48. Kapitel

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Ich schnappte erschrocken nach Luft, als Vento drohend den Kopf hob. Beide Pferde sahen in eine Richtung, doch als ich ihren Blick zum Waldrand folgte, konnte ich nichts erkennen.

„Was ist denn da?", flüsterte ich, doch die Pferde standen weiterhin ganz still da, mit wachsam gespitzten Ohren, und bewegten sich keinen Zentimeter. Ihr Atem ging stoßartig in Nebel über.

Das Unbehagen in mir wuchs stetig und schnürte mir fast den Hals zu. Mir wurde bewusst, dass hier etwas nicht stimmte. Meine Beine fühlten sich schwer an, während ich wacklig einen Fuß vor den andern setzte. Ich musste wissen, was da ist.

Vento gab abermals ein warnendes Schnauben von sich. Es war, als spürte er die plötzliche Gefahr. Ich blieb stehen. Von weiten sah es fast so aus, als würde sich etwas aus der Dunkelheit lösen, wie eine Silhouette. Nein, drei Silhouetten!

„Hierher", flüsterte ich zu den Pferden und lief ein paar Schritte rückwärts, während die drei schemenhaften Gestalten näherkamen – direkt auf uns zu. Die Pferde kamen unruhig in meine Richtung und blieben neben mir stehen. Mit weit aufgerissenen Augen sah ich zu den Männern und musste feststellen, dass einer von ihnen ein Seil in den Händen hielt. Sie wollten ihn holen, sie wollten Vento tatsächlich holen!

Vento schmiss den Kopf und schubste mich auffordernd an der Schulter. Erst jetzt konnte ich mich wieder rühren und legte eine Hand auf seinen Hals. Sora stand ebenfalls dicht hinter mir.

Ich starrte nach vorne und konnte sofort die Gestalt von Philipp Siegemann ausmachen. Oh nein. In meinem Inneren machte sich mich auf das Schlimmste gefasst.

„Du schon wieder", hörte ich prompt seine fiese Stimme sagen. „Damit hatte ich schon fast gerechnet", trotz der Dunkelheit wusste ich, dass ein höhnisches Grinsen auf seinem Gesicht lag.

„Und wie sieht's aus? Bist du vernünftig, oder müssen wir uns erst einmal um dich kümmern?", langsam merkte ich, wie Wut in mir aufstieg. Ich holte tief Luft.

„Ihr werdet Vento nicht bekommen. Das lasse ich nicht noch einmal zu", meine Stimme klang so fest, dass ich selber überrascht war, doch meine Wut begann stärker zu werden als meine Furcht.

„Es wäre besser für dich vernünftig zu sein. Wir werden dir nichts tun, aber wir müssen etwas zurückholen, was dir nicht gehört", versuchte der Mann, welcher sich zu meinem Entsetzten als Damien entpuppte, es nun etwas umgänglicher. Ich schlug mir erschrocken die Hände vors Gesicht.

„Damien?! Wie... wie kannst du...?", ich war überfordert. Klar hatten wir Damien im Verdacht gehabt, doch hatte er eine Krankschreibung nachgereicht und auch auf dem alten Hof war er nirgends dabei gewesen.

„Hör mal", fuhr er nun fort und klang langsam ungeduldig, während er das schwere Seil über seine Schulter schob.

„Ich rate dir, uns lieber aus dem Weg zu gehen, bevor wir dich dazu zwingen müssen", das war eindeutig eine Drohung. Ich musste etwas unternehmen. Und zwar sofort. Mein Blick flog hinter zum Ende der Lichtung, wo ich mit wachsenden Entsetzten sah, dass dahinter mehrere Geländewagen, einschließlich Pferdehänger, bereitstanden. Das war dann wohl die Verstärkung.

Als Damien unvermittelt einen Schritt auf uns zumachte, wurde Vento panisch und trat nach hinten aus. Auch Sora machte einen panischen Satz und galoppierte in Richtung der alten Eiche. Doch bevor die Männer reagieren konnten, griff ich nach Ventos Mähne und schwang mich mit Vollschwung auf seinen Rücken.

„Los!", Vento bäumte sich im ersten Moment auf, bevor er geradewegs zwischen den Angreifern hindurchgaloppierte.

„Hinterher!", hörte ich Siegemanns Stimme, und auch die anderen Männer hinter dem Zaun setzten sich in Bewegung. Vento raste über die Koppel, durch den Nebel, wie ein schwarzer Blitz. Wir mussten schneller sein.

Free Together (Eine Pferdegeschichte)Where stories live. Discover now