefiel ihr besser, als die undurchdringbare Kälte, die er auch ausstrahlen konnte.

Das Zimmer war mit dunklen Vertäfelungen, einer dunkellila Tapete mit fliederfarbenem Muster und einem dunklen Teppichboden ausgestattet. Das helle Mobiliar jedoch schaffte einen Ausgleich, sodass der Raum nicht erdrückend wirkte. Lucinda gefiel die Einrichtung, obwohl der Prunk für sie gewöhnungsbedürftig war. Ihr Blick fiel auf den Frisiertisch, bei dem Bailian stand und sie mit seinen Augen verfolgte.

"Ich weiß nicht, ob es deinem Geschmack entspricht, aber ich habe dieses Möbelstück für dich anfertigen lassen."

Langsam lief sie auf das Möbelstück zu und ließ ehrfürchtig ihre Fingerspitzen über die filigranen Schnitzereien gleiten, die den Rahmen des Spiegels und die kleine Schublade zierten. Er musste den Tisch schnell nach ihrer Verlobung in Auftrag gegeben haben, sonst wäre es niemals möglich gewesen, ihn in nur zwei Wochen fertigzustellen.

"Er ist wunderschön!", hauchte sie und riss dann ihren Blick von dem Geschenk ihres Mannes los, um ihn anzulächeln. "Ich danke dir vielmals!"

Bailian erwiderte ihr Lächeln und betrachtete sie fast schon mit einem sanften Ausdruck, der jedoch schnell verschwand.

"Ich schicke Mia zu dir hoch, damit du dich ein wenig herrichten kannst, bevor wir zu Abend essen." Er nickte knapp, wie um seine eigenen Anweisungen zu bestätigen und verließ dann das Zimmer mit langen Schritten. Lucinda wartete einen Augenblick, dann ging sie zum Bett und ließ sich erschöpft darauf sinken. Die Schmerzen in ihrem Körper erwachten wieder zum Leben und die Last ihrer neuen Verantwortung als Hausherrin drückte ihre Schultern nach unten.

Sie war dieser Aufgabe nicht gewachsen, dachte sie mit Schrecken. Panik machte sich in ihr breit, floss durch ihre Adern und ballte sich dann in ihrem Magen zu einem steinernen Klumpen. Worauf hatte sie sich da nur eingelassen.

Falsch, sie selbst hatte sich auf gar nichts eingelassen.

Wehmütig dachte sie an ihr altes Zuhause, das einzige, das sie bisher gekannt hatte und stellte fest, dass sie Heimweh verspürte. Wie oft hatte sie sich über die Neckereien ihres Bruders aufgeregt, wie oft über das Getratsche und die naive Art ihrer Schwestern, wie oft über die Starrköpfigkeit ihrer Mutter, wenn es darum ging, Lucinda Freiheiten in Bezug auf ihre Interessen zu gewähren.

Und trotzdem – sie liebte sie alle, denn sie waren ihre Familie und würden immer ein Teil von ihr bleiben.

Blut blieb einfach stärker als Wasser.

Und wie sehr sie erst ihren Vater vermisste. Noch immer konnte sie ihm seine Entscheidung nicht vollends verübeln, da Lucinda wusste, dass er aus den besten Beweggründen heraus gehandelt hatte.

Oh, wie gerne würde sie ihn nun in den Arm nehmen, seinen leichten Duft nach Natur und Pfeifentabak in sich aufsaugen und sich von ihm trösten und Mut zusprechen lassen!

Aber ihr Vater war nicht hier, ebenso wenig wie der Rest der Familie und sie wusste auch nicht genau, wann sie einen von ihnen wiedersehen würde.

Lucinda presste entschlossen die Lippen aufeinander, sodass ihr Mund einen entschlossenen Zug annahm.

Dann würde sie eben lernen, wie so ein Haushalt zu führen war!

Gerade als sie aufstehen wollte, um zu sehen, wo Mia blieb, um ihr beim Umkleiden zur Hand zu gehen, klopfte es erst kurz an der Tür, bevor diese, ohne eine Reaktion ihrerseits abzuwarten, aufschwang und Mia ein wenig gehetzt eintrat.

"Entschuldigen Sie, Mylady. Ich habe mich mit einem der Dienstmädchen unterhalten und die Zeit übersehen, es wird nicht wieder vorkommen", erklärte Mia ihre leichte Verspätung und bekam rote Wangen.

"Das macht nichts, Mia, wir werden gemeinsam lernen, uns vollends in unseren neuen Aufgaben zurechtzufinden."

Lucinda lächelte und als sie in den Spiegel sah, während Mia mit geübten Griffen Schnüre an ihrem Rücken löste, spürte sie langsam ihr Selbstvertrauen zurückkehren.

Nun würde sie sich erst einmal dem ersten Abend in Gesellschaft ihres Mannes widmen und ab morgen würde sie sich in ihre neuen Pflichten stürzen und keiner Seele Anlass zur Klage geben!

Nun würde sie sich erst einmal dem ersten Abend in Gesellschaft ihres Mannes widmen und ab morgen würde sie sich in ihre neuen Pflichten stürzen und keiner Seele Anlass zur Klage geben!

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Könntet ihr euch mit so einem Leben anfreunden?

Was wäre für euch die größte Herausforderung?

Bis nächste Woche! <3

Lucinda RoseWhere stories live. Discover now