Vermissen

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August 2017 in Siracusa, Sizilien

Von draussen hörte ich das Lachen von Giulia und Paolo. Wie zwei verknallte Teenager rannten die Beiden über die Wiese hinter der Rezeption. Unwillkürlich musste ich grinsen und ertappte mich bei dem grossmütterlichen Gedanken, wie schön junge Liebe doch sein musste.
Seitdem ich hierher gekommen war, waren nun eineinhalb Jahre Vergangen. Kaum zu fassen, wie schnell die Zeit verflog. Zusammen mit Paolo und seiner Mutter hatten wir den alten Bauernhof renoviert und das Grundstück nach und nach in einen kleinen Campingplatz verwandelt. Während der Umbauarbeiten hatten wir immer wieder Hilfe vom benachbarten Bauern und seiner Familie. Unteranderem von seiner Tochter Giulia, die seit dem Tag, an dem sie zum ersten Mal bei uns gewesen war, über beide Ohren in Paolo verknallt war. Und während ich in Giulia eine gute Freundin fand, fand Paolo in ihr seine grosse Liebe. Und so schnulzig es auch klang, die beiden waren wie füreinander geschaffen.

Gedankenverloren drehte ich meine Kaffeetasse zwischen den Händen hin und her. Wie so oft, wenn ich vor einer schweren Entscheidung stand war mir leicht flau im Magen.
Mein Handy leuchtete auf. Ein Blick auf das Display verriet mir, dass ich eine Nachricht von Max bekommen hatte. Nachdem ich ihm das Versprechen abgenommen hatte, nicht mit Raphael über mich zu reden, hatte ich mit ihm den Kontakt gehalten. Regelmässig schickte er mir nun Fotos aus Berlin und falls sein Plan war, bei mir Fern- oder besser gesagt Heimweh auszulösen, gelang ihm das mit jedem Mal besser. Auch dieses Mal war es ein Selfie, welches ihn am Hackeschen Markt zeigte. «gefühlte Ewigkeit her oder?» hatte er das Selfie kommentiert. Ich musste lächeln.
Bereits seit Wochen schaute ich immer wieder nach Flügen von Catania nach Berlin. Einzig Max erzählte ich von meinen Gedanken. Vor ihm hatte ich noch nie jemanden kennengelernt, der so wertfrei zuhören konnte. Und wenn ich ihm um Rat fragte, wiederholte er nur, was ich ihm zuvor gesagt hatte, mit der Ergänzung, dass ich selbst am besten wissen würde, was zu tun sei. Auch wenn mich diese Antwort so manches Mal zur Weissglut gebracht hatte, musste ich mir immer wieder eingestehen, dass er wohl recht hatte.

«Was gibts denn da zu grinsen?» wurde ich von Giulia aus meinen Gedanken gerissen und zuckte erschrocken zusammen. «Mach sowas nie wieder! Ich hab mich zu Tode erschrocken!» beschwerte ich mich bei meiner Freundin. Diese lachte nur und kam auf mich zu. Ungefragt nahm sie mit mein Handy aus der Hand und betrachtete das Foto. «Der ist süss, ist das dein Amore?» fragte sie ohne umschweife. Ich musste lachen. «Nein, das ist Max. Ein Freund aus Berlin, den ich über Raphael kennengelernt habe. Er hat mir gerade ein Foto von dem Ort geschickt, an dem er und Raphael sich zum ersten Mal auf einen Kaffee getroffen haben. Ich hab Raphael damals abgeholt und so Max kennengelernt.» erklärte ich Giulia. Sie sah mich prüfend an. «Du hast wieder diesen Blick. Du vermisst ihn. Und Berlin vermisst du auch. Und Raphael eigentlich auch, das sage ich dir aber jetzt nicht, weil du das eh nicht hören willst.» zwinkerte sie mir zu. Ich wollte ihr gerade widersprechen, als Paolo die Rezeption betrat. «Na Marisa, träumst du wieder von Berlin?» fragte er provozierend, in dem Wissen mit dieser Annahme genau ins Schwarze getroffen zu haben. Grinsend schüttelte ich den Kopf, im Wissen, dass die Beiden mich mittlerweile so gut kannten, dass sie mit ihrer Annahme recht hatten. Ich vermisste Berlin.

"Veux-tu être ma jolie?" RAF CAMORA FFOn viuen les histories. Descobreix ara