Ointment

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Eine einzelne Träne brennt sich unangenehm in meine Haut. Bebend vor Schmerzen und Wut lasse ich die Jacke von meinem geschundenen Arm gleiten. Raschelnd fällt sie zu Boden. Mühevoll öffne ich die Riemen meines Brustgeschirrs und lasse es achtlos fallen. Ich knöpfe die Bluse mit zittrigen Fingern auf. Lautlos tropft  eine Träne nach der anderen auf den dunklen Stoff und wird sofort von dem Material aufgesaugt.

Er hat mich einfach so überwältigt. Er hat meine Schwachstelle sofort erkannt und sie gegen mich eingesetzt. Er hat starken Druck auf die Stelle meines Armes ausgeübt, die am schlimmsten beschädigt wurde. Er hat seine Finger mit Leichtigkeit in meine zerfetzten Muskeln getrieben. Er ist ein rücksichtsloses und brutales Schwein.

Wütend reise ich die Bluse von meinen Körper und werfe sie zu Boden. Die Knöpfe, die ich nicht geöffnet bekam, reißen ab und springen klackernd über den Boden. Ich kneife die Augen zusammen und streiche über mein Haar um mich zu beruhigen. Der Hauptgefreite wird meine Schmerzen nutzen um mich zu züchtigen, wenn ich nicht kooperiere. Er wird mich leiden lassen, da bin ich mir sicher.

Wenn er meine Mappe entdeckt, was wird er dann tun?

Ich blicke auf meinen Arm. Ein deutlicher Abdruck seiner Finger hat sich auf der Haut abgezeichnet. Sie bilden sich noch dunkler ab, als das knubbelige Narbengewebe mit dem mein Arm übersät ist. Vorsichtig streiche ich darüber, doch ich muss die Hand zurück ziehen. Diese verfluchten Schmerzen.

Langsam erhebe ich mich vom Stuhl und schreite zu der Truhe vor meinem Bett. Meinen Arm halte ich, als würde er von einer unsichtbaren Schlinge die um meinen Hals liegt gestützt werden. Ich gehe in die Knie und  ziehe eine faustgroße, verbeulte Blechdose heraus. Als ich sie öffne steigt mir ein unangenehmer Geruch in die Nase. Ich nehme mit dem Zeigefinger die rostfarbene, faserige Paste aus dem Tiegel. Chili und Teufelskralle. Kostspielig, schwierig in der Herstellung und doch brauche ich dieses Zeug seit Jahren, um meine ständigen Schmerzen zu lindern.

Mit zusammen gebissenen Zähnen schmiere ich sie auf die Stelle, auf der der Hauptgefreite seine Spuren hinterlassen hat. Zischend stoße ich meinen hektischen Atem aus. Um die Schmerzen loszuwerden muss ich sie erneut durchleben. Kräftig massiere ich die Muskelstränge. Ich muss sie stimulieren, damit sie sich lockern und die Salbe wirken kann. Schwitzend und innerlich fluchend mache ich weiter, bis die Schmerzen langsam abklingen.

Ein feines Rinnsal aus Schweiß läuft zwischen meinen Schulterblättern an der Wirbelsäule entlang. Erschöpft lehne ich mich an die Wand an der mein Bett steht und winkle ein Bein an. Ich höre nur meinen Atem, bis es an meiner Tür klopft und ich eine männliche Stimme vernehme.

„Kommandant Erwin schickt mich! Ich soll dich informieren, dass das Abendessen im Gemeinschaftsraum einzunehmen ist! ", rattert die Stimme monoton herunter.

„ Verstanden!", krächze ich erschöpft.Schmunzelnd bette ich meine Wange auf dem Knie. Erwin.

Schwerfällig stehe ich auf und ziehe eine Hose und ein langärmliches Oberteil in dunklen Farben aus der Truhe. Ich löse die Lederriemen an meiner Hose und entledige mich dem hellen Stoff. Ich kleide mich unter mäßigen Schmerzen neu ein und verlasse mein Zimmer, um den Gemeinschaftsraum aufzusuchen.

