Kapitel 28

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[Harry]
Als ich heute Morgen aufwache, fühle ich mich elend. Ich kann quasi nicht atmen und wenn ich schlucke, habe ich das Gefühl, als ob Chili-Sauce meinen Rachen hinunter rinnt. Langsam richte ich mich auf, hebe meine Füße von der Couch, auf der ich wohl gestern eingeschlafen sein muss, und möchte aufstehen, aber mir wird sofort schwarz vor Augen und ich lasse mich wieder zurück auf die Couch fallen, die Ellenbogen auf meine Knie und den Kopf in die Hände gestützt. So bleibe ich sitzen, bis der Boden unter meinen Füßen aufhört, sich zu drehen. Als ich meinen Kopf wieder hebe und meinen Blick, suchend nach Louis, durchs Zimmer schweifen lasse, bleibt er an einem wunderschön geschmückten Weihnachtsbaum hängen. Hat Louis den Baum wirklich ganz alleine geschmückt? Und das, obwohl es ihn an seine Mutter erinnert? Ich weiß zwar noch immer nicht wirklich, was genau mit ihr passiert ist, aber dieser Ausdruck in Lous Augen gestern, hat mir wirklich das Herz gebrochen. Ich konnte einfach nicht anders, als ihn zu umarmen, ich wollte ihn trösten, ihm Geborgenheit bieten, was ihm anscheinend doch, auch wenn nur ein bisschen, geholfen haben muss und das macht mich glücklich. Mein Blick ist noch immer auf den Baum gerichtet, als sich die Couch neben mir senkt. Mit einem breiten Lächeln drehe ich meinen Kopf zu Louis. ,,Mann, du siehst scheiße aus," meint er und ich glaube ihm. ,,Danke", antworte ich ihm einfach. ,,Wenn es dir gefällt, dass ich dir sage wenn du scheiße aussiehst, kann ich das gerne öfter machen," erwidert Lou lächelnd. ,,Nicht dafür," sage ich, blicke kurz zu dem Christbaum und wieder zu ihm. Er weiß, was ich meine und aus irgendeinem Grund scheint es ihm peinlich zu sein, denn seine Wangen färben sich leicht rosa. ,,Das sieht ziemlich süß aus," überlege ich in Gedanken. Und das ist nur eine Feststellung, keine Schwärmerei! Weil Lou nicht unbedingt wissen soll, was mir gerade durch den Kopf geht, mir aber auch Nichts anderes einfällt, grinse ich ihn einfach weiter an. ,,Wie fühlst du dich?", fragt Lou nach einer Weile besorgt. ,,Ganz oka-" Ich bekomme einen kurzen Husten-Anfall, der meinem ohnehin schon gereizten Hals gar nicht gut tut. Ich verziehe schmerzvoll das Gesicht und greife mir an den Hals. ,,Okay, du bist definitiv krank Harry," stellt Lou fest. ,,Genau an Weihnachten," meine ich unglücklich. Lous Blick wird kurz dunkel. Was ist es, dass ihn an Weihnachten so an seine Mutter erinnert? Ja, es ist ein Familienfest, aber ... das geht mich überhaupt Nichts an! So schnell wie der düstere Schleier in seinen Augen aufgetaucht ist, ist er auch wieder verschwunden und Lou sagt: ,,Leg dich hin. Ich mache dir eine Wärmeflasche und einen Tee." Ich nicke und nachdem Louis aufgestanden ist, um in die Küche zu gehen, hebe ich meine Beine wieder auf die Couch und lege mich wieder hin. Nach ein paar Minuten kommt Louis mit einem Tee in der linken und einer Wärmeflasche in der rechten Hand zurück ins Wohnzimmer. Er reicht mir die Wärmeflasche, die ich dankend annehme, da ich wirklich friere, und den Tee stellt er auf den Tisch vor der Couch. Ich muss wohl sehr zittern, denn Lou sieht mich kurz besorgt an und verschwindet dann in meinem Zimmer, um nach wenigen Sekunden mit meiner Bettdecke wieder aufzutauchen. Als er wieder vor mir steht, möchte ich mich aufsetzten, um ihm die Decke abzunehmen, aber er drückt mich einfach mit einer Hand auf meiner Brust nach unten. Dann deckt er mich zu. ,,Danke," sage ich erneut. Den Tag verbringen wir damit, dass mir abwechselnd eiskalt und extrem heiß ist, mit ein paar Hustenanfällen zwischendurch, und Lou neben mir auf der Couch sitzt und fernsieht, auch wenn nichts interessantes läuft. Zuerst versuche ich mich auf die Dokumentation über Eidechsen zu konzentrieren, aber da das nicht wirklich mein Lieblingsthema ist, fällt es mir mit der Zeit immer schwerer die Augen offen zu halten. Bis sie mir schließlich ganz zufallen.

