Kapitel 10

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Melody

Ich schloss die Tür hinter mir und atmete tief durch.

In der Notaufnahme war es erstaunlicherweise schneller gegangen, als ich gedacht hatte. Wahrscheinlich hatte sie das Blut an meiner Hand und in meinem Gesicht überzeugt, dass ich schon etwas rascher Hilfe brauchte. Ich war in ein Behandlungszimmer gesetzt worden und ein netter junger Pfleger hatte sich um meine Wunden gekümmert. Alles in mir hatte sich dagegen gesträubt, mich von ihm zu berühren zu lassen, doch ich hatte mir nichts anmerken lassen. Lediglich als er mich bat, mein Shirt auszuziehen, um sich meine Rippen anzusehen, hatte ich gezögert.

„Du brauchst dich nicht zu schämen, ich sehe das täglich“, hatte der nette Pfleger mit einem freundlichen Zwinkern gesagt.

Zwar machte es das für mich nicht erträglicher, aber ich hatte keine Wahl. Würde ich mich weigern, würden Fragen aufkommen. Und letztendlich würde ich beim Seelenklempner landen. Von daher blieb mir gar nichts Anderes übrig, als mein Shirt vorsichtig auszuziehen.

Seine Finger waren vorsichtig und sanft über meine Haut geglitten, als er die Schramme reinigte. Sie war größer als ich erwartet hatte, jedoch weitergehend oberflächlich, weswegen die nicht ganz so sehr blutete. Es war schwer, nicht seinen Berührungen auszuweichen. Ich versuchte mich währenddessen gedanklich irgendwie abzulenken.

Verzweifelt hatte ich an eine Serie gedacht, die ich letztens dank Netflix angefangen hatte: The Vampire Diaries.

Während der nette Pfleger mir also den Oberkörper verband, versuchte ich zu erörtern, welchen der Salvatore-Brüder ich an Elena Gilberts Stelle nehmen würde. Doch schon als der Pfleger mir sagte, ich könne mich wieder anziehen, war ich zu dem Entschluss gelangt, dass ich Damon Salvatore auswählen würde. Irgendwie könnte ich Stefan nicht leiden. Er war so schwach und so langweilig. Und sein ganzes Gesicht nervte mich, es war viel zu platt.

Anschließend wurde meine linke Hand noch geröntgt, um einen Bruch auszuschließen. Zum Glück und war sie nur geprellt, trotzdem bekam ich eine zweiwöchige Sportbefreiung und auch links einen netten Verband.

Dann durfte ich gehen.

Seufzend zog ich meine Schuhe aus und ging hoch in mein Zimmer. Ich sah lächerlich aus, links und rechts an der Hand einen blöden weißen Verband und meinen rechten Wangenknochen zierte eine schöne fette Schramme. Großartig.

Morgen würde mich mindestens eine handvoll Menschen fragen, was ich da gemacht hatte. Oder mich anstarren und mit anderen über mich reden. Toll. Tschüss Unsichtbarkeit.

Hallo Mittelpunkt.

Seufzend blickte ich auf die Uhr. Taidt würde bald kommen, ich konnte schon mal Kartoffeln aufsetzten und Gemüse schnippeln. Ich schnappte mir mein Handy und ging runter in die Küche.

Ich wagte es, mein Handy an zumachen, konnte mich aber trotzdem nicht dazu überwinden, auf WhatsApp zu gehen und zu gucken, ob Kyle mir geschrieben hatte. Beziehungsweise was er geschrieben hatte. Noch immer verdrängte ich so gut es ging den heutigen Nachmittag und versuchte mich zumindest auf The Vampire Diaries zu konzentrieren. Abwesend kramte ich ein scharfes Messer und ein Brettchen raus, wusch Möhren ab und setzte mich mit einigen Kartoffeln an den Tisch. Stumm begann ich, das Gemüse zu schälen. Stur versuchte ich, sämtliche Gedanken zu verdrängen.

Doch es klappte nicht.

Es klingelte.

Ich zuckte zusammen. Verdammt. Taidt. Warum kam er so früh?

Ängstlich legte ich das Messer und die Kartoffel, die ich gerade am Wickel hatte, auf den Tisch und stand auf. Langsam ging ich zur Tür und öffnete sie.

Mercy (vorerst leider pausiert)Where stories live. Discover now