Grünes Licht

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„Anthony, du kannst nicht die ganzen zwei Wochen in deinem Zimmer verbringen, warum haben dein Großvater und ich dich über die Schulferien denn überhaupt nach Hause geholt? Wir wollen heute doch noch an den Knallbonbons ziehen."

Elizabeth Lancaster's Stimme drang mühelos vom Erdgeschoss des Herrenhauses in das Zimmer ihres Enkels im zweiten Stock. Sie hätte jedoch genauso gut flüstern können, denn Anthony hörte sie so oder so nicht.

Genau wie sie war nämlich auch er der Meinung, dass er nicht nur in seinem Bett liegen oder an seinem Schreibtisch sitzen konnte. Anders als bei seiner Großmutter hieß das für ihn jedoch, dass er sich im Labyrinth im Garten hinter dem Haus und nicht bei seinen Zieheltern aufhielt.

Hätte Anthony sie gehört, hätte er ihr augenrollend und in Gedanken wohl die gleiche Frage gestellt, mit der sie ihn zur Gesellschaft mit ihnen überreden wollte. Er wusste nicht, weshalb seine Großeltern ihn nicht in Hogwarts gelassen hatten. Er wusste nicht, weshalb er die Zeit nicht mit Aviana, Cal und Luke verbringen konnte. Warum er zurück nach Bridgwater musste, um da schweigend am Tisch zu sitzen und den Rest des Tages zu versuchen, seinen Großeltern aus dem Weg zu gehen.

Er ertrug es nicht, sich ihre Litaneien darüber anhören zu müssen, weshalb Minerva McGonagall die komplett falsche Wahl für den Posten des Schulleiters war. Wie sehr sie hoffte, dass neben all den liberalen Politikern auch den Traditionalisten und Konservativen Plätze und Jobs im Ministerium zurückgegeben würden.

Die hohen grünen Hecken waren ihm bisher immer der beste Zufluchtsort gewesen, was auch der Grund war, warum er sich auch am heutigen Silvester Tag trotz eisiger Kälte auf den Rand des Brunnens in der Mitte des Labyrinths gesetzt hatte. Die vereinzelten Schneeflocken fühlte er kaum auf seiner geröteten Hand, ehe sie schmolzen und in seiner Jeans versickerten.

Einige dieser gefrorenen Regentropfen landeten auf dem Brief in seiner Hand, der vor drei Tagen angekommen war und beim Anblick der sich ausbreitenden Wasserflecken auf dem Papier fragte sich Anthony zum hundertsten Mal, weshalb Aviana als Hufflepuff ihn als Slytherin so gerne um sich hatte. Vor allem, wenn er daran dachte, wie oft sie bisher miterlebt hatte, wie schlecht ihre beste Freundin auf ihn und seine Hauskollegen zu sprechen war.

Lucas hatte ihm vor ein paar Wochen erzählt, dass er sich ein Augenrollen von Merle eingefangen hatte, als er ihr in Zaubereigeschichte sagen wollte, dass ihm ihre hübsche Handschrift gefiel.

Es half zwar, dass er nicht der Einzige der Slytherins war, der sie scheinbar unprovoziert zu ablehnenden Reaktionen animierte, aber es machte den Umgang mit ihr dennoch schwierig. Dass sie wie so viele andere Schüler auch einen Bogen um ihn machte, jedes Mal nach einer Ausrede suchte, um nicht um ihn sein zu müssen und ihn bei jeder kleinen Interaktion, die sie hatten, mit ihren Blicken durchbohrte, obwohl er bisher nie etwas gegen sie gesagt hatte; zeigte ihm, dass seine Hauszugehörigkeit und seine Familie für viele immer der erste Eindruck sein würden.

Aber was, wenn sie in ihrem Argwohn nicht gänzlich falsch lag? Was, wenn Anthony irgendwann seine Kontrolle verlor und irgendjemandem einen Fluch aufhetzte? Was, wenn schlussendlich dennoch das Blut ihres Vaters in seinen Venen floss?

Was, wenn Aviana seinetwegen von vielen der anderen Schüler verurteilt wurde, weil sie mit ihm befreundet war? Was, wenn sie sich wegen ihrer Freundschaft mit ihm noch weitere blöde Sprüche wie jene von Sienna Maverick anhören musste? Was, wenn er nur mit ihr befreundet war, um sich von ihr sagen zu lassen, was für ein toller Junge er doch war?

Aviana's Art war neu für ihn und er konnte nicht leugnen, dass es nicht auch guttat, zu hören, dass er toleriert, ja sogar erwünscht war – selbst wenn solche Argumente später auf der Waagschale wieder nach oben schwebten.

Huffle-inWo Geschichten leben. Entdecke jetzt