Folge 11

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«Was machst du hier?» Meine Stimme ist nur ein Keuchen.

«Das sollte ich dich fragen!», keift Conrad zurück. Ich bemerke, wie sein Blick zwischen Aiden, der sich mit dem Ärmel seiner Jacke das Blut vom Kinn wischt, und mir hin und her springt. «Was hast du hier unten verloren? Mit ihm?»

Conrad spuckt mir jedes Wort ins Gesicht. Ich schlucke hart. Jetzt ist definitiv der falsche Zeitpunkt, ihm zu beichten, was zwischen Aiden und mir vorhin gelaufen ist. Oder besser gesagt, was nicht gelaufen ist.

«Ich, wir ...» Ich werfe Aiden einen Blick zu. Der schaut abwartend zurück. Keine Ahnung, ich hatte wohl eine telepathische Absprache unter Verbündeten erwartet. «Die Lotterie wurde manipuliert», platzt es aus mir heraus. Keine weiteren Umschweife. Keine Lügen mehr.

«Das erklärt natürlich alles», entgegnet Conrad spöttisch. Er steckt den Schlagstock zurück in die Halterung, lässt seine Hände aber an seinem Gürtel. Immer bereit zum Angriff.

«Ich habe ihm geholfen, Beweise zu finden. Das ganze System ist eine Lüge. Und was ich dir neulich von dem Programm erzählt habe, war auch keine Einbildung.» Ich spüre, wie mein Mund auf- und zugeht und Wörter daraus hervorsprudeln, aber irgendwie gehört nichts davon zu mir.

Conrad stemmt die Hände in die Seiten. Seine rechte Augenbraue zieht sich immer höher, je länger er mich betrachtet. In seinem Blick liegt nicht viel mehr als Geringschätzung.

«Du hast ihm also geholfen», wiederholt er. Aber seine Stimme lässt mich wissen, dass es mehr ist, als eine Feststellung. Kälte kriecht meinen Rücken empor.

«Ich hab sie da reingezogen», meldet sich Aiden zu Wort. Er begutachtet seinen Jackenärmel. Der schwarze Stoff kann nicht verhindern, dass man sieht, wie blutgetränkt sie ist.

«Denkst du, das wüsste ich nicht? Jetta würde sich nie freiwillig auf sowas einlassen. Womit hast du sie geködert, damit sie bei der Aktion mitmacht?»

Wie schön, dass mein Freund mich so gut kennt.

«Vielleicht habe ich einfach mehr zu bieten als du», stichelt Aiden und baut sich zu seiner vollen Größe auf.

Ich halte die Luft an und hoffe, dass das mit dem Zeitanhalten dieses Mal funktioniert. Conrad lacht.

«Was willst du ihr denn schon ...»

«Können wir den Kindergarten mal sein lassen und auf's Wesentliche zurückkommen?», schreite ich ein, bevor sich die beiden noch an die Gurgel gehen. «Warum bist du hier, Conrad? Was soll dieser ganze Aufstand da draußen?»

«Wir sorgen für Ordnung und fordern den Respekt ein, der uns zusteht», antwortet er, funkelt aber weiterhin Aiden an.

«Ihr? Ist das eine Challenge oder sowas?»

«Eine Ehrenmission», sagt er und plustert sich auf.

Er hat ja keine Ahnung, wie dumm das in meinen Ohren klingt.

«Für zwei tote Männer versetzt ihr ein ganzes Deck in Furcht und Schrecken. Überragende Leistung.» Aiden klatscht zwei Mal applaudierend in die Hände. «Das nährt den Glauben an das System.»

«Ihr könnt doch nicht diese unschuldigen Leute überfallen.» Ich packe Conrad am Unterarm. Wenigstens sieht er mich jetzt an, auch wenn seine kalten Augen mir einen Schauder über den ganzen Körper jagen. «Sag mir, dass es noch einen anderen Grund gibt!»

«Wir überfallen keine ‹unschuldigen› Leute, okay?» Er schiebt meine Hand von seiner Uniform. «Diese Menschen haben zwei Sekretäre auf dem Gewissen. Zwei rechtschaffene Männer, die nur für Ordnung sorgen wollten, die Familie hatten, Frau und Kinder, die mit Leib und Seele hinter ihrer Arbeit standen. Es ist zu gefährlich hier unten, als dass wir jemanden, der einen Sekretär enttarnt, frei herumlaufen lassen könnten.»

Im Augenwinkel erkenne ich, dass Aiden mich ansieht. Wahrscheinlich hofft er jetzt auf eine telepathische Absprache.

«Dann musst du nicht mehr lang suchen», sage ich und straffe die Schultern, bereit bei Conrads Blick auf der Stelle zu Eis zu erstarren, umzukippen wie eine Skulptur und in tausend Splitter zu zerbrechen.

Only Water - Kenne deinen FeindWhere stories live. Discover now