Kapitel 9

5.4K 134 70
                                    

Liam POV

Offenbar war ich irgendwann doch eingeschlafen. Ich hatte es nicht einmal wirklich gemerkt. Aber jetzt, als ich die Augen wieder öffnete, war es hell im Zimmer, also musste es so sein. Lange hatte ich nicht schlafen können, was ja auch nicht verwunderlich war, wenn man sich anschaute, was dieser Irre mir gestern angetan hatte. Mein Blick wanderte auch sogleich zu meinen Fingern. Dort, wo eigentlich die Nägel hätten sein sollen, war es nur rot und auch wenn es glücklicherweise nicht mehr so wehtat wie gestern, so war der Schmerz da. Ein stetiges, unaufhörliches Pochen. Aber da der Idiot nicht einmal das Brett unter meinen Händen nicht weggenommen hatte, konnte ich die rechte Hand kaum und die linke praktisch gar nicht bewegen. Und mich zu befreien, musste ich gar nicht erst versuchen. Ich hatte es gestern eine ganze Weile lang probiert, hatte aber irgendwann aufgegeben. In meiner Lage war es unmöglich, ohne Hilfe hier raus zu kommen. Also musste ich warten. Und sobald der richtige Zeitpunkt kam, würde ich aber nicht einfach nur verschwinden, sondern es Blondie heimzahlen. Mit der Aktion hatte er mir nicht nur gezeigt, dass er verrückt war, sondern auch einen lodernden Hass in mir geweckt.

Ich feilte weiter an meinem Racheplan, wurde aber von einem lauten Grummeln meines Magens unterbrochen. Stimmte ja, ich hatte das letzte Mal vor zwei Tagen gegessen. Mittlerweile hatte ich echt riesigen Hunger, und Durst. Hoffentlich würde der Typ mich bald hier rauslassen. So besonders angenehm war es in dem kleinen Käfig nicht. Und zusätzlich musste ich aufs Klo. Vielleicht würde sich ja auch noch eine Chance, den Spiess umzudrehen, ergeben. Ich wollte nicht noch länger hier von ihm gedemütigt und verletzt werden.

Ich hatte schon in Erwägung gezogen, ihn einfach aufzuwecken, aber da hörte ich, wie sich etwas regte. Seine tiefe Stimme ertönte. Er sprach mal wieder zu seinem ach so tollen Hund. Das war ja so logisch. Ein dummes Vieh wie dieses trug er auf Händen und einen Menschen wie mich sperrte er ein und folterte ihn. Ein neuer Gedanke schlich sich in meinen Kopf. Wenn ich bei ihm rächen würde, würde ich nicht nur ihm wehtun. Ich müsste nur sein Hundi quälen und er würde mich um Vergebung anflehen.

Seine nackten Beine kamen in mein Sichtfeld und ich sah hoch. Aber dieser blöde Käfig musste ja ausgerechnet eine Platte als Decke haben, die mir die Sicht versperrte. Und dank diesem verdammten Halsband und der Leine konnte ich auch nicht weiter nach vorne, um ihn so ansehen zu können. "Na, wie gehts?", fragte er und ich verdrehte die Augen, ehe ich trocken antwortete: "Super. Ist mir noch nie besser gegangen." Daraufhin sagte er nichts mehr, das war mir auch recht so.

Nachdem er, den Geräuschen zufolge, die Fenster geöffnet und sich wahrscheinlich neue Kleider gesucht hatte, spürte ich was an meinem Fuss und drehte sofort den Kopf. Aber er machte mir nur die Fesseln ab. Dennoch entspannte ich mich nicht. Endlich nahm er das vermaledeite Brett weg und sofort bewegte ich meine Finger. Autsch. Ich unterdrückte ein Zischen und sah zu ihm. Um die Handschellen von den Stäben loszumachen, hatte er sich hingekauert. Aber an meinen Handgelenken liess er sie leider noch. Ich zog die Hände trotzdem zurück und wartete, bis er das Türchen geöffnet hatte. Er machte die Leine los und sofort begab ich mich auf allen Vieren raus, achtete aber darauf, dass ich meine linke Hand nicht zu sehr benutzte und sie auch nirgends ankam. "Aufstehen", liess ich es mir nicht zwei Mal sagen und erhob mich dann sofort. Ich war zwar immer noch kleiner als er, aber trotzdem war das bei weitem nicht so demütigend, wie vor ihm zu kriechen. Bevor ich zuschlagen oder sonstwas machen konnte, hatte er mein rechtes Handgelenk gepackt und ich spannte mich an, versuchte natürlich, mich seinem Griff zu entwinden. Sobald ich jedoch meine zweite Hand als Hilfe benutzen wollte, durchfuhr ein stechender Schmerz diese und ich zischte auf. Er hatte genau auf die Fingernägel geschlagen, oder eher dorthin, wo sie sich eigentlich befinden sollten. Ich war nur kurz abgelenkt gewesen und musste jetzt realisieren, dass er das andere Ende der Handschellen am Halsband angemacht hatte. Also konnte ich meine rechte Hand nicht benutzen, jetzt noch weiterzukämpfen wäre sinnlos, das erkannte auch ich. Es überraschte mich dann einfach, dass er an der Leine zog, ohne meine verletzte Hand, an der die Handschellen nun einfach so baumelten, zuerst auch noch in der Bewegungsfreiheit einzuschränken. Aber mir sollte es recht sein.

Wortlos folgte ich ihm zum Bad und meinte dort angekommen schnell: "Du brauchst mir jetzt nicht mehr zu helfen. Dank dir ist sie zwar ruiniert, aber das bring ich mit meiner Hand noch hin." Ich zeigte meine Erleichterung darüber, dass er nichts dagegen sagte, nicht und sorgte dann selbst dafür, dass ich auf die Toilette konnte. Ging zwar nicht sonderlich gut, war aber besser, als wenn er es wieder machte. Blondie selbst, nun angezogen, stand vor dem Spiegel und fuhr sich mit den Fingern durch die weizenblonden Haare. Ich musste zugeben, dass er nicht schlecht aussah. Aber ich tat das auch nicht. Zumindest unter normalen Umständen. Als ich jetzt ohne gross nachzudenken neben ihn trat, sah ich, dass unter meinen Augen etwas dunklere Ringe zu entdecken waren und meine Haare komplett zerzaust waren. Ansonsten sah ich aber noch immer recht gut aus.

Schmerz holte mich in die Realität zurück und ich zuckte zusammen. "Ahh. Was soll das jetzt?!", fuhr ich den Idioten an und zog meine Hand unter dem Wasserstrahl weg. "Bist du wirklich so eine Memme?", schleuderte er mir stattdessen entgegen und ich funkelte ihn wütend an, sagte aber nichts mehr. Ich wollte ihn mal sehen, wie er in dieser Situation reagieren würde.

Jetzt schob er mich zurück und ich schaute ihm einfach zu, wie er sich nach unten beugte und das Türchen unter dem Waschbecken öffnete. Eigentlich wäre das eine gute Position, um ihn zu treten, aber das liess ich lieber sein. Er holte eine kleine Box heraus, deren Deckel fehlte. Ich erkannte, dass ich darin Dinge zum Verarzten befanden und hob kurz eine Augenbraue. „Gib mir deine Hand", wies er mich tatsächlich an. Ich zögerte kurz, aber da mir nicht wirklich was anderes übrig blieb, machte ich es dann. Erstaunlich sanft kümmerte er sich um meine Finger, ich liess ihn einfach machen. Das hätte ich irgendwie nicht erwartet, aber es war so ja auch gut.

Ein neues Haustier?Where stories live. Discover now