Kapitel 39

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Sie standen ihm gegenüber, der Weihnachtswichtel und der Hasenbraten. Eigentlich wären sie keine Gefahr für ihn, aber dennoch ließ er sich von ihnen zurück treiben, wartete auf ein bestimmtes Mitglied der Hüter.
Sie war sein eigentliches erstes Ziel gewesen, aber nachdem Frost sich ihm so gut präsentiert hatte, konnte er einfach nicht wiederstehen.
Er war ja nicht gerade wählerisch, was die Art seiner Rache anging. Und wenn sie so aussah, dass er Jack Frost und die Zahnfee beseitigen konnte, dann war ihm das mehr als Recht.
„Jetzt gehen es zu Ende", knurrte Nord und ignorierte das Blut welches ihm ins linke Auge lief.
„Du werden bezahlen für deine Taten, diesmal jedoch mit deinem Kopf!"
Er musste sich zusammen reißen um nicht laut zu lachen.
Was bildete er sich überhaupt ein?
Man konnte ihn nicht töten, nicht wirklich, waren sie ja genau genommen schon lange tot. Es würde ihn nicht auf Ewig stoppen, wenn er ihm den Kopf abschlug - vorausgenommen natürlich er würde überhaupt so weit kommen.
„Noch irgendwelche letzten Worte, Pitch?"
„JACK!"
Die Zahnfee erschien auf der Galerie, schlug die Hände vor dem Mund zusammen und blinzelte mit großen Augen auf den regungslosen Körper ihres Freundes.
Ob Andreja auch so reagieren würde, wenn er....
Verdammt, wie konnte er jetzt an diese verlogene junge Frau denken?
„Du Monster", schleuderte Toothiana ihm entgegen und der blanke Zorn stieg in ihr auf. Er konnte förmlich sehen, wie sie die Kontrolle verlor und er konnte das Grinsen nicht länger zurück halten.
Mit einer langsamen Bewegung griff er in die Schatten, zwang sie in die Form seiner liebsten Waffe - der scharfen Sense.
In dem Moment, als der überdimensionale Kolibri auf ihn zuschoss, hob er mit Leichtigkeit die lange Klinge an und zu spät bemerkte Tooth ihren Fehler.
Doch knapp bevor die sichelförmige Klinge ihren Körper durchschlagen konnte, schlang sich das goldene Ende einer Traumsandpeitsche um den Griff und hielt ihn auf.
Hastig verschwand die Zahnfee aus seiner Reichweite und er knurrte wütend auf, sah hinauf zu dem kleinen Sandhaufen, der sich nun ebenfalls in den Kampf einmischte.
Mit einem kräftigen Ruck, stärker als Sanderson ihm vermutlich zugetraut hatte, zog Pitch die Sense zur Seite und brachte Sandy damit aus dem Gleichgewicht.
Immer wieder hatte sie von ihm geredet, hatte ihn als ihren besten Freund dargestellt...Noch bevor sich die goldene Peitsche gänzlich vom Griff gelöst hatte, nutzte er den Schwung der Waffe aus und zielte auf Sandy, welcher gerade noch ausweichen konnte.
Nun befreiten sich auch der Hase und der Weihnachtswichtel aus ihrer überraschten Starre und griffen wieder aktiv ins Geschehen mit ein.
Aufgrund des engen Raumes musste Pitch sich jedoch eingestehen, dass er mit der Sense nicht sehr weit kam, hatte er ja kaum Platz richtig auszuholen.
Mit dem letzten Schlenkerer des Sensenblattes fegte er den Hasen und Sandy aus dem Weg, welche wiederum damit die Zahnfee aus dem Konzept brachten.
Noch während er die große Waffe über seinen Kopf schwang, wurde daraus ein gewaltiges Breitschwert, welches klirrend mit Nords Säbeln aufeinandertraf.
„Neue Waffe?"
„Das ist nicht das Einzige neue", gab er kalt zurück und war noch genau so bei Kräften wie am Anfang ihres Kampfes. Nord hingegen schien schon über jeden ruhigen Atemzug froh zu sein.
