Kapitel 1☑️

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Etwas verloren stand die rothaarige Evelyn Ashes an einem der Flughäfen in England. In mehreren Stunden würde sie ihre neue Schule besuchen. In Amerika. In Mount Greylock, Massachusetts. Womit hatte sie das nur verdient?
Zu Recht, schallte sie sich selbst. Sie seufzte. „Alle Passagiere des Flugs 1652 begeben sich bitte auf ihre Plätze. Ich wiederhole : Alle Passagiere des Flugs 1652 begeben sich bitte auf ihre Plätze. Wir wünschen Ihnen einen angenehmen Flug!", erklang die monotone Stimme, die jeden Flughafen ausmachte. Evelyn nahm ihren Handkoffer und marschierte, stur gerade aus blickend, zu ihrem Flugzeug.
Endlich konnte sie sich setzen. Dieser ganze Sicherheitskram der Muggle verzögerte alles nur. Sie wollte endlich weg. Weg von England. Weg von den schlechten Erinnerungen, die sie hier plagten. Und weg von all den Alpträumen, die sie seinetwegen hatte. Endlich erhob sich die Maschine in die Luft. Evelyn starrte aus dem Fenster, sah wie die Wolken an ihr vorbei zogen. Nach ein paar Stunden knurrte ihr Magen. Zu ihrem Glück kam gerade eine Stewardess mit einem Wagen vorbei. Wie im Hogwartsexpress, dachte sie wehmütig. „Ein Wasser und eine Curry bitte!" „Sehr gerne. Ein oder zwei Brötchen?!" Evelyn entschied sich für die größere Portion und nachdem sie muggelgerecht gezahlt hatte, fing sie an zu essen. Die warme Soße und Wurst erwärmte ihren kühlen Körper und die Brötchen milderten die Schärfe des Curry etwas. Nach dem Essen sah sie noch eine Weile aus dem Fenster, ehe ihr die Augen zu fielen. Mit 17 Jahren alleine auf den Weg nach Amerika, wie verrückt die Welt doch ist. Ein Rütteln an ihrer Schulter weckte Evelyn aus ihrem unruhigen Schlaf. „Verzeihung, aber wir landen gleich. Wenn Sie sich bitte anschnallen würden!" Es war die Stewardess von vorhin. Aus ihren blauen Augen sah sie Evelyn mitleidig an. Diese lächelte dünn während sie ihrer Bitte nachkam.

Zur selben Zeit machte Miss Picquery, die Präsidentin der Vereinigten Staaten von Amerika, sich zurecht. Eine neue Schülerin aus England sollte heute mit einem Muggelflugzeug eintreffen. Es war ihre Pflicht, die junge Dame zu empfangen und sicher nach Ilvermorny bringen zu lassen. Dafür begleitete sie einer ihrer Auroren, Jackson. Dieser trat nun ein und gemeinsam verschwanden die Hexe und der Zauberer.
Aus einer Seitengasse traten zwei Gestalten hervor. Miss Picquery und Mr. Jackson steuerten in Richtung des Flughafens.

In einer Mischung aus Neugierde und kühler Distanziertheit sah Evelyn sich auf dem riesigen Flughafen um. Hier irgendwo sollten die Präsidentin und ein Auror auf sie warten. Als sie ihr Gepäck endlich hatte, wurde sie von einer Frau mit Turban aufgehalten. „Ich bin Seraphina Picquery. Dies ist Mr. Jackson. Willkommen in Amerika, Miss Ashes!" Evelyn musterte die zwei kurz. „Danke Miss, Mister. Evelyn Ashes, mein Name!"
Das unterschiedliche Dreiergespann verschwand in einer Seitengasse und ehe Evelyn sich versah, war sie schon in Massachusetts. „Dies ist der Mount Greylock. Dort oben thront Ilvermorny!", erklärte Jackson stolz.
