Zurück auf der Thousand Sunny

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Nun, manchmal traf ich zugegebenermaßen seltsame Entscheidungen. Für manche war es unerklärlich, warum ich entschied ein Leben als Alkoholiker wäre vernünftiger. Manch anderer konnte es nicht nachvollziehen, warum ich eine kurze Hose und Strümpfe trug, anstatt gleich einer langen Hose. Die letzte unvernünftige Entscheidung war wohl aufs Meer hinaus zu fliegen, ohne überhaupt zu wissen welchen Kurs die Strohhüte genommen hatten. Aber ich hatte Vertrauen. Am Anfang. Enel sei Dank hatte ich so viel Vertrauen, dass es immer noch ausreichte, obwohl es von Minute zu Minute sank.

Auf gut Glück peilte ich den Norden an und orientierte mich dabei am Logport. Meine Flügel waren sowohl verletzt als auch die Anstrengung nicht gewohnt, die das Fliegen mit sich brachte. Obwohl ich zugeben musste, dass ich das Gefühl die Welt zu überragen genießen könnte, wenn nicht jede Sekunde der Absturz durch Erschöpfung drohen würde.

Nach einer gefühlten Ewigkeit, es handelte sich in der Realität nur um eine knappe halbe Stunde, erblickte ich die Thousand Sunny mit meinen verkümmerten Augen und ließ mich mehr oder weniger mit Absicht darauf fallen- wie ein graziler Kartoffelsack. Etwas holprig landete ich auf der Grünfläche zwischen den Orangenbäumen und schnappte nach Sauerstoff. Meine Flügel schmerzten abartig. Goldenes Blut war zwischen den weißen Federn geronnen und glitzerte im abnehmenden Sonnenlicht, dass nur noch vereinzelt seinen Weg durch die Blätter der Orangenbäume fand.

Ich fühlte mich schlecht. Nicht nur körperlich am Ende, mein Körper hatte in den letzten Wochen nur wenig Zeit zu regenerieren. Wenn ich daran zurückdachte, dass ich seit Weihnachten mit Offizier Kruls Marinebasis immer auf Trab war, blieben keine Fragen mehr offen warum ich es jetzt nicht mal mehr die Kraft fand aufzustehen. Meine Rippen schienen seit Wochen geprellt, womöglich gebrochen und ich hatte aufgehört zu zählen wie viele Kratzer und Schnittwunden ich am Körper trug, deren Behandlung längst überfällig waren.

Innerlich fühlte ich mich leer. Mein starker Sinn nach Gerechtigkeit war auch wieder abgeklungen und nun wurde mir der schmerzliche Verlust meiner Dämonenkräfte immer deutlicher bewusst.

Das Leben spielte mit unfairen Karten, würde ich mal behaupten.

Dieser Jäger... etwas an ihm kam mir falsch vor, stellte meine Welt auf den Kopf.

Eine weibliche Stimme riss mich aus meinem Grübeln und ich drehte schwerfällig den Kopf in Richtung der Treppe, wo Nami aus heiterem Himmel aufgetaucht war.

"Was machst du bei meinen Orangenbäumen?", fragte sie misstrauisch, wobei sich ihre braunen Augen zu schmalen Schlitzen verengten. Gütiger Himmel. Ich war weder interessiert noch in dem Zustand ihren Orangenbäumen auch nur ein Blatt zu krümmen.

"Auf die Bewusstlosigkeit warten, was sonst?", zischte ich schnippisch und wandte mich ächzend wieder ab. Durch die theatralische Bewegung riss die Wunde am Hals auf und vergoss mein wertvolles Blut auf der vermutlich noch wertvolleren Orangenbaumwiese.

Die junge Frau mit dem knappen Bikinioberteil und der kurzen Hose beugte sich über mich und schenkte mir nun einen kritischen Blick. "Du bist verletzt."

