Kapitel 12

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„Und du meinst, das wäre möglich?"
Sandy und ich warfen uns skeptische Blicke zu, während Shadow den Kopf schief legte und noch einmal genau über ihren Vorschlag nachdachte.
'Einen Versuch wäre es wert...ich möchte nicht dauernd übersetzten...'
„Kann ich euch dann stimmlich auseinander halten?"
'So wird es nicht sein....es ist eher die Möglichkeit, dass du ihn verstehst. Egal ob er jetzt schnell oder langsam ist, Bilder benutzt die du noch nicht kennst...Versteht ihr?'
Der Sandmann und ich sahen uns an, nickten dann.
Wir hatten es immerhin halbwegs verstanden.
Jedoch wollte ich jetzt nicht nachfragen, wie sie das anstellen würde.
Vorsichtig legte sie ihre Stirn an meine, schloss die Augen und ich tat es ihr gleich. Gleichzeitig jedoch griff ich unbewusst nach Sandys kleiner Hand, mich machte diese Situation ein wenig nervös.
Würde ich was spüren? War es Schmerzhaft oder geschah einfach gar nichts dergleichen?
Zu meinem Glück konnte ich von letzterem Reden, denn Shadow nahm plötzlich ihren Kopf wieder zurück und ich blinzelte.
„Wars das schon?"
Irgendwie konnte ich das nicht glauben...
'Ausprobieren', meinte meine Freundin und ich sah zu Sandy, welcher sofort loslegte.
„Ok, du hast angefangen Merry Christmas zu singen, hast dann gewechselt auf eine kurze Erzählung deiner Nervosität und du hast mich zu Letzt noch gefragt, ob ich dich verstanden habe – also ich denke, die Antwort ist ja", grinste ich und umarmte Shadow.
„Vielen Dank", murmelte ich und vergrub mein Gesicht in dem schwarzen Sand.
Sie schnaubte nur und drückte mich mit ihrem Schädel leicht an sich, bevor sie mich wegschob und ich auch Sandy umarmte.
„Eine Kuschelrunde hier?"
Aufgrund der fremden tiefen Stimme runzelte ich verwirrt die Stirn und wandte mich nach hinten um.
Vor uns stand ein Hase – und was für einer.
Er stand auf seinen kräftigen Hinterbeinen, um seine Fußsohlen hatte er sich Lederbänder gebunden. Der Hase war schlank und mindestens 1,80 m groß. Aufrecht und mit der Körperhaltung eines Mannes lehnte er an einem Pfeiler der Galerie, die sehr menschlichen Vorderpfoten – schon fast Arme – hatte er verschränkt und ich erkannte nicht nur die goldenen Armschoner, sondern auch einen Ledergurt den er über die linke Schulter trug und mit der er irgendetwas an seinem Rücken griffbereit hielt. Seine langen Ohren waren leicht aufgestellt und seine grünen Augen musterten mich abschätzend.
Passend zu dem außergewöhnlichen Bild war sein Fell – es war weiß und grau, mit einem dunklen Muster.
'Der Osterhase....'
Hab ich mir schon gedacht, aber irgendwie hatte ich ihn mir anders vorgestellt.
Er stieß sich von dem Pfeiler ab und kam langsam zu uns rüber.
Ich hatte mich inzwischen aufgerappelt, kam mir aber neben dem gigantischen Hasen ziemlich klein vor.
„Hi, ich bin Andreja", meinte ich und er musterte mich noch immer.
„Weiß ich schon. Also, sag mal, stimmt es, dass du Frost vermöbelt hast?"
Ich verdrehte die Augen, nickte aber dazu.
„Hab ich wohl."
„Meinen Glückwunsch...ich wollte schon länger einmal, aber nachdem er ja zum Hüter ernannt wurde...immerhin schuldet er mir noch etwas für den Schneesturm 68", meinte der Hase und warf dann Shadow einen abschätzigen Blick zu.
„Du bist dir sicher, dass du dein kleines Haustierchen da unter Kontrolle hast?"
„Sie ist kein Haustier, Shadow ist eine Freundin", knurrte ich und baute mich mit Hilfe der Krücken zwischen ihnen auf.
„Schon gut Keule! Ich werde dem Pferd nichts tun", versuchte er mich zu beschwichtigen, doch ich blieb wachsam.
