Tag 1, Der Schlüssel

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Langsam läuft sie den Kiesweg entlang, den Blick fest auf den Boden geheftet. Zwischen den kleinen Steinen sucht sie was sie doch nicht finden wird. Ein Blick auf ihr Handy sagt ihr das es schon viel zu spät ist. Sie sollte längst wieder Zuhause sein. Doch noch dreht sie nicht um. Sie ist schon seit über einer Stunde hier und läuft langsam den Weg zurück, den sie am Nachmittag genommen hatte. Leise flucht sie über ihren Leichtsinn und ihre Fähigkeit Dinge aufzuschieben. Sie Blickt auf und sieht einen Mann in dunkler Kleidung. Er kommt ihr mit finstere Mine entgegen. Sie widmet sich wieder dem Boden und der Mann geht mit schweren Schritten an ihr vorbei.

Zum wiederholten mal wühlt sie in ihrer Tasche, greift aber nur wieder in das kleine Loch. Sie wollte es schon vor Wochen reparieren aber war nicht dazu gekommen. Sie hatte eigentlich nichts erwartet, sooft wie sie schon zwischen ihrem Block und den Stiften gesucht hatte. Warum musste sie ausgerechnet diesen Schlüssel verlieren? Alles, sogar ihr Wohnungsschlüssel wäre besser gewesen. Auch auf dem hinter ihr liegenden Weg ist er nicht. Der Kies knirscht leise während sie weiter geht.

Als sie zuhause ankam und den Briefkasten ihres Nachbarn öffnen wollte, um seine Post in seine Wohnung legen, fiel es ihr auf. Er war am frühen Morgen zu seiner Schwester auf Land gefahren und hatte sie gebeten nach seiner Wohnung und der Post zu schauen und gleich am ersten Tag hatte sie den Schlüssel verloren. In der Uni hatte sie ihn noch gehabt und beim Bäcker war er ihr fast aus der Tasche gefallen, danach hatte sie ihn nicht mehr gesehen. Also konnte sie ihn nur auf dem Weg verloren haben. Doch das war bei einer halben Stunde Fußweg einfacher gesagt als getan.

Ein leichter Schauder läuft ihr über den Rücken, als sie daran denkt, es dem alten Mann erzählen zu müssen. In der Hoffnung ihr Schicksal noch abzuwenden sucht sie weiter. Er ist nicht direkt unfreundlich,eigentlich überhaupt nicht, aber sie hat großen Respekt vor ihm. Seit er sich bei ihrer Mitbewohnerin und ihr beschwert hatte, weil sie vergessen hatten das Treppenhaus zu wischen, war sie vorsichtig bei ihm. Aber es war auch eher eine Erinnerung als eine Beschwerde. Und jetzt, wo er für eine Woche verreist war, vertraute er ihr seinen Schlüssel an und prompt verlor sie ihn. Im Gegensatz zu ihrer sehr schusseligen Mitbewohnerin rühmte sie sich damit, nichts zu vergessen oder zu verlieren. Sie wollte ihren etwas verschrobenen und zu Selbstgesprächen neigenden Nachbar nicht enttäuschen. Auch nur der Gedanke aufzugeben kam nicht in frage.

Währen sie sucht zeichnet die Sonne immer längere Schatten und die Dämmerung beginnt. Die junge Frau erhöht ihr Tempo und sucht weiter. Ständig dreht sie sich um, um sich zu vergewissern das sie allein auf dem Weg ist. In einer Stadt wie dieser ist es nicht ratsam nachts allein herum zulaufen, erst recht nicht in einem menschenleeren Park. Genau jetzt hört die Frau die Warnungen ihrer Mutter in Ihrem Kopf nachhallen ,,Geh' nicht allein nach draußen und sei spätestens um sechs wieder zurück." Es ist lange her, sie war damals in der Grundschule, aber dennoch bekommt sie Angst. Wer weiß schon was für Gestalten Nachts in so einer gottverlassenen Grünanlage herum laufen? Es macht ihr eine Gänsehaut.

Mit dem Untergang der Sonne wird es bedeutend kälter und die Frau beginnt leicht zu frösteln. Sie zieht ihre Jacke aus ihrer Tasche und zieht sie an. Sie erreicht das Ende des Park und eine Ecke weiter sieht sie den Bäcker, bei dem ihr der Schlüssel fast aus der Tasche gefallen währe. Auch dort findet sie den Schlüssel nicht.

Resigniert dreht sie um und fällt nach wenigen Metern in einen schnellen Laufschritt. Sie stellt sich mindestens zehn Möglichkeiten vor, wir jemand sie entführen oder anspringen könnte. Einige male sie muss sie langsamer werden um wieder zu Atem zu kommen.

Während einer dieser kurzen Pausen setzt sie sich auf eine Parkbank und nimmt einen tiefen Zug der frischen Nachtluft. Plötzlich hört sie eine leise Stimme und stellt sich unauffällig hinter eine Busch. Ein junger Mann mit tief ins Gesicht gezogener Kapuze und schwarzem Hoddie läuft an ihrer Bank vorbei. Er scheint zu telefonieren.

,,Nein, ich habe mir noch nichts überlegt. Wir können die genaueren Pläne machen wenn ich zuhause bin." Der mann verschwindet aus der Hörweite des Mädchen. In den Augen der verängstigten Jungen Frau klingen die Pläne über die sie reden wie als würden sie einen Mord planen.

Sie rennt los, stolpert fast über ihre eigenen Füße und kommt bald in ihrer Wohnung an. Ihre Mitbewohnerin hat ihr einen Teller Suppe stehen lassen. Daneben liegt der Briefkastenschlüssel des Nachbarn, genau dort wo sie ihn am Morgen abgelegt hat, um ihn nicht zu,vergessen.


Vorgegeben waren: Park, Junge, hübsche Frau und Angst

Kurze GeschichtenDonde viven las historias. Descúbrelo ahora