Nicholas St. Nord schlug mit seinen Säbeln auf ihn ein, versuchte einen Weg durch seine Deckung zu finden, doch mit präzisen Paraden blocke Pitch jeden einzelnen Angriff ab.
Bevor die anderen Hüter wieder vollends bei der Sache waren, entschied er das kleine Spielchen zu beenden und in die Offensive zu gehen.
Es war nicht nur der Umstand, dass der Hüne immer weiter vor ihm zurück wich, der ihn euphorisch werden ließ, sondern gleichzeitig der Gedanke, dass er nach diesem Abend alle Zeit der Welt haben würde um SIE doch noch für sich zu gewinnen.
Sie würde niemanden mehr haben an den sie sich wenden konnte - außer ihm natürlich. Ein paar Tage Einsamkeit und sie würde sich bereitwillig in seine Arme begeben, dem war er sich sicher.
Nord ging unter seinem letzten Schwungvollen Schlag in die Knie, verzog das Gesicht vor Schmerzen, während ein paar Funken von den Klingen aufstoben.
„Du hattest Recht, es endet hier und jetzt", zischte er ihm siegessicher zu und wollte ihm gerade die schwarze Klinge in die Brust rammen, als sich die goldenen Enden der Traumsandpeitsche sich um seine Füße wickelten und ihn zu Boden rissen.
Er hatte doch tatsächlich die restlichen Hüter vergessen!
Und fand sich daraufhin kurzzeitig in einem ziemlich schlechten Déjà vu wieder.
Sanderson zog ihn zu sich her, bedachte jedoch nicht den Umstand, dass Pitch diesmal seine Waffe in den Händen behalten hatte.
Mit einem gezielten Schlag durchtrennte er die Seile, rappelte sich so schnell wie möglich wieder auf die Beine.
Er hätte sie doch wieder einzeln angreifen sollen, aber nein - stattdessen wieder alle zusammen!
Warum war er nur so dumm gewesen?
Die vier Hüter kreisten ihn ein, ihre Waffen und Fäuste kampfbereit erhoben.
Andreja passte perfekt in die Gruppe, kämpferisch und nie bereit aufzugeben...
Nicht schon wieder!
Er konzentrierte sich auf die vier Personen vor ihm, versuchte sie aus seinen Gedanken zu verbannen.
„Gib auf Pitch, du weißt, wie das hier jetzt enden wird", brummte der Hase und er legte den Kopf leicht schief.
Seine Alpträume waren mit den Yetis beschäftigt und würden ihm nicht unter die Arme greifen können. Außerdem war es nicht sonderlich feige, sich jetzt zurück zu ziehen.
Er hatte ja in gewisser Weise, was er wollte.
Sollte er sie nur in dem Glauben lassen, er wäre besiegt, dann würde sie sein erneut folgender Angriff nur umso härter treffen...
Er hob leicht die Hände, verneigte sich dann gespielt beschämt.
„Es war eine dumme Idee, sich noch einmal mit euch anzulegen. Ihr habt gewonnen - mal wieder", seufzte er und wich langsam in die Schatten zurück, bemerkte, dass Sanderson Nord davon abhielt sich doch noch auf ihn zu stürzen.
„Jetzt wird Andreja dich garantiert nicht wieder verteidigen", zischte Fee und er runzelte die Stirn.
Sie hatte was?
„Und ich werde darauf warten, dass ich dich endgültig in die Finger kriege, du mieser..."
Den Rest sparte er sich und verschwand in den Schatten, während er sich auszumalen versuchte, was Andrejas Verhalten zu Bedeuten hatte.
Konnte es vielleicht wirklich sein, dass sie...
Irgendwie schaffte dieser Gedanke, die Bitterkeit der Niederlage etwas zu schmälern und so konnte er schon wieder Grinsen, als er sein Reich betrat und die heimkehrenden Alpträume schweigend empfing.

Die Hüter des Lichts - Shadow and LightWo Geschichten leben. Entdecke jetzt