Bäume wuchsen dicht an dicht, bis sie den Blick auf eine unglaublich breite Treppe freigaben. Auf oberster Stufe stand ein etwas streng aussehender Mann. Er hatte hellbraune Augen und weiße Haare. Sein Bart war ebenso weiß. Es war Agilbert Fontaine. Der Direktor von Ilvermorny. Neben Evelyn ertönte ein lauter Knall und Jackson war verschwunden. Allein, mit einem etwas mulmigen Gefühl, stieg sie die Treppen hinauf. „Evelyn Ashes! Mein Name ist Agilbert Fontaine. Ich bin der Direktor der Ilvermorny. Sie werden sofort in eines der Häuser eingeteilt. Es gibt den Donnervogel, der Abenteurer favorisiert, die gehörnte Schlange für die Klügeren unter uns, den Wampus und den Pukwudgie. Nach der Entscheidung werden Sie sich bitte in Ihr Zimmer begeben und sich einrichten sowie die allgemeine Schulkleidung erhalten. Diese tragen Sie bitte immer während des Unterrichts. Wir haben die Unterrichtsfächer Ihres letztes Jahres in Ihren Stundenplan aufgenommen. Alle Zeiten stehen in der Ilvermorny Schulordnung. Folgen Sie mir!" Evelyn verarbeitete diese Mengen an Informationen und ging alles nochmal im Kopf durch. Wie das wohl entschieden wird?!
Sie kamen in Mr. Fontaines Büro an. Es war ein heller Raum, mit vielen Schränken und einem Schreibtisch. Evelyn war etwas unbehaglich zumute. Dieses Gefühl wurde noch verstärkt als Mr. Fontaine plötzlich seinen Zauberstab auf ihre Gestalt richtete. Auf einmal trat ein silbriger Schlieren aus seinem Zauberstab und schoss direkt auf Evelyn zu. Er machte nicht vor ihr Halt, sondern flog geradewegs IN sie hinein, direkt auf Brust Höhe. Evelyn schnappte nach Luft. Mit einem Zisch! trat der Silberfaden aus ihr heraus und sammelte sich über ihren Kopf. Am Anfang war er ein wirres Gemisch aus verschiedensten Formen, bis er schließlich den Körper einer Schlange annahm. „Sie sind also im Haus der Gehörnten Schlange! Nun gehen Sie!"
Allein stand sie auf dem Gang. Es war der letzte Tag der Sommerferien, dementsprechend waren die Gänge verlassen. Evelyn legte ihren Zauberstab auf ihrer flachen Hand ab und konzentrierte sich kurz. Die Spitze des Stabes glühte in einem smaragdenen Grün auf bis er sich drehte und in eine Richtung wies. Sie folgte dem Weg, den ihr Zauberstab ihr wies und stand kurz darauf vor ihrem Zimmer. Sie wollte schon die Tür öffnen, doch anscheinend war sie verschlossen. Entnervt rollte sie mit den Augen. Der Schulleiter hatte ihre Akte doch bekommen, gemeinsam mit ihren ZAGs. Wollte er sie da wirklich noch prüfen?!
Sie testete die Tür nach einem Zauber ab. Keiner da. Mit einem gedachten 'Alohomora' schwang die Tür auf und Evelyn fand sich in einem Raum wieder, den sie als schmucklos beschrieben hätte, wären da nicht die Schlangenmuster an dem Bett gewesen. Jenes stand in der Ecke des Raumes, die der Tür gegenüber lag. Daneben ein kleiner Nachttisch. Ein großer Schrank fand an einer anderen Wand Platz und eine weitere Tür führte, wie Evelyn vermutete, in das Badezimmer. Sie hievte ihren Koffer auf das Bett und ließ die Schnallen aufschnappen. Ihren Zauberstab steckte sie in ihre innere Manteltasche, wo er gut zu erreichen wäre, sollte sie ihn brauchen. Von Hand diesmal räumte Evelyn ihre gesamte Kleidung zu den im Schrank hängenden Uniformen. Auch das Bad war sehr schnell eingerichtet, trotz ohne Magie. Ihren Koffer verstaute Evelyn im Schrank. Ein großer Stapel Bücher stand nun neben ihrem Bett. Sie nahm sich das oberste und fing an zu lesen.
