Schnallen ums Herz

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W-Was?
Was passiert hier?
Warum tut er das jetzt?
Jetzt?
Genau in diesem Moment?
Unfassbar.
Jeff küsst mich.
Jeff the Killer!
Ich kann noch überhaupt nicht realisieren, was hier gerade vor sich geht, jedoch lasse ich mich reflexartig auf diese absurde und zugleich faszinierende Situation ein.
Schließe meine Augen.
Beginne, den Kuss zu erwidern.
Tausende Glücksgefühle prasseln auf mich hinab.
Lösen ein unglaublich euphorisches Gefühl tief in mir drinnen aus.
Dennoch ergeben sich darin Wiedersprüche.
Tobende Wiedersprüche, welche sich robust in meinem Herzen verhaken.
Das ist mein erster richtiger Kuss.
Ein ganz besonderer Moment.
Mit einem Killer.
Einem Mörder.
Ist das richtig?
Fühlt sich das tatsächlich richtig für mich an?
Würde ich nein sagen, würde ich mich selbst belügen.
Ich kann ihn nicht hassen.
Und ich kann mich nicht unwohl in seiner Nähe fühlen.
Das funktioniert einfach nicht.
Die negativen Gedanken verschwinden schlagartig und meine himmlischen Empfindungen nehmen ihren Lauf.
Ich genieße den Moment.
So lange, bis er sich wenige Sekunden später von mir löst.
Er kommt mir näher, flüstert mir mit seiner rauen Stimme ins Ohr, sodass die herbeieilenden Polizisten nichts davon verstehen können.

"Weil ich dich verdammt nochmal liebe"

Ich halte inne.
Dieser Satz lässt mein Herz für einen Moment still stehen.
Gänsehaut.
Am ganzen Körper.
Ich sehe ihn an.
Er sieht mich an.
So lange, bis er mit aller Gewalt von mir weggezogen wird.
So lange, bis er in den Todes Saal gezogen wird.
Ich bin vollkommen sprachlos.
Stehe einfach nur da.
Kann mich nicht rühren.
Das kann ich nicht fassen.
Diese Worte kamen gerade wirklich aus seinem Mund?
Deswegen.
Jetzt ergibt alles einen Sinn.
Das fehlende Puzzleteil.
Ich habe es gefunden.
Es hat sich gezeigt.
Aus diesem Grund konnte und kann ich ihn nicht hassen.
Aus diesem Grund habe ich immer wieder an ihn gedacht.
Er konnte mich nicht umbringen.
Und ich konnte ihn nicht im Stich lassen.
Denn er liebt mich.
Er empfindet etwas für mich.
Und ich empfinde etwas für ihn.
Bereits am Anfang herrschte eine spezielle Verbindung zwischen uns, deren Gefühle immer wieder hin und her geschwankt sind. Und letztendlich haben sie aufgehört, sich zu drehen. Und sie sind bei dem Punkt der Liebe angekommen.
Es war jedes Mal diese Verbindung, jedoch ist sie mir nie aufgefallen.
Ich wurde nur die ganze Zeit über von zu vielen anderen Gefühlen zugeschüttet.
Ich habe es nicht bemerkt.
Die bedeutende Veränderung.
Hätte ich sie bemerkt, wären wir vielleicht jetzt nicht an diesem Punkt angekommen.
An einem Punkt, an dem das Schicksal von Jeff nicht mehr in meinen Händen liegt.
An welchem ich nichts mehr beeinflussen kann.
Ich liebe ihn.
Und er ist verloren.
Auf direktem Wege zu sterben.
Denn sein Urteil ist getroffen worden.
Ich kann nichts mehr bezwecken.
Ich bin nutzlos.
Für ihn.
Tränen beginnen meine Augen zu verschleiern, doch ich halte sie sofort zurück, als ein weiterer Polizist auf mich zukommt.

"Entschuldigen Sie, sind Sie eine Angehörige von Jeffrey Woods?"

"Ähm, ja"

Ob diese Leute mich nun als Familie eintragen oder als Freundin, ist mir gerade komplett egal.

"Ich verstehe, soll ich Sie in den Raum bringen, in welchem Sie ihn noch sehen können?"

Ich nicke leicht.
Nach dem jüngsten Ereignis mit Jeff bin ich nicht mehr sehr gesprächig.
Ich folge dem Polizisten, der mich in einen kleinen Raum bringt, in welchem ich Jeff noch sehen und hören kann.
Fühlen werde ich ihn nicht mehr können.
Nie wieder.
Ein paar alte Klappstühle sind aufgestellt, auf denen bereits einige Leute sitzen. Ich vermute alles Menschen, die ihre Mitmenschen auf tragische Weise durch Jeff verloren haben. In ihnen glüht die Wut und in mir ätzt die Trauer alle anderen Empfindungen weg.
Mit zittrigen Beinen setze ich mich in die vorderste Reihe und kann ihn nur beobachten.
Ruhig schaue ich zu, wie er grob an dem elektrischen Stuhl mit vielen Schnallen befestigt wird.
So, dass er nur noch reglos dasitzen und die kleine Menschenmasse, die sich in diesem Raum niedergelassen hat, anstarren kann.
Äußerlich scheine ich ruhig, jedoch brenne ich innerlich.
Mein Herz brennt.
Fackelt mit jeder Minute mehr und wird umgeben von einer kalten Schwärze.
Sein Blick beruht auf mir.
Auf keinem Anderen.
Er blickt mich an und seine Wunden im Gesicht stechen mir ins Auge.
Das tut weh.
Wieso tut das alles auf einmal so weh?
Absolut alles schmerzt so unglaublich, so wie er dasitzt, bereit gemacht, um gleich getötet zu werden.
Kaltblütig ermordet zu werden.
Wo befindet sich an dieser Stelle die Moral?!
Diese Menschen sind kein Stück besser!
Als er sich absolut nicht mehr bewegen kann, verlassen die Polizisten den Raum.
Kurze Stille.
Und ein alter Mann betritt den Raum.
Er wird den Schalter umlegen.
Der Schalter, der Jeff verschwinden lässt.
Für immer.

Heartbeat (Jeff the Killer Lovestory)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt