11. Kapitel

1.1K 98 2
                                    

Summer:


Nachdem ich Kiera viel Spaß bei ihrem Date gewünscht hatte, begab ich mich auf die Suche nach Lend. Der war aber aus irgendwelchen Gründen unauffindbar, ich klopfte an seinem Zimmer, suchte sämtliche Aufenthaltsräume auf, ja ich fragte sogar Francesco, ob er ihn gesehen hatte und nirgendwo war er. Als letzte Möglichkeit fiel mir nur noch die Bibliothek ein und tatsächlich: als ich die Tür leise hinter mir schloss, entdeckte ich ihn sofort an einem der Vierertische. Das war ja so typisch! Am Ort, der einem am spätesten in den Kopf kam.

Ich nahm gegenüber von ihm Platz und es dauerte etwas bis er mich bemerkte, weil er so in sein Zeichnen vertieft war. "Oh, hey, Summer, du hättest dich ruhig mal räuspern können, oder so", meinte er gut gelaunt. "Wieso bist du hier? Ich hab dich nämlich gesucht", kam ich auf mein Anliegen zu sprechen. "Weil es hier so ruhig ist, kann ich ungestört Mangas zeichnen. Schau mal! In dem hier haben die Hauptfiguren gewisse Ähnlichkeiten mit uns drei", er schob mir begeistert einen Stapel Blätter zu. Obwohl ich wusste, dass es ihn kränken würde, warf ich keinen Blick darauf, sondern beugte mich vor und sagte mit gedämpfter Stimme: "Was sollte das gestern mit Liam?" "Ich...", er reckte den Kopf und schaute zur Tür, "da ist er ja!"

Verwundert drehte ich mich auf meinem Stuhl um und sah Liam mit ein paar Kumpels hereinspazieren. Als er in unsere Richtung schaute, lächelte ich ihm zu, aber er sah zu Lend und sein Gesichtsausdruck verhärtete sich. "Siehst du?", ich fuhr zu Lend herum, der das mit einem selbstzufriedenen Grinsen sagte. Da verstand ich es: "Du...Du wolltest...Das konnte doch gar nicht klappen...Was für eine dumme Idee!...Grins nicht so..Du! Aah!" Ich schaffte es meine Stimme so wütend klingen zu lassen, wie ich war, ohne dass die Bibliothekarin uns ermahnte. Aber eigentlich konnte ich nicht glauben, dass es auch noch funktioniert hatte. Wieso hatte Liam eigentlich nicht geblickt, dass Lend kein unglaublich anziehender, mit mir gut befreundeter, heterosexueller Konkurrent war? Wusste das denn nicht die ganze Schule? Wäre es nicht so zum Verzweifeln gewesen, hätte ich gelacht. Vielleicht. "Lend", meinte ich, nachdem ich mich einigermaßen beruhigt hatte, "ich weiß, du wolltest nur helfen, aber dein toller Plan ist eher ins Gegenteil umgeschlagen. Deshalb entschuldige mich, ich muss das jetzt richtig stellen." Mit diesen Worten erhob ich mich, atmete einmal tief durch, warf mein Haar zurück - ja eigentlich ziemlich bescheuert, aber jetzt brauchte ich das - und stolzierte zu Liam und seinen Freunden.

An ihrem Tisch angekommen räusperte ich mich. "Liam. Wir müssen uns unterhalten", sagte ich in einem Ton, der keine Widerrede zuließ. Seine Kumpanen schienen sich das Lachen zu verkneifen, während er mich distanziert musterte. Irgendwie tat es weh. Aber ich versuchte das nicht zu zeigen. Erstaunlich wie wichtig er mir jetzt schon war. Bedenklich? Ich war mir nicht sicher. Als ich schon dachte, ich müsste einen Rückzieher machen, weil ich es keinen Moment mehr aushielt, hier zu stehen, nickte er und erhob sich.

Wir verließen die Bibliothek und kaum waren wir auf dem Gang, drehte er sich zu mir: "Hör zu, Summer, ich hab ehrlich gesagt keine Lust..." "Nein, du hörst mir erstmal zu!", fuhr ich dazwischen, "ich hab keine Ahnung, was du dir gedacht hast, aber Lend ist nur ein Freund und..." Jetzt unterbrach er mich: "Das würde ich dir ja abkaufen, wenn du nicht dauernd mit ihm irgendwo zusammen wärst, beim Essen, in Freistunden, jetzt schon wieder, du.." Er steigerte sich da total rein und seine Stimme wurde immer lauter. Ich konnte es nicht mehr mit anhören und schrie zurück: "MANN! Lend ist schwul! Warum regst du dich denn so auf?!" Erschrocken hielt ich mir die Hand vor den Mund, denn eigentlich wurde ich nie laut. Ein Mädchen, das gerade an uns vorbei ging, zuckte zusammen und eilte davon. Liam schien ebenso erstaunt und stotterte: "E-Er ist.. und du? Warum schreist du denn so?" "Ich...", ich hatte das Gefühl, dass ich gleich weinen würde, "warum hat dich das denn so beschäftigt?"

Er schaute kurz zu Boden, holte Luft und sah mich wieder an. "Weil, Summer Wood, du mir wichtig bist, es ist seltsam, weil wir uns erst so kurz kennen, ich weiß, aber..." Ich schniefte, machte dann einen Schritt auf ihn zu und umarmte ihn. Ich merkte, dass er damit nicht gerechnet hatte, aber als ich loslassen wollte, hielt er mich fest. Also standen wir noch einen Moment zusammen da, bevor wir beide einen Schritt zurück traten. Ich wischte mir eine Träne aus dem Augenwinkel, lächelte und sagte leise: "Schön, dass nun alles wieder gut ist. Ich muss jetzt mal gehen. Bis dann."

Midnight Academy - Spiel mit dem SchicksalWhere stories live. Discover now