3|Physical and mental pain

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Hart schlug ihr Kopf auf dem Boden auf und einige Sekunden lang drehte sich alles um sie herum, bevor sie sich wieder besann. „Hier stinkt es widerlich!", rief der Mann aus, und wedelte mit der Hand vor seiner Nase herum. „Meine Freundin ist krank! Sie braucht Medizin!" Verzweifelt blickte Saya zu ihm hoch.

„Medizin. Medizin will sie. Hey, Aadil, hast du das gehört? Medizin!" Der Mann klopfte sich lachend auf die Oberschenkel, als hätte Saya einen besonders lustigen Witz gerissen. Dann wurde der Mann schlagartig still. „Hier gibt es keine Medizin. Verluste muss man verschmerzen. Aadil, bring das Mädchen raus. Sie ist noch am Leben, solange kann sie uns noch zu Diensten sein, danach entsorgen wir sie. Und wo geht das denn besser als hier, mitten auf dem Ozean?" Der faulige Atem des Mannes schlug ihr ins Gesicht und sie hielt den Atem an.

Dann dämmerte ihr, was der Mann gesagt hatte. Ein anderer schleifte Lynn bereits an einem Arm nach draußen. Sie wehrte sich nicht einmal mehr, ließ sich einfach hinterherzerren. „Lynn! Nein, nicht! Das geht nicht!", schrie Saya panisch und trat nach dem Mann. Dieser ließ achtlos Lynns Arm los und kam auf sie zu.

„Laenat alkalba! Ich werde dir zeigen, was passiert, wenn du nach mir trittst!" Eine harte Ohrfeige ließ Saya vor Schmerz aufkeuchen, doch dieser war gar nichts gegen den Schmerz, als sein Fuß mit voller Wucht in ihren Bauch trat. Sämtliche Luft entwich aus ihrem Körper und sie wurde beinahe ohnmächtig vor Qual. Dass seine Fäuste mehrmals auf sie einprasselten, spürte sie da schon kaum mehr. Reglos blieb sie liegen und ließ zu, dass ein letzter Fußtritt in die Seite sie weiter in das Innere des Containers beförderte.

„Es ist in Ordnung, Saya. Ich werde im Himmel auf dich achtgeben. Ich habe dich lieb!", flüsterte Lynn ihr zu, bevor man sie grob davonschleifte. „Ich dich auch, Lynn. Nein!" Sayas verzweifelter Schrei hallte an den Wänden der anderen Container wieder, bevor die Klappe mit einem lauten Schlag geschlossen wurde.

Stundenlang hörte man das Wimmern Lynns und das Gelächter der Männer. Saya presste sich ihre Hände so fest auf die Ohren, dass beide schmerzten. Doch es brachte nichts. Die Laute hallten in ihrem Kopf wider. Irgendwann hatte Aicha sie tröstend umarmt und irgendwann verstummten auch die flehenden Bitten von Lynn. Wütend wischte Saya sich über die Augen. Sie wollte nicht weinen. Sie wollte stark sein, stark für ihre Freundin, die sie nur wenige Tage gekannt hatte und die doch die einzige Person in ihrem Leben gewesen war, der sie noch vertraute.

Nur etwa zweieinhalb Tage nach Lynns Tod legte das Frachtschiff am Port Sudan an

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Nur etwa zweieinhalb Tage nach Lynns Tod legte das Frachtschiff am Port Sudan an. Wenige Stunden später, kurz nach Einbruch der Dämmerung wurden die ersten Container vom Schiff abgeladen. Der von Saya und den zwei anderen Mädchen war einer der letzten.

Saya, Yaira und Aicha saßen dicht zusammengekauert auf dem dreckigen, kalten Boden des Containers und umarmten sich fest, als dieser zu Schaukeln begann. Keine von ihnen hatte etwas zu Essen bekommen in den letzten Tagen, doch noch schlimmer als das Hungergefühl war der starke Durst, den sie alle verspürten.

In regelmäßigen Abständen wurde ihnen aufgrund des großen Wassermangels schwindelig, gestern hatte Yaira das letzte bisschen Flüssigkeit, was sich in ihrem Magen befunden hatte, erbrochen. Sie alle kamen zumindest mit dem nagenden Hungergefühl einigermaßen zurecht, kannten sie es doch bereits von ihrem Leben als Straßenkinder.

„Oh, bitte, hoffentlich ist es bald vorbei." Aichas Stimme klang krächzend, ihre Kehle war komplett ausgetrocknet. Noch ein bisschen länger und sie würden an der Dehydrierung sterben. „Ich habe Angst, was mit uns passieren wird.", wimmerte Yaira leise. Sayas Gedanken wanderten sofort zu ihrer toten Freundin und dem, was ihr geschehen war. Nicht einmal mehr Tränen brannten in ihrem Augen, zu wenig Wasser war noch vorhanden.

Ächzend stützten sie und Aicha die Dreizehnjährige, die plötzlich ohnmächtig nach vorne kippte. Saya kämpfte gegen die erlösende Schwärze an, die sich immer mehr vor ihre Augen schieben wollte. Kurz bevor sie dem Drang, die Augen zu schließen, nachgeben konnte, ging ein heftiges Ruckeln durch ihren Container, er kippte nach vorne, die drei Mädchen rutschten über den glatten Boden und prallten schmerzhaft gegen die Tür.

Leise schrie Saya auf, als ihre Schulter heftig mit dem steinharten Metall kollidierte und immer fester dagegen gepresst wurde und dann war der Spuk bereits wieder vorbei. Mit einem dumpfen Geräusch und einer letzten Erschütterung wurde der Container abgestellt und Saya hatte kaum genug Zeit, bis auch schon die Klappe geöffnet wurde.

„Raus mit euch und rein in den Wagen da hinten!", brüllte sie ein fettleibiger Mann an, dem eine Zigarre im Mundwinkel klemmte. Seine rot unterlaufenen Augen und das eingefallene Gesicht ließen ihn in der Dunkelheit aussehen, wie einen Bluthund. Schwankend erhob sich Saya und half Aicha hoch, welche die immer noch ohnmächtige Yaira hochheben wollte.

Grob wurde sie zur Seite gestoßen und sie mussten mit ansehen, wie der Mann Yaira mit seinen Schuhen, die eine Metallsohle besaßen, in die Rippen trat. Es knirschte unheilvoll und Saya spürte bei dem Geräusch, wie ihr die Galle in der Kehle hochstieg. Mit einem Schmerzensschrei erwachte Yaira und griff sich an die Seite.

„Steh endlich auf, nutzloses Pack!", schrie der Mann und einige Speicheltropfen landeten in Sayas Gesicht, welche es allerdings gar nicht bemerkte. Der Mann zerrte sie zu einem Lieferwagen, stieß sie hinein und schmiss die Türe zu. Abermals waren sie in der vollkommenen Dunkelheit gefangen und endlich gab sich Saya dem Ohnmacht-Gefühl hin. Ihr Kopf knallte hart gegen die Innenwand, ein feines Rinnsal Blut lief an der Seite ihres Gesichts hinunter, doch all dies bekam sie schon gar nicht mehr mit.

RainWhere stories live. Discover now