,,Mum?", höre ich eine Stimme, unsicher ob ich noch immer träume oder wirklich aufgewacht bin. ,,Ich vermisse dich auch," höre ich diese Stimme erneut. Diesmal bin ich mir sicher, dass ich nicht mehr träume, denn ich erkenne Lous Stimme. Ich öffne die Augen und setze mich auf. Louis liegt mit vor seiner Brust verschränkten Armen und geschlossenen Augen am anderen Ende der Couch. Ohne es zu wollen, halte ich die Luft an, um seine nächsten Worte zu hören. Aber er sagt nichts mehr. Mehrere Minuten lang herrscht Stille. Ich blicke auf die große schwarze Uhr die über dem Fernseher hängt. Es ist halb 4 morgens. Ich will mich schon wieder hinlegen, als Lous auf einmal zusammenzuckt und das Gesicht verzieht. ,,NEIN! Geh nicht, bitte!-" Soll ich ihn aufwecken? ,,-Nein, Mum! Bitte nicht! Bleib! Lass mich nicht allein! Nein! Nein!" Okay ich muss ihn aufwecken! Ich stehe mühsam auf und stelle mich vor Louis hin. ,,Nein. Nein ... Bitte nicht ... ," winselt er immer wieder. Ich lege meine Hände auf seine Schultern und rüttle ihn sanft, weil ich nicht zu grob sein will. Er reagiert nicht. ,,Louis! Wach auf!" Diesmal rüttle ich ihn fester. Plötzlich reist Louis die Augen auf. Noch im selben Moment springt er von der Bank auf und stürzt sich auf mich, sodass ich zurückfalle, wo Gott sei Dank die Bank ist, um uns aufzufangen. Zuerst weiß ich nicht wie ich reagieren soll. Greift er mich an? Soll ich mich wehren? Aber als Lous Körper nach wenigen Minuten beginnt, von Schluchzern erschüttert zu werden, schließe ich einfach meine Arme um ihn und streichle beruhigend mit den Händen über seinen Rücken. So liegen wir einige Minuten da: Ich, ausgestreckt auf der Coach und die Arme um Lou geschlungen, und Louis, auf mir und die Arme ebenfalls um mich geschlungen. Als sein Körper langsam aufhört zu beben, setzte ich mich auf. Lou sitzt jetzt auf meinen Schoß, aber darüber kann ich mir jetzt keine Gedanken machen. Er löst die Umarmung und reibt sich mit der rechten Hand über seine geschwollenen Augen. Lou will aufstehen, um sich, schätze ich einmal, in seinem Zimmer zu verkriechen und alles weiter in sich hinein zu fressen, aber ich ergreife seinen Oberarm und halte ihn davon ab. Lou sieht mich an. ,,Willst du Suppe?", fragt er, um davon abzulenken, was gerade passiert ist, aber ich ignoriere es einfach und sehe ihm tief in die Augen, als ich frage: ,,Willst du darüber reden?"

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