Er streckte die Hand nach mir aus: "Warte Summer!" Ich sah ihn erwartend an. Er fuhr sich durch die Haare. "Bitte geh noch nicht!" "Ich hab aber noch Hausaufgaben und du willst doch nicht, dass ich die Schule vernachlässige, oder?", sagte ich mit einem Grinsen. Er lachte: "Nein, wenn das so ist, sehen wir uns wohl erst später wieder, verehrte Dame." "Ja, genau, mein Herr!" Und damit machte ich mich auf zu unserem Zimmer.

Ich fing mit den Hausaufgaben an, hatte aber schnell keine Lust mehr. Vor allem weil mir die ganze Zeit warm im Bauch wurde, wenn ich an Liam dachte. Also schob ich die Sachen beiseite. Da fiel mein Blick auf den neuen Stundenplan mit den AGs. "Konzentrieren der inneren Kräfte?"  Was sollte das denn sein? Ich hatte doch eigentlich in den Kunstkurs gewollt! Naja, ich konnte es nicht ändern, deshalb machte ich Mathe doch noch fertig und wartete auf Kiera.



Kiera:

Als ich die Zimmertür öffnete, saß Summer an ihrem Schreibtisch und schien an einer Matheaufgabe zu verzweifeln. ,,Hey, hast du Lend gefunden?", fragte ich sie kurzer Hand. ,,Ja, das habe ich in der Tat. Du wirst nicht glauben, was er getan hat..." und somit erzählte sie mir, was Lend bezweckt hatte und ließ ihren ganzen Frust heraus. Ich konnte mir ein Lachen nicht verkneifen, als ich mir vorstellte, wie unser kleiner schwuler Lend einen auf harten Kerl machte, um Liam eifersüchtig zu machen. Aber das abstruseste an dieser Geschichte war, dass Liam es ihm tatsächlich abgenommen hat. ,,Hör auf so dämlich zu lachen! Mir war in dieser Situation gar nicht zum Lachen zumute..." Als ich mein Taktgefühlt wiederfand und aufhörte zu lachen, legte ich ihr einen Arm mitfühlend auf die Schulter. ,,Kann ich verstehen, aber es hat sich doch alles zum Guten gewendet! Liam mag dich jetzt noch mehr als er es schon vorher getan hat!" Über diese Bemerkung musste Summer lächeln und setzte ihren träumerischen Gesichtsausdruck auf, den sie immer machte, wenn sie an ihren Liam dachte. ,,Wie dem auch sei, wie war denn dein Date mit James?" fragte sie nun neugierig. ,,Naja, abgesehen davon, dass Nathan, als wir einen Spaziergang im Wald machten, mich zu Boden gerissen und James daraufhin fast einen Wutanfall bekommen hatte, eigentlich ganz gut." Summers Augen waren nun weit aufgerissen und ihr Mund stand offen vor Fassungslosigkeit. ,,Nathan hat was? Was hat er überhaupt im Wald gemacht?" ,,Was Nathan dort gemacht hat, würde mich auch interessieren. Auf jeden Fall schien er sehr aufgebracht und, wenn ich mich nicht täusche, etwas ängstlich zu sein. Er hat gesagt, dass wir schnell verschwinden sollen und ist dann, als James ihn wütend anfunkelte, weggerannt", erklärte ich ihr. ,,Nathan und ängstlich? Klingt sehr komisch. Wir können ihm nicht trauen und es ist am besten wenn du dich von ihm fernhälst." Ich nickte zustimmend und machte mich dann an meine Hausaufgaben, ehe ich zu Bett ging.
Eine traumlose Nacht später, fand ich mich in einer langweiligen Geschichtsstunde, neben Summer sitzend, wieder. Geschichte war echt zum schnarchen, und das schienen auch ein paar Schüler zu tun. Während Summer immer wieder Herzen mit einem L in der Mitte auf ihren karierten Collegeblock kritzelte, rief ich mir nochmals die gestrigen Ereignisse in den Kopf. Was zum Teufel hatte Nathan im Wald zu suchen gehabt? Das würde ich wohl nie herausfinden. Heute Mittag würden Summer und ich die erste Stunde in unserer zweiten AG haben. Komischer Weise waren wir beide in einer AG namens "Konzentrieren der inneren Kräfte"gelandet. Wir beide hatten uns, als wir den Namen das erste Mal auf unserem neuen Stundenplan sahen, gar nichts darunter vorstellen können. Aber als wir nach dem Mittagessen auf den Raum 4C zusteuerten, standen zu unserer Überraschung, nur Leute da, die wir entweder kaum kannten, oder noch niemals zuvor gesehen hatten. Es fühlte sich so an, als wären wir die einzigen, die keine Ahnung hatten, was in diesem Kurs unterrichtet wurde. Die anderen beäugten uns neugierig und ein Junge mit rabenschwarzen Haaren und einem Piercing in seiner linken Augenbraue, trat einen Schritt auf uns zu. ,,Was wollen die denn hier? Ich kann mir nicht vorstellen, dass die irgendwelche besonderen Kräfte haben..", hörte ich seine Stimme. Ich funkelte ihn missbilligend an und war drauf und dran ihm zu wiedersprechen, als ein Lehrer, den ich ebenfalls noch nie zuvor gesehen hatte, die Tür öffnete und uns lächelnd signalisierte in das Klassenzimmer zu gehen. Als alle einen Platz gefunden hatten, stellte er sich freudig vor: ,,Einige von euch kennen mich ja schon, aber für die, die mich noch nicht kennen, ich bin Mister McEvans. Wie ihr vielleicht schon wisst, geht es in diesem Kurs darum seine verborgenen Fähigkeiten zu finden und auszuarbeiten.  