„Danke übrigens für die Eier, sie sind richtig schön geworden", fiel mir ein und ein Lächeln stahl sich auf das Gesicht des Hasen.
„Ich hab auch einige der Hübschesten rausgesucht. Kommt nicht oft vor, dass ich welche hier am Pol verstecken darf."
„Sandy hat recht, wir müssten Nord dazu überreden, dass er es öfter zulässt", stimmte ich dem Sandmann zu und Hase sah von einem zum anderen.
„Du kannst ihn verstehen?"
Wir sahen uns an, grinsten und nickten dann.
Der Hase schüttelte den Kopf kratzte sich dann mit dem Hinterbein am Hals – sah dabei beinahe aus wie ein normaler Hase.
„Sag mal, trägst du auch noch andere Farben außer Schwarz?"
Ich sah kurz an mir herunter – meine Turnschuhe, schwarze Jogginghose, schwarzes Top, schwarze Jacke...
„Seltenst...das ist einfach meine Lieblingsfarbe", antwortete ich und er schüttelte ungläubig den Kopf.
„Ja, aber warum? Du scheinst eine lebensfrohe Frau zu sein, weshalb also ausgerechnet diesen Farbstil?"
Ich dachte kurz nach, bevor ich dem großen Hasen antwortete.
„Ich wollte mich immer von der Masse der Menschen abheben, anders sein als erwartet wird. Am einfachsten beginnt man mit dem Kleidungstil, danach kommt der ganze Rest. Und schwarz fand ich schon immer faszinierend, ebenso die Dunkelheit", sagte ich langsam und er richtete die Ohren wieder komplett nach vorne.
„Keine Angst vor der Finsternis?"
„Nicht mehr. Früher, bevor ich Shadow kennen lernte jedoch schon", gestand ich und Sandy mischte sich mal wieder in das Gespräch mit ein.
„Ich war vor kurzem zehn geworden, als ihr euren kleinen Kampf ausgetragen habt."
„Kleinen Kampf? Wir hatten Sandy verloren, ich war nur noch ein ganz kleiner Hase, Nord und Fee waren kurz vor dem Verschwinden – wir alle hätten sterben können", begehrte der Hase auf, doch ich zog nur eine Augenbraue hoch.
„Aber ihr seid nicht gestorben – keiner von euch. Aber wenn ihr Sandy einmal zuhören würdet, dann wüsstet ihr das wohl auch. Man kann euch nicht töten. Kampfunfähig machen, Schwächen, verdrängen und isolieren, aber nicht töten. Außerdem hast du als kleiner Hase bestimmt knuffig ausgesehen", fügte ich lächelnd an und begann ihn am Hals zu kraulen, hatte die eine Krücke an Shadow gelehnt und war über das weiche Fell erstaunt.
Obwohl es ihm eigentlich peinlich war, begann sein rechter Fuß auf den Boden zu klopfen und unbewusst lehnte er sich mehr an meine Hand.
„Oh, wie süß ist das denn?"
Sofort wich ich vom Hasen zurück und gleichzeitig starrten wir Jack Frost wütend an, er stand jedoch nur lachend auf dem Geländer.
„Sag mal Schneeschieber, hast du nichts Besseres zu tun? Wird dein Schnee nicht gerade irgendwo gebraucht?", knurrte der Hase und Frost ließ sich auf seine vier Buchstaben fallen, grinste uns noch immer an.
„Nein, im Moment nicht."
Ich verdrehte die Augen, schnappte mir meine zweite Krücke und sah Sanderson und den Hasen kurz an.
„Solltet ihr mich suchen, ich bin auf meinem Zimmer. Der Fuß fängt nämlich wieder an weh zu tun", seufzte ich und tatsächlich breitete sich langsam ein dumpfes Gefühl von meinem Gelenk her aus.
Sandy gab Bescheid, dass er nachher noch einmal kurz kommen wollte und der Hase hielt mich noch einmal kurz zurück.
„Hey Keule...du bist in Ordnung", meinte er und wirkte dabei schon fast schüchtern.
„Du auch", gab ich lachend zurück, dann wurde ich von Shadow auf mein Zimmer begleitet.


Die Hüter des Lichts - Shadow and LightWo Geschichten leben. Entdecke jetzt