Seufzend klappte sie das Buch zu. Es war Abend geworden. Evelyn sah auf den Plan und bemerkte, dass in einer Viertel Stunde die restlichen Schüler ankamen. Es war anscheinend eine Art Tradition die Schüler schon am letzten Abend der langen Ferien zurück zu holen. Evelyn zog sich ihre neue Uniform an. Sie war dunkelblau und hatte einen recht stattlichen Schnitt. Auf dem Rücken prangte das goldene Symbol der Ilvermorny und an ihrer linken Brust zeigte sich das Wappen ihres Hauses, der gehörnten Schlange. Sie steckte ihren Zauberstab ein und Band sich die rötlichen Haare zu einem hohen Ponytail zusammen. Wie immer löste sich eine rechte Strähne und umspielte so ihr blasses Gesicht. Noch einmal sah Evelyn sich mit ihren grünen Augen im Zimmer um. Dann ging sie schnellen Schrittes zur Acad Hall. In Hogwarts wäre es die Große Halle. Evelyn kam genau richtig und konnte sich so unerkannt in die Schülermassen mischen. An einer Schülerin erkannte Evelyn die gehörnte Schlange und beschloss, sich an ihre Fersen zu heften. Ein paar Plätze weiter, am selben Tisch, nahm Evelyn Platz und wartete geduldig bis der Strom von Schülern verendete und alle einen Sitzplatz gefunden hatten. Mr. Fontaine erhob das Wort. „Willkommen an einem weiteren oder neuen Jahr an der Ilvermorny Academy..." Die Rede gestaltete sich als ähnlich wie die von Professor Dumbledore. Fontaine wies auf die Regeln der Schule hin und erklärte alles Weitere. „Nun noch eine wichtige Ansage für den letzten Jahrgang. Ab einem unbestimmten Tag wird jemand vom MACUSA hier eintreffen und eure Leistungen beurteilen. Wer durch seine Leistungen glänzt oder anderweitig positiv auffällt, kann mit einem Job im MACUSA in naher Zukunft rechnen!" Seine Ansprache galt nun wohl als beendet, denn auf den Tischen erschienen nun hunderte von Tellern und Platten mit allerlei Gerichten. Süß und sauer. Scharf und mild. Würzig und salzig. Evelyn lief das Wasser im Mund zusammen und sie griff nach den Folienkartoffeln. Dazu entschied die Zauberin sich für ein großes Stück der Spare Ribs und tat sich einiges von dem Kräuterquark auf. „Endlich mal ein Mädchen, dass nicht nur Salat isst!" Evelyn schaute nach oben und sah sich einem jungen Mann gegenüber. Er war blond und hatte blaue Augen. „Jonas Jones!" „Evelyn Ashes!" „Du bist neu hier oder?!" „Hmm. Musste von Hogwarts hier her wechseln." Evelyn sah wieder zu ihrem Essen und trennte die Knochen sorgfältig von dem Fleisch. Auch die Kartoffel war im Nu zerlegt und sie konnte ihr Lieblingsessen absolut genießen.
„Dann kommst du also aus England?!", quatschte Jones weiter. „Jones, echt nicht böse gemeint. Aber ich bevorzuge es seit jeher, mein Essen still und leise einzunehmen!", erwiderte ich scharf. Überrascht sah er mich an. „Für eine Neue spielst du dich ganz schön auf. So wirst du hier keine Freunde finden!", erwiderte er kühl. „Ich spiele mich nicht auf. Ich halte mein Leben nur sehr direkt. Und Freunde können einen verraten, mit Freunden ist man nie sicher. Schon gar nicht zu Zeiten wie diesen."
In Ruhe aß Evelyn weiter.
Ungläubig starrte Jones sie an. Seine Lippen kräuselten sich höhnisch. „Ich werde dir das Leben hier zur Hölle machen, Ashes!" „Ich hab schon Schlimmeres erlebt!", antwortete sie trocken.
Das Abendessen war zuende und Evelyn ging in ihr Zimmer. Den Weg fand die Zauberin inzwischen ohne weitere Probleme. Zügigen Schrittes lief sie weiter, ignorierte die abwertenden Blicke der amerikanischen Schüler. Anscheinend hatte Jones seine Drohung in sekundenschnelle wahr gemacht, denn plötzlich schienen alle ihr auszuweichen und sie mit Geflüster zu verspotten. Evelyn verdrehte die Augen. Sie hatte schon weitaus Drastischeres erlebt als die Ausgrenzung. Es würde eh nur ein Jahr dauern. Relativ schnell legte die Hexe sich schlafen. Doch wie immer war ihr Schlaf unruhig, von Alpträumen gespickt.

The MACUSA Where stories live. Discover now