John, wärst du so nett und würdest unseren Neulingen deine besondere Kraft vorführen?" Der Junge mit dem Piercing setzte ein zufriedenes Grinsen auf, als er Anlauf nahm und auf die Wand zurannte. Ich atmete vor Überraschung tief ein und sah zu, wie er anstatt sich den Kopf an der Wand zu stoßen, durch die Wand hindurch verschwand. ,,Aber...wie ist das möglich? Menschen können doch nicht einfach durch feste Materie gehen...", fragte ich perplex, als John wieder zurückkam. ,, Sagen wir es einfach so: Magie ist mit im Spiel", er zwinkerte mir zu und strich sich eine seiner pechschwarzen Strähnen aus dem Gesicht. ,,Jeder von euch hat eine Gabe und ich werde euch helfen sie zu entdecken und zu trainieren. Fangen wir mit dir an, Summer Wood, wenn ich mich nicht täusche?" Zögerlich trat Summer vor und stellte sich vor die Klasse. Ich konnte ihr ansehen, dass sie nicht recht wusste, was von ihr verlangt wurde. ,,Nun, ich weiß, dass du es kannst", bekräftigte sie Mr McEvans. Ihr Blick schweifte zu einer Flasche MIneralwasser und ich erwartete, dass sie sie mit ihrer Telekinese bewegen würde. Aber als sie die Flasche zuerst mit Telekinese zu ihr bewegte, ließ sie sie platzen und formte, mit dem auf dem Tisch schwimmenden Wasser, eine Kugel die sie in der Luft balancierte, ehe diese herunterfiel und sich auf dem Boden wieder verflüssigte. ,,Aquakinese. Erstaunlich...", sagte unser Lehrer und Summer starrte, über sich selbst überrascht, auf den nassen Fleck auf dem Fußboden. ,,Ich wusste gar nicht, dass du zu so etwas in der Lage bist...ich meine das mit dem Wasser...", flüsterte ich ihr ins Ohr, als sie sich wieder neben mich gesellte. ,,Jetzt bist du an der Reihe, Kiera Clarke!", rief mich Mr McEvans fordernd auf. Langsam stellte ich mich vor die Klasse, ich hasste es von allen angestarrt zu werden - auch bei Referaten oder Vorträgen. Da ich nichts weiter als Telekinese konnte, öffnete ich die Fenster und ließ einen Stuhl umfallen. Schweigen.  John und die anderen musterten mich abwartend. ,,Ich..ich weiß nicht, was ich noch tun soll??", wendete ich mich an Mr McEvans. ,,Telekinese ist eine äußerst sonderbare Gabe", sagte dieser knapp. Natürlich, Summers Aquakinese, war viel erstaunlicher. Als ich mich wieder hinsetzte, hörte ich Johns Stimme hinter mir: ,,Mann, das war ja mal echt lahm. Um einen Stuhl umzuwerfen, brauch ich keine Telekinese", er lachte in sich hinein. ,,Halt deine blöde Klappe!" dachte ich wütend an ihn gerichtet, verkniff mir aber, es laut auszusprechen. ,,Wie hast du das gemacht?" John stand von seinem Stuhl auf und lief zu mir. Ich musste wohl genauso überrascht aussehen, wie er, als er mich abwartend betrachtete. ,,W-was meinst du?", stotterte ich unsicher. ,,Komm schon, tu nicht so. Ich weiß, dass du das warst?" Nun waren die Augen aller, besonders die von Mr McEvans, auf uns gerichtet. ,,Du warst in meinem Kopf!" ,,Mach hier bloß keine Szene!", dachte ich flehend. ,,Schon wieder! Ich mache hier keine Szene!" ,,Und ob du die machst!!", verteidigte ich mich. ,,Sagen sie doch was!", dachte ich an Mr McEvans gerichtet. ,,Eine Telepathin! Na sowas! Das hab ich lange nicht mehr gesehen. Meine Großmutter war die letzte und einzige mit dieser Gabe, die mir je begegnet ist. Ich konnte sie nie anlügen, weil sie immer sofort hören konnte, ob ich log. Besonders wenn ich mir einen Keks heimlich aus der Keksdose stibitzt habe!" In Erinnerungen schwelgend, lachte er kurz auf. John lächelte mich nun scheinbar anerkennend an und begab sich zurück auf seinen Platz. ,,Ich hatte es schon geahnt", flüsterte mir Summer zu. ,,Im Speisesaal und als Valerie aufgetaucht ist, hast du das auch schon mal gemacht, aber da war ich mir noch nicht 100 prozentig sicher...", erklärte sie lächelnd. ,,Warum hast du mir nichts gesagt? Ich dachte schon, ich wäre verrückt, als ich plötzlich die Gedanken von anderen zufällig hören konnte", sagte ich und atmete erleichtert darüber, dass ich es nicht bin, auf. Die anderen führten nun auch ihre Gaben vor und hatten eine Menge Spaß daran. Ein Mädchen namens Sue, sie trug ihre roten Haare offen, konnte mit Feuer umgehen, wie Summer mit Wasser. Ein anderes Mädchen, dessen Namen ich leider vergessen hatte, flog durch den Raum, als wäre sie ein Vogel und hätte es ihr ganzes Leben lang geübt. Adam, ein Junge mit kurzen blonden Haaren, konnte mit Tieren reden und ein weiterer Junge, namens Christopher, ließ Pflanzen mitten im Klassenzimmer wachsen. Nach der Stunde, gingen Summer und ich auf unser Zimmer und wir unterhielten uns aufgeregt über unsere Kräfte, und die der anderen. Eines stand schon mal fest: Diese AG war unser ganz persönlicher Favorit!

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