Kapitel 23 - Alles ändert sich

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Als Bonnie ihre anfängliche Überraschung angesichts der unerwarteten Entwicklung überwunden hatte, saß sie bereits wieder in der Kutsche; diesmal gemeinsam mit ihrem Gastgeber. Eingehüllt in die dicke Decke aus Grobstrick, die Bridgit ihr aufgedrängt hatte, sah sie aus dem Fenster und überlegte welche Frage sie Mr. Northwood zuerst stellen sollte.

"Habe ich zu viel versprochen?", erkundigte dieser sich ohne auf ihre Entscheidung zu warten.

Bonnie begegnete seinem Schmunzeln mit einem überzeugten Kopfschütteln. "Nein, das hast du nicht. Ich wäre fast der Meinung gewesen, dass ich träume, wenn Mrs. Stafford nicht so entschieden theatralisch gewesen wäre. Diesen Tonfall hätte ich mir nicht einmal in den kühnsten Träumen ausdenken können."

"Du hast Marissa nun recht gut kennengelernt und weißt, dass sie ihrer Mutter in vielen Dingen ähnlich ist. Würdest du sagen, dass sich die beiden über Henrys Entscheidung freuen?" Nathan hielt inne, als überlegte er wie viel er im Zuge seiner Erklärung sagen durfte ohne die Regeln der Höflichkeit zu verletzen. "Ms. Hammond, oder besser gesagt Mrs. Stafford, ist mehr oder weniger besitzlos. Das kleine Erbe, das ihre Eltern ihr hinterlassen haben, wird für eine akzeptable Mitgift herhalten, doch Henrys Mutter hatte bestimmt andere Pläne für ihn."

"Wie auch Ms. Stafford", fügte sie verhalten hinzu, doch ihr Gegenüber musste sie gehört haben, denn seine Stirn legte sich in Falten.

Bonnies Blick glitt wieder aus dem kleinen Fenster der Kutsche; der Nebel des Morgens hatte sich verzogen und die kräftige Sonne versprach den Einwohnern Maplehills eine kurze Pause von den eisigen Temperaturen, die Einzug gehalten hatten.
Sie hatte versucht höflich zu sein und den Frischvermählten nicht mit ihren persönlichen Fragen zu nahe zu treten, doch sie verspürte bei dem Gedanken daran, dass sie noch nicht einmal zur Hälfte verstand wie Ms. Hammond zu Mrs. Henry Stafford geworden war, bereits leichte Reue aufkommen. Mit gewisser Mühe erinnerte sie sich daran, dass es bei den beiden Betroffenen lag, ihr davon zu erzählen, wenn sie bereit waren - oder eben auch nicht. Solange sie glücklich waren, musste Bonnie auch nicht alles wissen. Das strahlende Gesicht von Agnes schob sich ihr vor Augen, als diese Henrys Worte bestätigt hatte.

Ein leises Räuspern machte sie auf Mr. Northwood aufmerksam, der ungemütlich die Arme vor der Brust verschränkt hatte und finster dreinsah. "Was hat man dir angetan, Nathan?"

Bonnie beobachtete, wie er ohne darüber nachzudenken seine Hand hob und sich den Nacken rieb. Ohne Zweifel eine nervöse Angewohnheit, stellte sie belustigt fest. Bald schon würde ihr Gastgeber keine Möglichkeit mehr haben, sie beim Kartenspielen zu schlagen.
Nathan beeilte sich ihr zu versichern, dass alles in bester Ordnung war, doch die Sorgenfalten auf seiner Stirn blieben an Ort und Stelle. Selbst als die Kutsche vor Primrose Cottage hielt und er Bonnie beim Aussteigen half, hatte er sich noch nicht dazu geäußert. Kurzerhand behielt Bonnie seine hilfsbereit angebotene Hand bei sich, als ihre Füße auf sicherem Boden standen, und wollte ihn somit zu einem Gespräch zwingen.

"Bedrückt dich etwas?"

Lächelnd drückte Nathan ihre Hand, bevor er sie bei sich unterhakte und zu der Haustür führte. "Nichts, das dich beschäftigen muss. Entschuldige bitte meine mangelnde Gesprächigkeit; es ist eine lange Nacht gewesen."

Mit wachsender Ungeduld begleitete Bonnie ihn ins Innere und überreichte Bridgit Mantel und Schal. Sie wusste, dass es eine der unglücklicheren Eigenschaften ihres Gastgebers war sich bei offenen Fragen zurückzuziehen und die Antwort ohne äußere Störungen zu erarbeiten. Normalerweise nahm sie es ihm nicht übel, doch da seine Laune zu schwanken und seine Augenringe zu wachsen schienen, ergriff sie bei seinem grüblerischen Anblick das Bedürfnis zu helfen.

DorfgeflüsterWhere stories live. Discover now