Grübelnd schreite die Gänge entlang. Ich steige steinerne Stufen hinab und komme an einer großen Tür zum Stehen. Ich kann sie hören. Ich kann hören, wie die unzähligen Mitglieder des Aufklärungstrupps hinter dieser Tür sitzen und ihr Abendessen zu sich nehmen. Mir wird unwohl zumute. Wissen sie wer ich bin?  Wissen sie, dass ich bereits hier bin?

Automatisch fährt meine Hand zu meinem Arm, von dem nun wegen der Salbe eine beträchtliche Hitze ausgestrahlt wird. Wissen sie, was mir zugestoßen ist ?  

Ich atme tief durch und straffe meine Schultern. Ich habe Angst vor der Aufmerksamkeit, die mir durch meinen Namen zuteil wird. Jane Bloomberg, die Frau die mal Abteilungsführerin war und eine Spezialeinheit anführte. Die bekannt und gefürchtet zugleich war. Die Frau, die nun zu Nichts mehr zu gebrauchen ist. Eine Frau die zum Krüppel gemacht wurde.

Ich halte inne, als ich die abgewetzte Klinke ergreifen will. Es fühlt sich ähnlich an, wie der Moment als ich vor Erwin's Zimmer stand. Es ist die Angst vor den Gedanken der anderer Menschen. Doch diese Angst darf nicht größer sein, als mein Stolz. Ich streiche erneut über meinen geflochten Zopf und halte meinen Atem an. Schnell öffne ich die Tür und trete mit gesenktem Blick ein.

Ich vernehme kräftige Stimmen, die sich angeregt unterhalten. Das Scharren des Besteckes ist beinahe ohrenbetäubend. Unauffällige blicke ich mich um und verschaffte mir einen Überblick. In einer Ecke steht ein Tisch, der noch nicht besetzt ist. Schnell bewege ich mich zwischen den vielen Tischreihen entlang. Ich sehe Niemanden direkt an, ich grüße sie nicht und komme mit keinem der Anwesenden in Berührung. Ich will unter keinen Umständen auffallen, nicht an meinem ersten Tag.

Hastig nehme ich mir eine Schüssel mit Suppe, ein Stück Brot und einen Löffel. Schnell begebe ich mich zu dem Tisch, den ich vorhin ausmachte und bin erfreut, dass er immer noch verlassen scheint. Lautlos setze ich mich mit den Rücken an einen riesigen Holzpfosten und mache mich hungrig über das ziemlich magere Abendessen her.

Ich esse allein und still. Allmählich entspanne ich mich und nehme die Geräusche um mich herum deutlich leiser war als vorhin. Zufrieden lasse ich den Löffel in die leere Schüssel rutschen. Müdigkeit macht sich in meinen Gliedern breit und ich schließe kurz die Augen, bevor ich hochschrecke.

Ich höre, wie Jemand seine Schüssel abstellt und sich unmittelbar neben mich setzt. Langsam drehe ich den Kopf zur Seite. Ich erkenne einen jungen Mann, breite Statur, markantes Gesicht und blondes Haar. Er hat mich nicht bemerkt. Ich bin hinter diesem Pfosten offenbar gut versteckt. Ich wage es nicht etwas zu sagen.

Ein leichtes Lächeln legt sich auf meine Lippen. Er ist in seine Gedanken vertieft, sein Gesichtsausdruck wirkt angestrengt. Er übersieht mich regelrecht. Erst als er sein Brot auf der zerkratzen Tischplatte ablegt hält er kurz inne. Sein Kopf schnellt zu mir und er blickt mir direkt in die Augen. Ich sehe seinen goldenen Iriden und finde meine Grünen plötzlich mehr als nur gewöhnlich. Gern würde ich ihn zeichnen.

„Tut mir Leid, solch eine schöne, junge Frau nicht bemerkt zu haben.", sagt er und kratzt sich verlegen am Hinterkopf.

Mir rutscht ein leises und ehrlich gemeintes Lachen über die Lippen. Es ist absurd, ich bin sicher über zehn Jahre älter als der Bursche und trotzdem schmeichelt er mir. Ich reiche im lächelnd meine Hand.

„Jane.", stelle ich mich knapp vor.

Er ergreift meine Hand und drückt sanft zu.

„Reiner.", verrät er mir seinen Namen.

Interessant.

Wallflower (Attack on Titan Levi x OC FF)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt