Kapitel 17 - Früchtebrot und falsches Spiel

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Der Abend war dabei sich einem natürlichen und unaufregenden Ende zuzuneigen, als Bonnie Marissas rotblondes Haar in der Menge entdeckte. Unbemerkt von aller Augen musste sie den Raum wieder betreten haben, wohlgemerkt ohne Mr. Northwood, und hielt nun geradlinig auf die Terassentür des Salons zu, die in den Garten führte. Mit einer knappen Bemerkung an Evelyn, die partout keine Entschuldigung in Marissas Namen hören wollte, sondern nicht müde wurde zu betonen, dass die wunderschön aussehende Miss Stafford heute Abend wirklich außergewöhnlich viel mit ihr gesprochen hatte, folgte Bonnie eben dieser aus dem Raum hinaus in die Kälte.

Sich einen wärmenden Schal wünschend, suchte sie den leicht verwilderten Garten nach ihrer Nachbarin ab. Bridgit und Pascal kümmerten sich mit der größten Mühe um das grasbewachsene Stück Land zwischen dem Cottage und dem Wald, doch zwei Paar Hände waren ohne Frage zu wenig, um es gut in Schuss zu halten. Daher dauerte es auch eine Weile, bis Bonnie Marissa bei einigen ebenso niedrigen wie knorrigen Bäumen entdeckte.

"Ist alles in Ordnung?", erkundigte sie sich vorsichtig bei der jungen Frau, die mit abgewandtem Gesicht vor ihr stand.

Marissa schreckte auf. "Bonnie", stieß sie überrascht auf und fächelte sich lächelnd etwas Luft zu. "Huch, du hast mich aber erschreckt."

Bonnie entschuldigte sich rasch bei ihr und wiederholte die Frage, da ihre Freundin tatsächlich ziemlich blass aussah.

"Natürlich", ein stolzes Lächeln begann sich auf Marissas Gesicht auszubreiten, "Es geht mir blendend. Du hast sicher mitbekommen, dass Mr. Northwood und ich eine ganze Weile verschwunden waren."

Sie trug nicht mehr das kaffeebefleckte Kleid, fiel Bonnie in diesem Moment auf. Stattdessen strich sie rhythmisch die Falten aus dem Rock eines schlichteren, beigen Modells, das etwas in die Jahre gekommen wirkte.

"Das muss ich vor langer Zeit einmal auf Primrose Cottage vergessen haben", klärte Marissa ihre Freundin auf, da sie den Blick bemerkt hatte. "Aber lass uns lieber über deine fabelhafte Idee sprechen. Ich bin dir so dankbar für deine Hilfe, Bonnie. Mr. Northwood wird mir bestimmt noch vor Weihnachten einen Antrag machen, daran zweifle ich nun nicht mehr."

Etwas überrascht über die Bestimmtheit mit der Marissa diese Aussage tätigte, blinzelte Bonnie ein-, zweimal, bevor sie antwortete. "Bist du dir denn sicher damit? Was ist geschehen?"

"Oh, Bonnie, ich weiß nicht, ob ich dir davon erzählen sollte."

Dass Marissa etwas für sich behalten wollte, war ihr neu. Stirnrunzelnd betrachtete Bonnie sie. "Du musst mir natürlich nichts verraten, aber es ist doch wohl nichts ... ich meine ... er ist dir nicht zu nahe gekommen, oder?"

"Doch nicht Mr. Northwood, Bonnie. Nein, er war ein wahrer Gentleman, wie immer." Marissa strahlte nun förmlich. "Um genau zu sein, hat er nur meine Hand genommen. Wir sind auf dieser entzückenden Fensterbank im Gästezimmer gesessen und auf einmal meint er: Meine liebe Marissa, ich muss dir etwas gestehen und oh Bonnie, ich dachte schon, jetzt kommt es, er will mich nicht oder er hat eine andere - wobei es in Maplehill ein Wunder wäre, wenn er eine anständige Frau fände - aber dann nimmt er meine Hand und lächelt auf diese unheimlich charmante Art und Weise, du weißt doch welche ich meine -"

Bonnie wusste genau wovon Marissa sprach, daher nickte sie brav. Nathan konnte tatsächlich sehr hinreißend aussehend, wenn er lächelte.

"- und dann kommt es: Er wollte mich bloß zu meinem guten Aussehen heute Abend beglückwünschen und mich um Verzeihung für seine Absagen in letzter Zeit bitten. Ich habe es nicht geglaubt, aber meine Mutter hatte recht. Der Mann ist ein Sklave seiner Vernunft, aber eigentlich hat er mich schon lange sehen wollen. Wie er mich vermisst haben muss, dass ein Mann wie Mr. Northwood so offen spricht!"

DorfgeflüsterWhere stories live. Discover now