15. Kapitel - Abschließen

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Nun saß ich also in Mareikes Zimmer und war mir nicht so sicher, welchen Muskel ich als nächstes anspannen sollte, so unwohl fühlte ich mich.
Mareike hatte mich zur Begrüßung, genau wie ihre Mutter, umarmt und nun trug ich ein Gemisch aus deren Parfüm an mir.
„Jetzt erzähl, seit wann spielst du denn wieder? Darfst du denn? Also, ich meine, du siehst wieder gut aus, aber, ich weiß ja nicht...", fing Mareike sicher an, war sich zum Ende ihres Satzes aber in der Wortwahl nicht mehr sicher.
Ich lächelte schief. „Kam irgendwie spontan. Ja, ich darf Sport machen, warum auch nicht?" Es war eine rhetorische Frage und Mareike schien das verstanden zu haben.
Sie nickte und wandte ihren Blick aus dem Fenster, während sie verlegen an einem Finger nagte.
„Und die, ehm, die Narben? Machst du das noch?", fragte sie die Scheibe.
Natürlich fühlte ich mich dennoch angesprochen - und errötete. „Nein, haha." Ich lachte verlegen und hoffte, dass sie nicht weiter über dieses Thema sprechen würde. Aber sie hatte sich nicht verändert und hakte natürlich, wie so oft, trotzdem nach.
„Sicher? Weißt du, Guili sagt auch immer er macht's nicht mehr, aber ab und zu, da wird er rückfällig. Er sagt es mir nie, aber er will dann nicht mehr mit mir schlafen und ist distanzierter.", sie senkte ihre Stimme.
Ich war überrumpelt mit diesen Informationen und blieb einige Sekunden sprachlos, bevor ich ihr eine Antwort gab.
„Ich mache es nicht mehr."
Sie triggerte mich.
„Wie war das dann bei dir? Guili musste ich mal mitten in der Nacht zum Nähen fahren, weil er glaubte, zu verbluten.", erzählte sie theatralisch.
Guili. Was für ein blöder Spitzname. Sowieso, ich würde nicht wollen, dass sie diese intimen Details einfach so weiter erzählt.
Deshalb würde ich ihr darauf bestimmt keine ausführliche Antwort geben.
„Nee, so war das bei mir nicht.", wich ich aus.
Mareike nickte, als verstünde sie. „Isst du wieder?", fragte sie, nachdem wir uns einige Zeit anschwiegen.
Ich blickte an mir herunter. „Sieht man ja wohl."
Mareike sah mich vorwurfsvoll an, sagte jedoch nichts. Ich wollte gerade das Thema wechseln, als Mareike erneut damit anfing.
„Wolltest du wirklich sterben?"
Ich hielt die Luft an und erinnerte mich dunkel daran, dass sie mir damals,
als ich sie verzweifelt anrief,
sogar sagte, ich solle es doch endlich tun.
Schnell verwarf ich den Gedanken.
„Lass und doch über was anderes reden, das ist alles Vergangenheit!", bat ich dann, energischer als ich eigentlich wollte.
Mareike seufzte. „Wir sind doch beste Freunde. Ich will dich ja bloß verstehen."
Ich runzelte die Stirn.
Wir hatten bis vor kurzem überhaupt keinen Kontakt mehr und sie nannte mich ihre beste Freundin?
Ich lachte leise auf.
„Ich möchte trotzdem nicht darüber sprechen. Mir geht's jetzt gut, warum erzählst du mir nicht irgendwas über dich?", fragte ich dann.
Mareike atmete hörbar aus. „Du bist hier momentan eindeutig die Interessantere. Ich meine, wer kann schon von sich behaupten, dass er von der Brücke springen wollte. Irgendwie ist das auch cool. Du läufst rum, als sei nie etwas gewesen."
Ich wurde ungehalten. „Was bitte ist daran cool, so tief unten zu sein, dass man sterben will? Ich glaube du hast kein Plan, wie ich mich zu dem Zeitpunkt gefühlt habe. Ich bin da nicht nur zufällig oben gestanden und dachte mir, dass fliegen toll wäre. Du hast absolut keine Ahnung wie es mir zu der Zeit ging und deine Aussage, dass ich mich doch deinetwegen gern umbringen kann, hat die Situation nicht verbessert."
Es tat mir im selben Moment leid, sie so angefahren zu haben.
Aber was sie da redete, wollte ich einfach nicht akzeptieren.
„Ich hatte gehofft, du hättest mir verziehen. Hast du nicht mal überlegt, wie das wohl für mich gewesen sein muss?", sagte Mareike kühl.
Ich wurde wütend, ich spürte, wie mir die Hitze in den Kopf stieg.
Doch ich fand keine Worte außer: „Ja, und meine Situation war ja so viel besser. Meine Situation mein ganzes Leben lang."

Ich stand auf und verließ ohne mich noch einmal umzudrehen das Zimmer.
Sie hatte gehofft, ich hätte ihr verziehen. Tja, und ich hatte gehofft, sie hätte sich verändert.
Das war dumm von mir gewesen.

Ich konnte das Haus unbemerkt verlassen und blickte von der Straße zu Mareikes Zimmer hoch.
Sie saß am Fenster, aber als sie mich sah, stand sie auf und ging.
Wieso war sie so, dass sie immer erst total nett war und dann so zickig wurde?
War es vielleicht doch meine Schuld?
Hatte ich überreagiert?

Ich ging die Straße entlang zu mir nach Hause und zerbrach mir den Kopf darüber, was jetzt schon wieder war, obwohl ich eigentlich einfach nur mit ihr abschließen wollte.

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