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Es gibt Schlimmeres, als die Neue zu sein.
Leute, die Socken mit Sandalen tragen.
Rassistische Kinder. Die Percy Jackson - Filme.
J.K Rowling.

Es gibt tausend schlimmere Dinge, als die Neue zu sein.

Ich bin schon oft die Neue gewesen.
Wenn ich es so recht überlege, bin ich schon mein ganzes Leben lang die Neue gewesen.
Ich bin ein Problemkind. Es ist nicht so, dass ich das nicht wüsste. Ich bin ja nicht bescheuert.
Ich wurde öfter von der Schule suspendiert, als ich meinen Bettbezug wechsele.

Mich stört es eigentlich nicht. Wenn ich nur nicht andauernd die Neue sein müsste!
Es fällt mir auch so schon schwer, mich an neue Umstände zu gewöhnen.
Aber das muss ich immer und immer wieder machen. Ein Teufelskreis

Ich glaube das Schlimmste daran, immer die Neue zu sein, ist der Moment, wo man vor der Klasse steht. Ein Dutzend Augenpaare mustern dich abschätzig. Du bist ganz alleine.
Es ist so, als hätte dich jemand auf die Bühne ins Rampenlicht gestoßen.
Dabei bist du doch keine Schauspielerin, sondern nur ein Maskenbildnerin.
Du kannst dich nicht bewegen, bist wie erstarrt und siehst ängstlich in das Publikum.

Ich schaue eine Weile aus dem Fenster, während mich die Lehrerin vorstellt.
Dann halte ich doch kurz inne und kann mich doch dazu überwinden, die anderen Schülern anzusehen.
Sie scheinen alle in meinem Alter zu sein.
Dabei könnten sie unterschiedlicher nicht sein.
Einige saßen mit überheblichen Blick da und starren gelangweilt aus dem Fenster.
Andere blickten unwohl zu Boden, als würden sie sich am liebsten von ihm verschlucken lassen.

Aber eins haben sie doch gemeinsam. Sie tragen alle die gemeinsame Schuluniform.
Ein schlichtes Hemd mit dunkelblauer Krawatte und einem blauen Blazer, auf dem das Schulwappen gestickt würde.
Ein paar Sekunden verstrichen und ich merkte, wie immer mehr Schüler ein bisschen unruhiger wurden, also drehe ich mich zur Lehrerin.

Frau Laris ist eine relativ freundliche, ältere Frau. Ihr braunes Haar ist mit grauen Strähnchen durchzogen und zu einem Dutt zusammengebunden.
Sie trägt eine blaue Bluse und einen schwarzen Faltenrock.
Eugentlich wirkt sie gar nicht wie eine Lehrerin oder überhaupt wie eine Autoritätsperson.

Ich neige respektvoll den Kopf.
,,Wenn es ihnen nichts ausmacht, werde ich mir jetzt einen Platz aussuchen."
Erst jetzt mache ich mir die Mühe den Klassenraum an sich zu mustern.
Der Raum ist wirklich sehr geräumig. Hier könnten locker zehn weitere Schreibtische stehen.
Die Tische sind so sauber, dass man sich in ihnen spiegeln kann. Was ziemlich seltsam ist.
Niemand hat seinen Namen auf einen der Tische geschmiert.
Nicht einmal Beleidigungen mit witzigen Rechtschreibfehlern sind zu sehen.

Ich scanne den Raum, um den perfekten Platz für mich zu finden und bin sogar erfolgreich.
Mir gefällt der Platz in der zweiten Reihe, ganz rechts. Ich kann in Ruhe aus den Fenstern sehen.
Ich sitze nicht ganz hinten, also kann ich die Tafel gut entziffern und wenn mir danach ist, dem Lehrer zuhören. Und ich sitze nicht ganz vorne, wo die komplette Aufmerksamkeit des Lehrers auf mich liegt. Wenn mir warm ist, kann ich das Fenster aufmachen.
Wenn mir kalt ist, sitze ich direkt an der Heizung.
Und da ich direkt an der Wand sitze, muss ich mich nur mit einem nervigen Sitznachbarn rumplagen, und nicht zwei.

,,Dieser Platz ist besetzt.", sagte der Junge, der neben dem eindeutig leeren, perfekten Platz sitzt, angewidert und mustert mich, als wäre ich eine Kakerlake. Verwundert schaue ich auf.
Er sieht ziemlich gut aus.
Er hat unnormal stark ausgeprägte Wangenknochen.
Seine schwarzen Haare fallen ihm lässig ins Gesicht.
Er sieht wie der Typ Junge aus, der immer von einer Schar von jüngeren, schmachtenden Schülerinnen umgeben ist. Am beeindruckenden finde ich die pure Langweile in seinem Gesicht.
Es bringt seine blauen Augen echt gut zur Geltung.

Ich kann ich jetzt schon nicht ausstehen. Alles an ihm strotzt nur so vor Selbstgefälligkeit und Arroganz. Ich hasse solche Typen. Und da ist noch etwas. Irgendetwas an ihm, dass mich unendlich wütend macht und ich kann es mir auch nicht richtig erklären.

Mich überkommt das zwingende Gefühl ihm eine reinzuhauen, aber das würde sich am ersten Schultag nicht sonderlich gut machen.
Sein Gesicht ist außerdem wirklich hübsch und es wäre doch eine Schande, es zu veranstalten.

Ich räuspere mich kurz.
,,Von wem?", ich lege mir die Hand aufs Herz und seufze gespielt gerührt.
,,Von mir.", mit ausdruckslosen Gesicht hebt er einen schwarzen Rucksack hoch und stellt ihn provokant auf den freien Stuhl.

Die ganze Klasse beobachtet uns gespannt. Kann ich ihnen nicht übel nehmen.
Immerhin nehmen sie gerade, so wie ich es verstanden habe, den Aufbau und die Funktion von Desoxyribonukleinsäure durch.
Und da ist wirklich alles spannender.

,,Ich sehe nirgendwo deinen Namen stehen.", sagte ich mit hochgezogen Augenbrauen und einem spöttischen Lächeln.
Langsam holt er einen Block und einen Edding aus seinem Rucksack, ohne mich aus den Augen zulassen. Fast die ganze Klasse zuckte zusammen, als er laut ein Blatt rausriss.
Sauber und ordentlich schreibt er in Druckbuchstaben quer über das ganze Blatt ein Wort hin. Trotzig patscht er das Blatt mit einem lauten Knall auf den leeren Tisch.

Es wäre unklug mich gleich an meinem ersten Tag mich mit jemanden anzulegen. Ich meine, mich in den ersten fünf Minuten prügeln? Sehr schlecht.
Sollte ich definitiv nicht tun. Also lächele ich.
,,Es ist mir eine wahre Freude dich kennen zulernen-", ich legte den Kopf schief, um seine Schrift zu entziffern. ,,Nathan."

Langsam steuerte ich auf einen leeren Platz in der letzten Reihe zu. Frau Laris fährt verdutzt mit dem Unterricht fort.

Wow - EffectWhere stories live. Discover now