Müde blinzelte ich und fragte mich insgeheim, wie hoch wohl der Durchschnitts IQ  dieser Bande liegt. Ob Nico Robin ihn wohl noch etwas in die Höhe stemmen kann? "Komm, ich bring dich zu Chopper." Und wie hatte die Dame sich das jetzt vorgestellt?

Sie reichte mir plötzlich freundlich lächelnd die Hand und half mir in die Höhe. Schwarze Punkte tanzten vor meinem nach wie vor recht trüben Blick  und halfen mir nicht unbedingt weiter mein Gleichgewicht oder meine Orientierung wieder zu finden. Trotzdem lehnte ich Namis Hilfe strikt ab und folgte ihr, wobei ich mein Gewicht auf das Geländer stützte und meine Flügel kraftlos hinter mir auf den Boden schleifen ließ.

Das Schiff war mit viel Liebe zum Detail ausgestattet, aber meinem Tunnelblick ist es zu verdanken, dass ich davon kaum etwas mitbekam. Auch quasselte Nami auf dem Weg in einer Tour aber seit der explodierenden Sprühflasche, oder was auch immer das war, rauschte es in meinem Gehörgang als ob ich eine falsche Radiofrequenz eingestellt hätte, womit es mir nicht sonderlich schwer fiel sie auszublenden.

Als wären wir seit Jahren beste Freundinnen zog sie mich vertraut am Arm hinter sich her und schubste mich schließlich, nachdem ich ein paar Treppen runter gefallen war, beherzt in die Krankenstation.

Sofort verzog ich mein Gesicht missbilligend. Zwei der vier Betten waren bereits belegt. Law lag, kreidebleich und nicht bei Bewusstsein, komplett einbandagiert in dem hinteren Teil des Raums unter einem Bullauge.

Zwar war er schwer verletzt aber am Leben, was mehr war als ich zu hoffen gewagt hatte. Erst als ich spürte wie mir die Erleichterung die Last von den Schultern nahm, wurde mir klar wie sehr ich mich um den Skalpellschwinger gesorgt hatte.

Und dann fragte ich mich Idiot natürlich wieso ich mir so viele hirnrissigeGedanken um die Plüschmütze machte, beließ es aber vorläufig lieber.

Auf der vordersten Liege wickelte das Rentier die Schulter des Strohhutjungen ein, die der Pfeil durchbohrt hatte. Entgegen aller Erwartungen schien es ihm keine Schmerzen zu bereiten, stattdessen lachte er und jammerte gleichzeitig, dass er Hunger habe. Von Vollidioten umgeben.

Die beiden schienen mich nicht wirklich bemerkt zu haben, weshalb ich zu Law ging und mir einen Stuhl heranzog auf den ich mich verkehrt herum setzte. Der Chirurg des Todes hatte mich einmal schwach, am Boden gesehen und dies war vermutlich eine der wenigen Gelegenheiten es wieder auszugleichen, auch wenn ich ihn nun wie einen Stalker anstarrte.

Ich sog sein jämmerliches, ohnmächtiges Darsein praktisch auf, verinnerlichte und speicherte das entwürdigende Bild, das er abgab und kam zu dem Fazit, dass ich ihn nie wieder so sehen wollte. Wahrlich nie wieder. Man konnte zweifelsfrei mir die Schuld an seinem Zustand in die Schuhe schieben, immerhin hatte ich den Strohhüten versprochen, ich würde das regeln. Er war zwar irgendetwas zwischen einem Feind und einem Freund, die Spannbreite der passenden Bezeichnungen für ihn war dementsprechend enorm, dennoch erlaubte es mir Respekt vor ihm zu haben. Er war ein starker, kalkulierender und geprägter junger Mann. Umso mehr störte es mich ihn jetzt so zu sehen. Je mehr ich mir Gedanken darüber machte, desto beunruhigter wurde ich.

Ich war einfach nur krank, ganz einfach.

Lorelei Morgenstern (OnePiece FF)Where stories live. Discover now