Kapitel 26

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Cayden POV

Sie lächelte nur und sagte zuerst nichts, weshalb ich befürchtete, dass sie es mir nicht erzählen würde. Das tat sie dann doch: "Weisst du noch, unsere erste Begegnung? Auf der Brücke?" Ich nickte nur langsam. 

Wir waren aus dem selben Grund dort gewesen. Am Waldrand, genau an der Grenze zwischen Natur und Stadt, über dem reissenden Fluss auf der Brücke. Eigentlich war ich mit dem Gedanken zu springen dahingegangen. Nur war die Atmosphäre da so schön gewesen. Der sternenklare Himmel, der so wunderschön gewesen war und dafür gesorgt hatte, dass man das Wasser mit dem beruhigenden Rauschen gut hatte sehen können, sowie die Bäume und den unscheinbaren Pfad auf dem ich hergekommen war. Alles war so friedlich gewesen. Es war ganz anders als der Rest der Welt gewesen, magisch. Wie in einer anderer Welt. Ruhe, Friede und Freiheit. Es war so schön gewesen. Ich hatte die Beine einfach vom Geländer, auf dem ich gesessen hatte, baumeln lassen und den Moment genossen. Den planmässig letzten Moment. Denn auch wenn genau da der erdrückende Schmerz, der mich ausgefüllt hatte, von mir gefallen war, hatte ich doch gewusst, dass er wieder zurückkommen würde, sobald ich diesen verzauberten Ort verlassen würde, was ich zwangsläufig tun musste, egal auf welche Weise. Und der Schmerz war nicht der einzige Grund gewesen, warum ich nicht mehr wollte, warum die Vorstellung, zu springen so verlockend gewesen war. 

Nur hatte ich gemerkt, dass ich nicht konnte. Mir war plötzlich wieder das Bild des verletzten Welpen, den ich einige Tage zuvor auf der Strasse aufgelesen hatte, in den Kopf geschossen. Und sofort hatte ich ein kleines Lächeln im Gesicht gehabt. Den kleinen Fellball hatte es nicht gekümmert, wer ich war. Er war einfach dankbar gewesen und hatte mich gemocht. Wegen ihm hatte ich das Springen auf später verschieben wollen, ich hatte warten wollen, bis er wieder gesund war, um sicherzugehen, dass er sich auch wieder ganz erholen würde. 

Und obwohl ich selbst kurz davor gewesen war, hatte ich mich zu dem kleinen Mädchen gesellt, dass nur wenige Sekunden nach meinem Entschluss am anderen Ende der Brücke auf das Geländer gestiegen war. Es hatte Zeit und Überzeugungskraft gebraucht, aber ich hatte den Rotschopf dazu bewegen können, wieder runterzukommen. Wieso ich das überhaupt gemacht hatte, wusste ich selber nicht. Was ich jetzt jedoch wusste, war, dass es ein Fehler gewesen war. 

"Du hast gesagt, wenn ich runterkomme, würdest du auch mit mir zusammen sein und persönlich dafür sorgen, dass es mir besser geht", riss sie mich aus meinen Erinnerungen. "Ich hab danach ja auch Zeit mit dir verbracht", meinte ich sachlich, fügte aber schnell gespielt betreten hinzu: "Ich habe wirklich gedacht, es würde dir besser gehen. Ich dachte, dass du mich nicht mehr brauchst."

"Du hast mich besser fühlen lassen, ja. Aber wenn du nicht da warst, war das wieder weg... Weisst du, es ist überraschend leicht, ein Lächeln vorzutäuschen. Und so ein simples Lächeln kann erschreckend viel verstecken", entgegnete sie daraufhin. Das wusste ich auch selbst. Ich machte mir die Mühe aber inzwischen trotzdem nur noch selten. "Tut mir leid, dass ich so ein Idiot war", murmelte ich.  Sie blinzelte nur kurz und sagte nichts. Auch ich schwieg.

Als sie sich dann herabsinken liess, gab ich mein bestes, um mich nicht allzu sehr zu verspannen. Sie lag direkt auf mir und hatte den Kopf auf die Seite gedreht, so als ob sie meinem Herzschlag lauschen würde. "Ich hab dich vermisst, Cay-Cay", kam nach einer Weile von ihr und sie richtete sich wieder auf. Bevor ich was erwidern konnte, veränderte sich ihr Ausdruck. Ein plötzliches Funkeln war in ihren Augen zu sehen und sie meinte grinsend: "Ich hab Hunger, ich hol mal das Essen."

Um ehrlich zu sein, hatte ich ja auch Hunger, aber das war nicht so wichtig, das konnte ich ja auch später noch erledigen. Ich wollte jetzt erstmal meine Belohnung für das Abziehen dieser Show. Ihrem Blick ausweichend murmelte ich: "Ich muss auf die Toilette." Jetzt auf Kommando rot werden ging nicht, aber das musste ja auch nicht zwingend sein. Ich brauchte nur etwas verlegen zu wirken, nicht so, als ob ich gerade so etwas peinliches gemacht hätte, dass ich gleich am liebsten im Boden versinken würde. 

Jane biss sich auf die Unterlippe und musterte mich prüfend. "Jane, ich mach schon nichts. Jetzt weiss ich ja, was los ist. Tut mir leid, dass ich dich vorher immer so abgewiesen habe, ich war nur etwas überfordert", versuchte ich ihr zu versichern, dass ich nichts machen würde. Und anscheinend kaufte sie es mir auch ab, "Na gut, ich liebe dich, Cay-Cay."  "Ich mag dich auch", meinte ich nun, da es wohl zu offensichtlich wäre, wenn ich gleich damit gekommen wäre, dass ich sie auch liebte.

Und sogar deswegen lächelte sie glücklich. Sie drückte mir noch einen Kuss auf die Stirn und befreite mich nun tatsächlich von den Fesseln. Zumindest grösstenteils. Die Handschellen nahm sie mir nicht ab, offenbar reichte es ihr, wenn ich meine Hände so limitiert bewegen konnte. Mir tat es das auch. Sie machte Platz und ich stand auf. Ein Blick nach unten bestätigte mir, dass Liam dort lag und Leyla auch hier war. Mit ihren schönen, treuen Augen sah sie mich direkt an und ich schenkte ihr nur ein knappes, aber ehrliches Lächeln und wandte mich dann wieder Jane zu. 

Sie ging voran und ich folgte ihr auf den Gang. Immerhin fühlte sich jetzt wieder alles normal an. Sie schloss die Tür und sah mich an. Ich konnte sehen, wie sie sich anspannte, als ich die Hände langsam hob. Ganz traute mir das kluge Ding wohl doch nicht, musste sie aber auch nicht. Ganz zart nahm ich ihr Gesicht in meine gefesselten Hände. So hielt ich es fest und sah Jane direkt in die Augen, sie erwiderte den Blick. Und dann gab ich setzte ich dem Ganzen ein Ende. Das Aufeinanderprallen  unserer Schädel wurde von einem dumpfen Geräusch begleitet. Mein Kopf brummte wieder etwas, aber ihr schien es wesentlich mehr getan zu haben, denn sie sackte in sich zusammen und landete auf dem Boden. 

Ein neues Haustier?Where stories live. Discover now