Kapitel 5

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Mit diesem Gedanken schlief ich dann auch endlich ein.

Sam:

Hektisch schlug ich um mich und öffnete hastig meine Augen. Ich hatte wieder von ihm geträumt. Von dem Mann, der mein Leben für immer verändert hatte. Niemand wusste davon. Außer Ruby und meine Mum. Seitdem hatte ich starke Vertrauens-, Bindungs- und Berührungsängste. Deshalb war ich noch nie weiter gegangen, als jemanden zu küssen. Bei Ruby, Alex und meiner Mutter war das eigentlich etwas anderes, weil ich Ruby und meine Mutter einfach über alles liebte und Alex war halt immer in meinem Leben und hatte mich nie ernsthaft verletzt oder sonstiges. Doch jetzt riss ich mich sogar von dem Bruder meiner besten Freundin los. Er sah mich müde und verwirrt an. Ich schluchzte nur und sah weg. Als Ruby ihre Augen aufschlug und realisierte, dass ich davon geträumt hatte - mal wieder - nahm sie mich direkt in die Arme und murmelte: "Keine Angst Sam, er ist weg. Er kann dir nicht mehr wehtun. Er wird dir nie wieder wehtun." Langsam beruhigte ich mich und löste mich langsam von ihr.

"Wollen wir runter gehen und frühstücken?", lenkte ich schnell vom Thema ab und setzte mein Lächeln auf. Alle stimmten mehr oder weniger verwirrt zu und wir liefen alle nach unten in die Küche. Keiner verlor mehr ein Wort darüber, was geschehen war. Während wir aßen meldete sich Ruby zu Wort. "Was machen wir heute eigentlich? Heute Abend trinken wir oder?" "Ja, würde ich auch sagen. Heute Nachmittag könnten wir Schlittenfahren gehen.", schlug Manu vor. Ich nickte zustimmend, bevor ich mein Geschirr zur Küche trug. Dann nahm ich den anderen ihre Sachen ab und räumte danach die Lebensmittel, die auch dem ganzen Tisch verteilt standen, auf. "Wann gehen wir los?", fragte ich. "Ich schlage vor, wir gehen so um 14:00 Uhr los. So hat jeder noch ein bisschen Zeit für sich.", schlug Alex vor.

Ich hatte mein Buch geholt und mich vor den warmen Ofen gesetzt. Mit meinen Kopfhörern in den Ohren war ich vollkommen in mein Buch vertieft und genoss die vom Feuer ausgehende Wärme. Meine Füße waren in eine kuschelige Decke eingewickelt und eine Tasse Tee stand neben mir auf dem Boden.

Alex:

Sam saß vor dem Ofen, laß in einem Buch und hörte dabei Musik. Ich lag auf dem Sofa und dachte über heute Morgen nach. Von wem sprach meine Schwester da? Hatte jemand Sam wehgetan? Sie verletzt? Sie hatte mich weggestoßen, was mir einen Stich versetzt hatte. Hatte sie Angst vor mir? Ich wollte nicht, dass sie sich vor mir fürchtete. Ich würde sie niemals verletzen.

Nachdenklich beobachtete ich sie. Ihre hellbraunen, fast dunkelblonden Haare fielen ihr leicht vor ihr blasses Gesicht. Die Sommersprossen in diesem machte es aber wieder gut, dass sie eigentlich relativ blass war. Die eine Hand hielt das Buch, während die andere einen Takt auf den Boden trommelte.

Ich stand auf und lief zu einem der Schränke in der Küche. Nachdem ich ein paar Kekse auf einen kleinen Teller gelegt hatte, ging ich auf sie zu und stellte ihn vorsichtig neben sie. Sam zuckte kurz zusammen, da sie sich wohl erschrocken hatte, doch dann lächelte sie mich dankend aber auch überrascht an. Ich setzte mich neben sie und nahm das linke Teil der Kopfhörer aus ihrem Ohr.

Sam:

Plötzlich stellte jemand einen Teller mit Keksen neben mich, wodurch ich mich leicht erschrak. Ich sah neben mich, wo sich Alex hinsetzte. Er nahm einen meiner Kopfhörer und steckte ihn in sein Ohr. Erstaunt blickte er mich an. "Deutschrap?" Ich nickte schüchtern. Seit wann war ich eigentlich schüchtern ihm gegenüber?! Er nahm einen Keks und ich tat es ihm gleich. "Wenn du darüber reden willst, was heute morgen pas-" Ich unterbrach ihn. "Nein. Ich muss nicht darüber sprechen. Ich komme schon klar.", meinte ich schnell. Bei dem Gedanken an meinen Traum musste ich die Tränen zurückhalten. "Du sollst nur wissen, dass ich da bin und es auch niemals weiter erzählen würde." Seit wann war er so süß zu mir? Diese Seite von Alex gefiel mir wirklich gut, daran könnte ich mich gewöhnen.


