Kapitel 32

503 27 4
                                    


Wutendbrand hastete er durch die Schatten und hatte dabei kein bestimmtes Ziel vor Augen.
Wie konnte Andreja es nur wagen, ihn jetzt schon auf seinen Zorn anzusprechen, auf seine Vergangenheit? Wie konnte sie nur noch immer die Hüter in Schutz nehmen?
Sie war vermutlich nicht gerade besser wie die kinderbestechenden Witzfiguren, sah nur, was sie sehen wollte.
Nun, sie wollte ihn weiterhin als den Bösen sehen, bitte schön, er könnte der Böse sein. Nichts mehr mit Lesen in der Bibliothek, keine Streifzüge mehr mit Shadow, keine Essensausflüge mehr in die Welt der Menschen...
Unbewusst war er auf die Lichtung marschiert, auf der er sie das erste Mal gesehen hatte. Er wusste noch genau, wie frech sie sich zwischen ihn und den Alptraum gestellt hatte...die blau-grauen Augen vor Entschlossenheit nur so funkelnd...
Frustriert knurrte er auf, spürte die unbändige Lust aufsteigen, auf irgendetwas einzuschlagen.
Zu seinem Leidwesen, befand sich jedoch nichts in der Nähe, auf das er einprügeln konnte.
Er musste sich also zusammen reißen.
Bebend vor Wut wandte er der Lichtung den Rücken zu, verschmolz wieder mit der Dunkelheit und blieb wieder nicht stehen.
Er hätte sie doch schon so weit gehabt...
Sie hatte nicht mehr diesen herausfordernd, eingeschnappten Blick zur Schau getragen, sondern ihn beinahe schon so vertrauensvoll angesehen, wie sie es dem Alptraum gegenüber tat.
Vielleicht noch eine Woche länger und er hätte sie gehabt!
Was für eine Niederlage für die Hüter...
Er stutzte, als sich eine leise Stimme in seine Gedanken schlich.
Ging es ihm wirklich nur noch um die Hüter oder vielleicht sogar um etwas ganz anderes? Warum wollte er, dass sie ihm vertraute?
Damit er sicher sein konnte, dass sie ihn nicht an die Hüter verriet, sondern treu an seiner Seite stand, war die einzige Antwort, die er darauf geben konnte, geben wollte - auch wenn sie sich nicht ganz richtig anfühlte.
Er trat erneut aus dem Schatten und fluchte laut, als er erkannte, wo er nun gelandet war.
Es war der kleine Imbissstand, an den er sie in der ersten Nacht gebracht hatte.
Da er ja unsichtbar war, hatte er kurzerhand einfach zwei der Hotdogs gestohlen, wie er es immer wieder machte.
Die Stimmung war zwar nicht gerade die Beste gewesen, doch hatte sich das von Abend zu Abend geändert, selbst wenn sie sich bei anderen Ständen bedient hatten.
Hier hatte sie in der zweiten Woche einmal beiläufig erwähnt, dass sie nicht gedacht hatte, dass er so nett sein konnte...
Wie er es sich bereits gesagt hatte, noch eine Woche länger und sie wäre Wachs in seinen Händen gewesen.
Oder war es anders herum?
Dieser Gedanke erschreckte ihn mehr, als die Hüter es jemals tun konnten.
Konnte es tatsächlich sein, dass sie Macht über ihn gewann?
Hatte er sich bei dem Versuch sie zu seiner Verbündeten zu machen verirrt?
Erneut kochte die Wut in ihm hoch, diesmal jedoch auf sich selbst.
Er lenkte sich schon viel zu lange mit ihr ab!
Noch heute würde er sie wieder los werden, er würde sie beseitigen um immerhin noch einen kleinen Sieg davon zu tragen.
Entschlossen verschwand er wieder in den Schatten, trat ihr in der Bibliothek erneut entgegen.
Davor hatte er sich schon überlegt, mit welchen verletzenden Worten er sie in irgendeine dunkle Spalte verbannen würde, doch als er dem Blick ihrer blau-grauen Augen begegnete, musste er sich eingestehen, dass er gar nichts machen würde.
Damit hatte er den Salat...

Die Hüter des Lichts - Shadow and LightWhere stories live. Discover now