Winkelgasse

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Der schnell auflebende und etwas langsamer abebbende Schmerz in Aviana's Oberarm brachte ganz und gar nicht das erwartete Ergebnis. Vielleicht sollte sie sich noch ein weiteres Mal kneifen, nur um sicher zu gehen, dass die Strasse vor ihr nicht doch aus einem Fantasy- und Fabelbuch stammte, an das sie sich erinnerte während sie eigentlich vor einer stinknormalen Einkaufsmeile in London standen.

Doch hier stand sie. Noch immer von zwei Erwachsenen flankiert – wovon einer ihre Hand fest  in seiner eigenen hielt – auf einer gepflasterten Straße. Wobei das Wort Straße zu der unebenen und verwinkelten Gasse, die sich vor ihr erstreckte, doch etwas weit gegriffen war. Noch immer sah sie vor sich ein Gewusel aus Menschen, die allesamt so gekleidet waren, wie Professor Longbottom bei seinem ersten Besuch. Doch als sie kurz zu ihm hinüberblickte, stellte sie verwirrt fest, dass der noch immer freundlich lächelnde Mann zu ihrer Rechten bereits bestens an diesen Ort passte. Das Hemd und die Jeans hatte er wieder gegen einen wallenden Umhang getauscht, nur hing ihm dieser heute in der Farbe grau-grün von den Schultern.

Ungläubig schaute sie den großen Mann an. Wann hatte er sich umgezogen? Er hatte doch die ganze Zeit neben ihr gestanden? Aviana war versucht, sich noch einmal in den Oberarm zu kneifen, ihre Aufmerksamkeit wurde jedoch jäh von einem kleinen Jungen, der ein paar Jahre jünger schien als sie, auf sich gezogen. Er hatte den wohl größten Lolli in der Hand, den sie je gesehen hatte. Tatsächlich war er so groß, dass sie den blonden Kopf des Buben erst sah, als er versuchte, von der Nascherei zu kosten, während er gleichzeitig darum bemüht war, das Teil zu balancieren, um es sich nicht ins Gesicht zu drücken.

Neugierig sah sie sich um und entdeckte zu ihrer Rechten einen bunten Laden. So bunt, dass er eigentlich gar nicht in diese Gasse passte. Es war klar, dass dieser Laden der erste war, den sie besuchen wollte und so sah sie ihren Vater flehend an. Dieser sah sich mit genauso großen Augen um und hielt seine Tochter – falls das möglich war – noch fester an der Hand. So sehr er zuvor davon überzeugt war, dass sie ganz sicher keine vier Stunden für ein paar Bücher, Kessel und den Rest der Dinge auf der Liste benötigen würden, so schnell schwand die Hoffnung, seine Tochter jemals aus dieser Gasse zu bekommen.
Hilfesuchend blickte er zum Professor und versuchte ihm wortlos klar zu machen, dass er vollkommen überfordert war.

„Ja, Weasley's Zauberhafte Zauberscherze ist einer der beliebtesten Läden hier in der Winkelgasse", hörte Aviana den Professor glucksend sprechen, während sie abermals versuchte, einen besseren Blick auf die bunt ausgestellten Schaufenster zu ergattern.
„Da möchte man direkt nochmal Kind sein, nicht wahr Mister Pelver?"

Der Angesprochene nickte nur und fuhr sich mit seiner linken Hand über den Kopf während er die Luft durch aufgeblasene Wangen ausstieß. Die Sorge, die neben der Verwunderung in seinem Gesicht abgezeichnet war, fiel sogar seiner Tochter auf. Bevor sie ihn jedoch fragen konnte, was los war, verkündete der Professor, dass sie erst zur Bank müssten, bevor sie irgendeinen der Läden hier besuchen könnten.

Den Einwand des Vaters, dass er erst gestern extra für den heutigen Tag einiges an Geld abgehoben habe, winkte Professor Longbottom lächelnd ab.
„Mit Ihren Pfund können Sie hier noch nicht mal eine Kröte als Haustier kaufen – und glauben Sie mir, die will keiner", fügte er mit der Hand neben seinem Mund an, als wollte er es nur den Beiden mitteilen. „Aber das Geld benötigen wir dennoch. Wir gehen zu Gringotts. Dort können wir es gegen unser Geld tauschen lassen. Folgen Sie mir."

Und mit diesen Worten ging er den beiden überwältigten Neulingen voraus, ohne dabei noch auf Mister Pelver's gemurmelte Worte einzugehen – 'unser Geld?'
Ihr Weg führte sie an den kuriosesten Läden vorbei. Aviana dachte, sie würde verrückt, als sie zu ihrer Linken ein Schild über der Eingangstür sah, das eine Schere zeigte, wie sie einen Faden durchschnitt, der sich in der nächsten Sekunde jedoch wieder zusammenfügte, nur um abermals durchtrennt zu werden. Das Schaufenster zeigte Umhänge, wie sie der Professor trug, nur hatten diese hier alle die Farbe Schwarz und schienen kleiner. Die Elfjährige vermutete, dass es sich hierbei um die Schuluniform handeln musste und wurde in ihrer Annahme bestätigt, als eine Mutter ihren wenig begeisterten Sohn in den Laden zerrte. Mit den Worten: „Pertins, wenn du dich noch weiter so sträubst, kaufe ich dir eine Secondhand-Uniform, die dir bis ins siebte Schuljahr passt."

Huffle-inWhere stories live. Discover now