17.2- Bitterschöner Schmerz

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Atemnot, Konzentrationsschwäche, Benommenheitsgefühl. Und täglich grüßt das Murmeltier. Doch sie stellte sich innerlich bewusst gegen ihre Angst, denn heute würde sie unter der Erscheinung ihres zurechtgemachten Äußeres und schimmernden Kleides erstrahlen. Niemand konnte ihr diese Selbstsicherheit an diesem Abend nehmen. Nicht einmal die Person, die für diese einst verantwortlich gewesen war. Caros Augen verweilten dennoch auf der Aussicht, die sich ihr außerhalb des Fahrzeuges bot. Isabelle sah atemberaubend aus. Ihre Haare hatte sie, anders als erwartet bei einer solchen Festivität, nicht in einer Hochsteckfrisur zusammengebunden, sondern gelockt und offen gelassen. Ihr hautenges, dunkelblaues Kleid schmiegte sich an ihren Körper und betonte jede noch so kleine attraktive Kurve, die dieser besaß. Sie hielt eine silberne Clutch in der einen Hand und gestikulierte, während sie lachend etwas mit einigen ihrer Kollegen beredete, mit der anderen schwungvoll herum, als sie sich fast schon schlagartig in die Richtung von Mayas Auto drehte. Als hätte sie Caros Präsenz gespürt. Diese wendete ihren faszinierten Blick augenblicklich ab und besprach während den letzten Metern mit ihrer Freundin, welcher Platz sich denn am besten zum Parken eignen würde. Kaum war dieser Prozess vollbracht, besaß Caro das Bestreben, den Wagen zu verlassen, doch ihre Handlung wurde von dem Rotschopf neben sich unterbrochen.

"Halt, warte kurz. Der Prinzessin gebührt ein vernünftiger und angebrachter Ausstieg."

Mit einer hochgezogenen Augenbraue verfolgte Caro Mayas Vorgehen, welches daraus bestand, den Wagen einmal zu umlaufen, die Tür der Brünetten zu öffnen und dieser ihre Hand zu reichen.

"Darf ich bitten, Madame?"

"Du bist so ein Spinner, wirklich", schmunzelte Caro, wobei sie die Hand ihrer Freundin jedoch tatsächlich ergriff und sich somit aus dem Auto helfen ließ.

"Man tut, was man kann!"

Auf dem Weg zu der großen Eingangstür unterlag Caro den Blicken der anderen Gäste des Balles, die sich draußen vor dem Gebäude tummelten und auf den offiziellen Einlass warteten. Jeder Schritt, den sie machte, wurde von den umliegenden Personen beäugt - von einer jedoch ganz besonders. Diese verlangsamte allmählich ihre Bewegungen und umklammerte ihre Tasche fest mit den Fingern, als sie die vollständige Erscheinung ihrer Schülerin vernahm. Das Antlitz der Brünetten versetzte ihr einen wohligen Stich, der ihre Kinnlade ohne bewusste Kontrolle dazu verleitete, allmählich ihren Halt zu verlieren. Ihre Blicke trafen sich. Schmerz, bitterschöner Schmerz. Die Zeiger der Uhr machten den Eindruck, als hätten sie in ihrer Rotation gestoppt und die angehaltenen Sekunden verweilten in einer lautstarken Stille zwischen den beiden Frauen, als Caro abrupt vor Isabelle stehen blieb. Ihre Augen schienen sich durch die verminderte Distanz nur noch mehr ineinander zu verankern und sie konnte sie endlich wieder spüren. Die Wellen. Dieses Mal schienen sich jedoch in einem deutlichen Zwiespalt zu befinden, denn es herrschte ein reinstes Chaos aus purer, intensiver Bläue innerhalb Isabelles Iris. Schweigen. Kein Laut verließ die Stimmbänder der anderen, obwohl die Erwartungen aneinander scheinbar nicht zu übertreffen waren. Beide benötigten eine Aussprache, unverzüglich. Doch die umliegende Kulisse ließ eine solche nicht zu. Sie mussten beide in ihrer Professionalität überzeugen, so schwer es ihnen auch fiel.

"Hallo Frau König. Schön, Sie hier anzutreffen. Ganz viel Spaß heute Abend!"

Mit diesen Worte wendete sich Caro von der Blondine ab und setzte wackeligen Schrittes einen Fuß vor den anderen, während sie Mayas Arm ergriff, um diese weiterzuziehen.

"Was war das denn?", flüsterte ihre Freundin in das Ohr der Brünetten, welche leider keine Antwort parat hatte. Sie wusste es doch selbst nicht. Noch immer in die Richtung der überdimensional großen, vergoldeten Eingangstür schlendernd, bemerkte die Schülerin, wie der Blick ihrer Lehrerin noch immer auf ihr lastete. So schwer, dass er ihr weitere Meter verwehrte. Sie blieb stehen.

Try not to fall (TeacherxStudent)Wo Geschichten leben. Entdecke jetzt