[7] Die Ballsaison ist eröffnet

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Das habe ich mir dann wohl selbst zu verdanken. Mit Missgunst, versuche ich diesen Fleck von dem Teller wegzuschrubben. Es gibt keine erdenkliche Gelegenheit momentan aus dem Haus zu kommen, aber ich werde es an einem bestimmten Tag müssen. Die Ballsaison wurde wieder für eröffnet erklärt und das bedeutet für mich, unter den Leuten unterzutauchen und vielleicht eines dieser streng geheimen Mythen, offenbart zu bekommen. Ich gehe soweit mit der Annahme, dort auf meine Vorfahren antreffen zu können.

Diese Ballsaison ist nämlich ein großes Spektakel. Jeder ist momentan mit den Vorbereitungen diesbezüglich viel zu beschäftigt. Mrs. Levine redet nur noch davon und wie sie Adeline schon in diesem Jahr eine gute Partie zu finden versucht. Jedenfalls muss ich fürs erste Aschenputtel spielen. Die Tochter der Levines hat mir recht schnell verziehen und kommt ab und zu mal, um mir Gesellschaft zu leisten und mich mit ihren Geschehnissen zu quälen.
Ich finde es hätte mich schlimmer treffen können. Die Putzfrau in einem so sauberen Haus zu spielen, ist jetzt nicht so der Rede wert. Auch wenn ich es ungern zugebe, aber ich glaube die Herrin im Hause hat mich irgendwie lieb gewonnen. Warum sonst, hat sie sich für mich eingesetzt?

Konzentration, Calypso! Heute ist tatsächlich die erste Ballsaison. Letzte Nacht habe ich mir ein blaues Blüten-Kleid aus dem Schrank der Countess geliehen und werde es heute tragen.

„Calypso!" Adeline kommt in einem viel zu aufgeplusterten Kleid in die Küche gestürmt und dreht sich wie eine Prinzessin einmal im Kreis.

„Sieh nur wie schön mein angefertigtes Ballkleid geworden ist!" Strahlt die kleine mir entgegen, während sie beim Lächeln ihre kleinen Grübchen offenbart.

„Ja sehr schön und jetzt verschwinde aus der Küche, sonst wird es noch dreckig." Lüge. Eigentlich interessiert es mich nicht, aber ich will doch auch einfach nur meine Ruhe genießen. Ich habe schließlich einen langen Tag vor mir und dazu kommt noch, diese spezielle Geheimoperation. Bin ich jetzt eigentlich sowas wie eine Spionin der Vergangenheit? Ich sollte meinen wahren Namen wirklich nicht so offen tragen und anfangen irgendeinen Decknamen zu nutzen. Schulterzuckend sehe ich wieder zu dem Mädchen, die mich eindringlich zu Mustern scheint.

„Weißt du eigentlich, mit welcher Schönheit Gott dich gesegnet hat? Ich meine in meinem Leben noch nie so eine anmutigen Frau wie dich gesehen zuhaben. Ebenso wenig kann ich mir erklären, dass solch eine ausgerechnet zu unseren Bediensteten angehört."

„Danke, du bist auch nicht ohne." Das entspricht sogar der Wahrheit. Die Kleine hat eine schöne Haarpracht, die mit den goldenen Locken, ihre zarten Gesichtszüge ergänzen.

„Der Kutscher müsste jeden Moment eintreffen! Ich erstatte am Abend Bericht." Ich nicke ihr bloß zu und mache mich wieder an meine Arbeit.

~

„Das macht dann 11 Münzen." Ich überreiche dem Kutscher den genannten Betrag und steige aus. Mit großen Augen bestaune ich das Anwesen, dass sich mir erstreckt und werfe einen Blick auf meine gestohlene Einladung. Der Earl of Kent wird immer zu solchen Veranstaltungen eingeladen, doch nur selten nimmt er an denen Teil. Ein Vorteil für mich! Mit einem Grinsen, sehe ich mich während des Gehens um und muss schon zugeben, das die gerade nicht ohne kommen. Überall strotzt es auch nur so von Adligen in verschiedenster Art und Weise. Sie alle kommen von ganz England hierher angereist, da Kent wohl jemanden gehört,der wohl den Gerüchten nach, selbst wohlhabender als die Königin selbst sein solle.

Mit einem Lächeln, zeige ich einem der Guards meine Einladung und dieser lässt mich auch sogleich eintreten. Ich muss erstaunt feststellen das hier wohl Leute leben, die viel zu viel Geld und Geschenke Freiheit genießen, denn die Einrichtung ist mehr als nur "extravagant".
Diese ganzen komischen Aufstellungen mit Kristallen und goldüberzogenen Kunstwerken, sind schon ein wenig übertrieben. Zeitgleich finde ich es sehr interessant so zu sehen, wie die Leute mit einem höheren Status, so ihre Festlichkeiten in dem Viktorianischen Zeitalter geschmissen haben.
Bei dem vorbeigehen, sehe ich hier und da mal die ein oder andere komisch gekleidete Person und muss versuchen nicht zu verekelt wirken, als ich gerade an einem Paar, das übereinander herfällt wie zwei wild gewordene Tiere, vorbeigehe. Diese Zeit ist wirklich eine Experience für sich.
Die riesige Tür entlarvt schon die verschiedensten Anwesenden. Das eine Kleid größer als das andere, die verschiedensten Friseuren jeglicher Art und abnormale "Accessoires".
Da fühlt man sich ja gleich, wie eine wahrhaftige Zeitreisende. Je tiefer ich mich unter die Menschen mische, desto bestärkter wird das Gefühl mit Augen verfolgt zu werden.
Jedem dem ich entgegen blicke, hat nicht diese zart und weich aussehende Haut, von den man in meiner Zeit immer geschwärmt hat. Irgendwie weist jeder Macken auf, die sie mit dem überpudern versuchen zu verbergen. Ich kann viele junge Damen ausmachen, die wahrlich eine Schönheit für sich repräsentieren. Die Kleider sind ebenso atemberaubend, während so-gut wie alle irgendwelche Kärtchen am Handgelenk gebunden haben. Das hat man doch gemacht, damit die Männer einen Tanz reservieren konnten.

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