Alex ging nach oben, um zu sehen wo die anderen blieben. Man hörte einen Schrei von oben. Ich rannte hoch, da dieser Laut eindeutig von Ruby kam. Meine beste Freundin saß da auf Manus Schoß und starrte erschrocken ihren großen Bruder an. "Es. ich also Alex, wir-" "Ich habs gewusst! Ich hab dir doch gesagt, sie liebt dich! Aaaw", erlitt Alex, entgegen der Erwartungen aller im Raum, einen hysterischen Fangirltot. Verwirrt blickten die beiden Verliebten zu dem 17-jährigen, der gerade wie ein kleines Mädchen auf und absprang. "Was ist passiert?", fragte ich, da ich die einzige war, die das Geschehen verpasst hatte. "Sie haben sich geküsst", meinte Alex, der sich mittlerweile etwas beruhigt hatte. "Ist nicht wahr! Ich wusste es!", kreischte nun auch ich. ich wusste ja, dass etwas vorgefallen war, aber ein Kuss?! So schnell hätte ich das nicht erwartet. Die anderen zwei sahen nun mich genauso verwirrt an, wie Alex eine Sekunde zuvor.

Als wir uns alle wieder etwas beruhigt hatten, legte ich mich auf eine Matratze und hörte Musik. Ich dachte darüber nach, wie es wäre, wenn ich mich endlich jemand anders als meiner Mutter oder Ruby öffnen würde. Anders gesagt: Ich dachte darüber nach, wie es wäre mit Alex darüber zu sprechen. Er sollte nicht denken, dass ich Angst vor ihm hatte oder ihn nicht mochte. Denn ich mochte ihn mehr als ich sollte... Ich versank in den Erinnerungen an den Tag...

'An dem Tag, an dem es geschah, hatte ihr Vater viel getrunken. Mal wieder kam er sturz betrunken spätabends nach Hause. Sams Mutter war mal wieder lange auf der Arbeit und so freute sich Sam, dass ihr Vater wieder da war. Sie war zu der Zeit gerademal 10 Jahre alt. Das Mädchen wollte seinem Vater stolz eine 1 in Mathe zeigen, die es durch viel lernen erlangt hatte. Doch als sie ihren Vater sah und realisierte in welchem Zustand er war, rannte sie schnell in ihr Zimmer und kroch unter ihr Bett. Man konnte die schweren Schritte des Mannes hören, wie sie die hölzerne Treppe nach oben stiegen. Sie hielt den Atem an, als er durch den Türrahmen gestolpert kam. Er öffnete den Schrank, wo sie sich letztes Mal versteckt hatte, als er sie schlagen wollte. Doch diesmal hatte sie ein neues Versteck gewählt und hoffte, dass ihr Erzeuger nicht auf die Idee kam unter ihrem Bett zu suchen. Die langsamen Schritte kamen ihr immer näher und blieben direkt vor dem schmalen Bett stehen. Er bückte sich, um unter das Möbelstück zu sehen und eine Sekunde später sah das Kind in die gierigen Augen seines Vaters. Dieser zog Sam gewaltsam unter dem Bett hervor. Doch ihre Vermutung wurde nicht bestätigt. In dieser Nacht schlug er nicht zu sondern tat etwas, das um einiges schlimmer war...'

Ich zitterte und schluchzte vor mich hin. Wie konnte mein Vater so etwas tun? Er war doch davor immer für mich da gewesen. Ich war seine kleine Prinzessin, bei der er niemals zugelassen hätte, dass ihr etwas passiert. Ich hatte ihm vertraut und ihm geholfen, obwohl er mich oft geschlagen hatte wenn er betrunken war. Nun saß er erst einmal im Gefängnis für das, was er mir angetan hatte und ich hoffte, das würde auch noch lange so bleiben.

Auf einmal ging die Tür auf und Alex kam rein. "Hey, wir wollen langsam los. Bis du soweit?", als er mich sah, hörte er auf zu reden und kam einfach auf mich zu um mich zu umarmen. Ich weinte oft deshalb, aber auch diesem Ausflug wollte ich niemanden mit meinen Problemen belasten. 

Ich löste mich von ihm und wir gingen runter zu den anderen um loszugehen.

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