TWO

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London am späten Nachmittag, mitten im tiefsten Winter.

Ich verstand nicht warum so viele Menschen diese Zeit im Jahr so abgrundtief hassten.

Gut.

Die Dunkelheit die sich vor allem in den kleinen, unbeleuchteten Gassen der Stadt verbarg, brachte auch mein Blut in Wallung.

Ich tastete nach meinem Handy und suchte in meiner Musikliste nach einem besonders fröhlichen Lied.

Als ich in Straße einbog die auf schnellstem Wege zur Underground führte, vernahm ich plötzlich ein Geräusch hinter mir.

Ich versuchte mir einzureden, dass ich mir das nur einbildete und das gerade eine Katze ihren Streifzug durch diese Straße machte, oder der Wind an den Fensterläden rüttelte.

Ein älteres Pärchen kam mit entgegen und seufzte erleichtert auf.

Es war fast unmöglich allein in London zu sein.

Der Mann nickte mir höflich zu und ich erwiderte seinen Gruß mit einem Lächeln.

Ich sah den beiden nach wie sie in einem der Häuser verschwanden und wandte mich wieder um.

Und dann ging alles ganz schnell…

Zwei kräftige Hände packten mich und pressten gegen die Hausmauer, sodass ich den kalten Backstein durch meine dicke Jacke hindurch spürte.

„Na Unschuld?“ ich konnte die unbekannte Gestalt vor mir nicht erkennen. Es war zu dunkel um auch nur einen Anhaltspunkt zu erhaschen.

Der Stimmte nach zu urteilen war es ein Mann. Ein großer Mann der nach Alkohol und Zigaretten stank und dessen Hände sich in meine Oberarme bohrten.

Verzweifelt versuchte ich nach ihm zu treten, doch er lachte nur und hob mich mühelos vom Boden an, sodass meine Füße in der Luft schwebten.

„Was werden wir den gleich so wild werden.“ Sein schwefliger Atem nahm mir für einen kurzen Augenblick meine Sinne und ich versuchte verzweifelt, das Bewusstsein zu behalten.

Bitte Gott, lass das nicht zu, flehte ich im Stillen und wandte mein Gesicht ruckartig zur Seite als das des Unbekannten auf mich zusteuerte.

„Du kleine Schlampe wirst mir doch wohl nicht einen Kuss verwehren?“ knurrte er, ließ von meinen Armen ab und packte mich stattdessen an der Kehle.

Doch nicht für lange.

Der Mann wurde plötzlich nach hinten weggezogen und ich fiel keuchend und benommen von dem starken Druck auf meine Luftröhre, wie ein Stein auf den nassen Asphalt.

Nur verschwommen bekam ich mit was um mich herum geschah, auch wenn sich mein Gehirn weigerte diese Ereignisse aufzunehmen.

Mein Angreifer lag nur wenige Meter vor mir auf der Straße.

Er fluchte und versuchte sich aufzurappeln, doch soweit kam er nicht.

Ein weiterer Schatten löste sich aus der Dunkelheit und griff blitzschnell nach dem Mann auf dem Boden, dieser schrie heißer auf als gegen die Wand gedrückt wurde.

Ein Déjà-vu Moment vom feinsten.

Schließlich war ich diejenige gewesen, die noch wenigen Augenblicken in genau derselben Position dagestanden hatte.

Ein leises Krachen ertönte und aus dem Schrei wurde ein Jaulen und aus dem Jaulen ein merkwürdig unmenschliches Röcheln.

Dann sackte die Gestalt an der Wand zu Boden und blieb regungslos liegen.

Vor mir tauchten starke Hände auf die mein Gesicht umfassten und dann zu meiner Taille fuhren um mir aufzuhelfen.

Ich keuchte. Immer noch zu geschockt über das was gerade passiert war.

Instinktiv hatte ich aufgenommen, dass mein Peiniger aller Wahrscheinlichkeit tot war.

Doch wer war der Mann der mir gerettet hatte?! Wer war der Mann der ihn umgebracht hatte?!

Erst jetzt bemerkte ich das ich die Luft angehalten hatte und ließ diese nun mit einem lauten auf keuchen aus meine Brust entweichen.

„Das war schlimm.“ Flüsterte ich und  starrte in die Dunkelheit „Danke.“

Der Unbekannte hielt mich in seinen Armen, ohne auch nur einen Ton von sich zu geben.

Er zog mich näher und spürte die ungezügelte Kraft die von ihm ausging.

„Bedank dich nicht bei mir, Schätzchen.“ Schnurrte eine Stimme, die mir merkwürdig bekannt vorkam. Ein stechender Schmerz bildete sich unterhalb meines Haaransatzes und ich fuhr erschrocken zusammen „Denn ich..“ hauchte er mir ins Ohr „bin noch viel Schlimmer.“

Mein Körper wurde merkwürdig taub, meine Augenlieder schwer und noch bevor ich überhaupt einen klaren Gedanken fassen konnte, wurde die Welt um mich herum von der Schwärze der Nacht verschluckt…

In my veinsWhere stories live. Discover now