33.°verliebt°

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33.

                                         Alexis

Wenn ich ihn jetzt küssen würde, würde es dann was ändern? Nein, denn es ist eh schon alles am Arsch. Er starrt mich an und ich habe Angst, dass er schon weiß, was ich tun werde. Ich trete näher und nun beleuchtet mich das Laternenlicht komplett. Seine Pupille weitet sich, als mein Mund einen Spalt aufgeht. Noch immer stoppt er mich nicht, als ich weiter vor trete. Meine Hand streift seinen Bauch und ich fühle eine gewissen Anspannung zwischen uns, welche mir die Luft schwer macht. Mein Herz rast schneller als ein MacLaren und ich verliere gleich die Kontrolle, wenn er hier einfach weiter herum steht, mit zerzausten Haaren und seinem bleichen Gesicht, welches jedoch wunderschön ist. Sein Kiefer zieht mich regelrecht an und die Wangenknochen ebenso. Der Junge vor mir, mit französischen Wurzeln bringt mich um den Verstand und ohne weiter nachzudenken stelle ich mich auf die Spitzen und drücke meine Lippen gegen seine. Als hätte er selber darauf gewartet, presst er mich verzweifelt gegen die Hauswand und ich gebe ein wimmern von mir, denn diese Nähe macht mich traurig, da ich weiß, dass er mich wahrscheinlich nur aus Mitleid küsst. Aber dass kann nicht sein, denn er fasst gerade meine Hände an und umklammert sie mit seinen. Er entfernt sich von mir und ich könnte schwören, dass seine Augen grade geblitzt haben. Er atmet schwer und hektisch, genauso wie ich selbst. Es fühlt sich jetzt wirklich an wie ein Abschied, doch das habe ich schon oft gesagt. Unsere Augen können sich nicht voneinander lösen und deswegen schlinge ich meine Arme um ihn und verweile so. Auch er schließt mich in seine Arme und vergräbt sein Gesicht in meine Haare. Plötzlich atmet er stoßweise aus und ein und zittert leicht. Ich frage mich gerade, ob er weint oder einfach so atmet. Als ich dann was nasses an meinem Hals spüre weiß ich es genauer. Doch anstatt mich von ihm zu entfernen, ziehe ich ihn enger an mich ran und er beginnt leise zu schluchzen, was immer lauter wird. Plötzlich bildet sich selbst in meinem Hals ein Klos und wandert hoch, bis es auf die Tränendrüse drückt. Meine Augen werden feucht und ich versuche es zu unterdrücken, aber alles ist einfach zu schwer für mich. Meine Mutter liegt vielleicht im Sterben, das mit William ist kompliziert und meine Brüder hassen mich und wollen mein Leben zur Hölle machen. Mein Leben läuft super, denke ich mir und schluchze dann laut auf, so, dass William zusammenzuckt. Wir hatten noch nie so einen emotionalen Moment zusammen und das gerade bedeutet mir sehr viel. Er vertraut mir, sonnst würde er ja nicht bei mir weinen.

Er versucht sich nach einiger Zeit aus meinen Armen zu lösen, bis ich nachgebe. Seine Augen sind angeschwollen und rot. Er drückt seine Augen zusammen, als wolle er verhindern, dass er wieder mal anfängt zu weinen.

»Dir muss nichts peinlich sein vor mir. Ich akzeptiere dich so wie du bist und vertraue dir, auch wenn es nicht auf Gegenseitigkeit beruht. William, ja, ich bin in dich verliebt und ja, ich brauche deine Nähe, aber wenn du Zeit brauchst, werde ich sie Dir geben. Ich werde nicht mehr nachts bei dir erscheinen und dich urplötzlich küssen, nur, wenn du mir Erlaubnis gibst. Wenn du also nie wieder was mit mir zutun haben willst, werde ich es jetzt wohl akzeptieren müssen. Doch ich hoffe, dass du innerlich das gleiche fühlst wie ich und mich nicht einfach aufgeben wirst.«

Als wartete er dass ich weiter rede, funkelt er mich an und streicht über meine Haare, kommt mir näher, riecht an meinem Hals und gibt mir einen Stirnkuss und einen ganz leichten auf die Lippen. Fährt nochmal diese nach und stupst meine Nase an. Scannt meinen Körper ab und nimmt meine Hand in seine, dreht sie um und fährt mit seinen Fingerkuppen über meine erhitzte Haut. Streichelt meine Wangen mit beiden Händen, nimmt mich für paar Sekunden in den Arm und lässt seine Hände an meiner Taille verweilen und entfernt sich dann letzten Endes von mir. Dreht sich um und geht zurück zur Haustür. Ich folge ihm, bleibe aber weiter hinten stehen, um ihn zu beobachten. Er dreht sich ein letztes Mal um und eine Träne kullert aus seinem Auge, wendet sich aber dann von mir ab und geht ins Haus. Er schließt die Tür und lässt mich in dem kleinen Viertel alleine.

Erneut bildet sich ein großer Klos im Hals, den ich versuche runterzuschlucken, was mir auch gelingt. Meine Knie fühlen sich so weich an, dass ich Angst habe gleich umzukippen. Das was er gerade stumm bei mir gemacht hat, war unbeschreiblich schön. Keine Worte können ausdrücken, was er gerade angestellt hat. Diese Gesten brennen noch immer auf meiner Haut und ich hoffe, dass sie so bleiben wie ein Tattoo. Selbst dass er meinen Duft eingeatmet hat, bringt mich um den Verstand. Was hat William an sich, was andere nicht haben? Wie stellt er sowas mit mir an?

Ohne es zu merken laufe ich mit voller Wucht gegen ein Straßenschild und erkenne jetzt, dass ich zum Krankenhaus laufe. Vor lauter Lauter habe ich meine Mutter ganz vergessen. Ja, wie unmenschlich kann man sein und seine krebskranke Mutter vergessen?

Ich steige in einen Bus, auf den ich eine Viertelstunde gewartet habe und setzte mich auf eines der vielen freien Plätze.

°°°

»Entschuldigen Sie, dürfte ich zu meiner Mutter. Da ich nicht weiß wie die Besuchszeiten sind und es ja noch ziemlich früh ist.« Die mollige Frau murmelt etwas vor sich hin und tippt den Namen meiner Mutter, den ich ihr genannt habe, in einen Computer. »Ich weiß, wo meine Mutter liegt.« Über ihre Brille hinweg schüttelt die bisschen traurig den Kopf und ich bekomme Panik.

»Ihre Mutter wurde letzte Nacht auf die Intensivstation verlegt, denn die Operation lief nicht so, wie es geplant war.«, sagt die Frau und ich nicke in Starre.

»Düfte ich sie trotzdem besuchen?« Sie verneint und ich frage, wann ich sie denn besuchen dürfte. Sie antwortet mir, dass es um acht Uhr ginge und ich verabschiede mich.

Ich liebe dich, Leben.

WilliamWo Geschichten leben. Entdecke jetzt