Epiphany

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Es ist Morgengrauen und ich habe Recht behalten. An Schlaf war nicht zu denken. Ich liege auf dem Rücken, den linken Arm hinter dem Kopf geklemmt, den rechten auf dem Bauch gebettet und starre an die Decke. Wie lang wird es wohl dauern, bis mein Nachname das erste Mal fällt und meine wahre Identität ans Licht kommt? Eigentlich ist es auch egal, nach meinen Verhalten gestern wird Keiner, der es mitbekommen hat, das Gespräch erneut mit mir suchen. Ich wurde sicher schon als merkwürdig abgestempelt.

Schnaubend drehe ich mich auf die Seite und sehe zum Regal mit meinen Aufzeichnungen. Ich kann nur so gut es geht mein Wissen weiter geben und hoffen, dass es für die neue Generation von Nutzen sein wird.

Nach einiger Zeit erhebe ich mich und begebe mich mit meiner Kleidung und einem Stoffbeutel, gefüllt mit Utensilien zur Körperpflege, in den Waschraum am Ende des Ganges um mich frisch zu machen. Ich bin allein, es lohnt sich so früh seinen Erledigungen nachzugehen.

Ich lege meine Kleidung auf eine kleine Bank, trete an eines der vielen Waschbecken heran und blicke in den Spiegel. Feine Augenringe lassen meine grünen Augen nicht mehr so frisch strahlen. Ich löse meinen geflochtenen Zopf  und kämme mein braunes Haar sorgfältig aus. Ich spritze mir kaltes Wasser ins Gesicht, putze mir die Zähne und kleide mich ein. Die helle Hose mit den zahlreichen Riemen. Eine dunkle Bluse, das Brustgeschirr, meine Jacke und die kniehohen Stiefel. Ich binde mein hüftlanges Haar zu einem strengen Dutt, ein paar Strahlen kitzeln meine Stirn. Mein Haar darf bei Training kein störender Faktor sein.

Als meine Augen über mein Abbild huschen sehe ich in der Spiegelung, dass die Tür geöffnet wir und das eine Mädchen von gestern eintritt. Ymir. Ich drehe mich um und lehne mich an das angeschlagene Waschbecken. Ich blicke sie abschätzend an. Lust, etwas Belangloses zu erfragen habe ich nicht. Ymir wendet nach kurzer Zeit den Blick ab und breitet ihren Kram am Waschbecken neben mir aus.

„Wenn dich Reiner gestern zu sehr angebaggert hat, musst du es ihm klar zu verstehen geben. Die Kerle hier sind nicht die Hellsten, musst du wissen.", sagt sie grummelnd und streckt genüsslich, ohne zu mir zu blicken.

„Wenn du sie nicht in die Schranken weißt, dann wirst du diese Arschkriecher nie los.", fügt sie hinzu, schöpft mit den Händen Wasser und wäscht sich das Gesicht.

„Das geht dich nichts an! ", sage ich genervt, schnappe mein Zeug und gehe an ihr vorbei. Ich brauche in solchen Angelegenheiten keinen Rat, von einem unerfahrenen Mädchen.

„Wenn du meinst. War auch nur ein Tipp.", grummelt sie noch bevor ich die Tür hinter mir zuschlage.

Ich begebe mich in den Gemeinschaftsraum, der noch recht verlassen ist. Ich nehme meine Ration und setze mich an den Tisch, den wir gestern schon in Beschlag hatten. Ich blicke nicht auf, als mir Jemand gegenüber platz nimmt. Ich schaufle unbeirrt und ohne aufzusehen den widerlichen Haferschleim in mich hinein. Ich weiß, dass es Ymir ist, die meine Nähe ersucht.

„Wieso bist du dem Aufklärungstrupp später zugestoßen, als wir? Warst du auch so ein Feigling, der seinen Arsch in den inneren Bezirken der Mauern in Sicherheit bringen wollte?", fragt sie und ein gehässiger Ton schwingt in ihrer Stimme mit.

Ich beginne mit dem Zähnen zu knirschen. Dieses respektlose Gör! Wenn sie wüsste wer ich bin, dann würde sie sich solche Fragen nicht erlauben. Ich knalle den Löffel auf den Tisch, verschränkt die Arme vor der Brust, hebe mein Kinn und sehe sie warnend an.  Ymir verkrampft sich etwas und das leichte, überhebliche Grinsen, welches ihre Lippen schmückte, verschwindet.

„Sag mir Ymir, wie groß ist dein Beitrag zum Wohle der Menschheit? Wie viele Titanen hast du bereits erledigt? Wie viele Menschen konntest du beschützen?", frage ich und sehe ,wie sich Ymir's Augen etwas weiten. Sie wirkt entsetzt über meinen Stimmungswandel.

„Ich heiße Jane, ein recht gewöhnlicher Vorname, dass muss ich zugeben.", sage ich und streife mir  meine Jacke von den Schulter.

Ich öffne den Knopf am Ärmel meiner Bluse und streife ihn langsam zurück. Am Ellenbogen stoppe ich.

„Aber du bist doch ein schlaues Mädchen! Wenn du das hier siehst, dann kannst du mir doch sicher meinen Nachnamen nennen.", sage ich und schiebe den Ärmel bis kurz vor die Schulter. Ymir's Blick gleitet an meinen Arm. Ich weiß, was sie da sieht.  Narben, die knubbelig hervorragen oder tiefe Krater in meiner Haut bilden. Kein schöner Anblick, doch die Wahrheit.

Entgeistert sieht sie auf meinen Arm und öffnet den Mund, als ich den Ärmel wieder darüber ziehe.

„Und, wie lautet mein Nachname? Oder Soll ich dir noch die Geschichte erzählen, die Jedermann für eine Legende hält?", frage ich, lege meine Hände auf den Tisch und beuge mich zu Ymir hinüber.

„Verzeiht Mein respektloses Verhalten.", nuschelt sie panisch.

„Halt den Rand! Ich bin euch gleichgestellt!", knurre ich und Ymir blickt mich verständnislos an.

„Ich versteh nicht...", sagt sie und runzelt die Stirn. Sie versteht anscheinend nicht, warum ich hier bin. Warum ich nicht die Vorzüge meines ehemaligen militärischen Ranges nutze.

„Du verstehst nicht? Was erzählt man sich, was mit mir nach der verheerenden Expedition geschehen ist?", frage ich sie genervt.

„Man erzählt sich, dass du tot bist. Deine Verletzungen haben dich in den Wahnsinn getrieben, so hast du Selbstmord begangen. Andere sagen du bist feige und  zum Selbstschutz untergetaucht, um nicht erneut in Expeditionen eingezogen zu werden", nuschelt sie.

„ Soso, tot bin ich keineswegs. Das Letztere nennt man im übrigen Dienstverweigerung. Was denkst du, wie ein solches Vergehen geahndet wird? ", knurre ich und blicke auf das Mädchen vor mir hinab. Sie senkt den Kopf und schweigt.

„Ich war nicht untätig in den letzten Jahren. Ich habe meinen Beitrag anderweitig geleistet, doch das erkennen Viele nicht an. Ich kann von Glück reden, dass ich als Kadett erneut aufgenommen wurde und nicht strafrechtlich verfolgt werde.", sage ich und stehe auf, als Ymir nickt.

Ich wende mich ab, ergreife meine Jacke und verlasse den Raum in den nun deutlich mehr Kadetten strömen.

Wallflower (Attack on Titan Levi x OC FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt