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Taehyung Pov

Ich schmeiße meine Jacke auf die Couch und stürme in die Küche als wir nach einer langen und stillen Fahrt bei mir ankommen. Viel bewegt habe ich mich nicht, immerhin sind wir mit dem Auto gefahren und dennoch bin ich aus der Puste. Es fühlt sich an, als hätte ich einen Marathon hinter mir gehabt. Mir fehlt die Luft zum Atmen, so gehetzt versuche ich meine Lungen damit zu füllen, meine Hände zittern als ich das Glas, das ich soeben aufgefüllt habe, umklammere und mein Herz schlägt so laut, dass es deutlicher zu hören ist als das Wasser, das aus dem Wasserhahn fließt, den ich nicht zugedreht habe.

"Taehyung", sagt Jungkook sanft meinen Namen, sanfter als es vorhin noch der Fall war, aber wer kann ihm das verübeln? Ich habe ihn gefühlt durch die halbe Stadt gezerrt, vom Unfallort, an dem wir vielleicht hätten auf die Polizei und den Krankenwagen warten sollen, bis zum Zebrastreifen wo ich ihn anschließend losgelassen habe, als ich gemerkt habe was ich da gerade tue. Das Auto hat ihn nicht erwischt, aber nicht etwa weil er Glück hatte, sondern weil es ihn gar nicht erwischen sollte. Das alles, diese ganze kleine Show diente lediglich dazu mir bewusst zu machen, dass ich aufhören soll meine Zeit zu vertrödeln und zu einem Urteil kommen soll.

"Was ist eben los gewesen? Warum bist du so wütend? Habe ich irgendetwas falsch gemacht?", fragt er unsicher und versucht mir in die Augen zu sehen.

Ich balle die Händen neben dem Spülbecken zu Fäusten und lasse den Kopf gesenkt um ihm nicht zu zeigen, wie verdammt wütend ich tatsächlich bin, aber nicht etwa auf ihn, sondern auf jedes andere Wesen. Ich bin wütend auf die Menschen, die ihm bis jetzt nicht das Leben ermöglicht haben das er verdient, obwohl ich weiß, dass auch sie nichts dafür können. Ich bin wütend auf die Götter, weil sie mich zwingen ein Urteil für einen Fall zu fällen, den ich am liebsten verhindern würde und vor allem bin ich wütend auf Atropos, dafür das sie mich mit der Angst ihn zu verlieren konfrontiert hat ohne es überhaupt zu beabsichtigen.

"Taehy-"

"Verdammt, Jungkook", zische ich und haue mit der flachen Hand auf das Glas, das ich auf den Tresen gestellt habe. Es zerbricht und die Glasscherben, die sich nicht in die Innenfläche meiner Hand bohren, verteilen sich auf dem Boden und dem Tresen. Jungkook zuckt kurz zusammen und sieht fassungslos von mir zu meiner blutenden Hand, aber ich schüttle sie lediglich ein wenig und sehe zu ihm hinauf, das erste mal seit dem Unfall.

Meine Lippen zittern, was ich selber jetzt erst bemerke und mein Gesicht ist nass von all den Tränen, die bisher unbemerkt meine Wangen hinunter gelaufen sind. Ich schüttle den Kopf als das Bild von ihm und dem Auto, das auf ihn zurast, wieder vor meinem inneren Auge aufblitzt und trete einen Schritt näher an ihn heran.

"Was ist, wenn es dich erwischt hätte?", frage ich leise, aber dennoch laut genug für ihn um es zu hören. Am liebsten würde ich mich wieder abwenden, meine Tränen verstecken und so tun als hätte ich sie nie vergossen, aber ich kann es nicht. Ich kann ihm nicht mehr den Rücken zu drehen, kann ihn nicht mehr aus den Augen lassen, weil ich Angst habe, dass das Leben ihn mir entreißt. "Du hättest sterben können."

"Bist du deshalb wütend?", fragt er und kommt ebenfalls einen Schritt auf mich zu, aber ich schüttle den Kopf und weiche einen Schritt zurück, weil ich Angst vor seiner Nähe habe. Ich habe Angst ihn gehen zu lassen, weil ihm jederzeit etwas passieren könnte, aber ihn so nah bei mir zu haben löst Dinge in mir aus, die ich selber nicht kennen. Es ist das erste Mal, das ich weine, das erste mal, das ich das Gefühl von warmen Tränen auf meiner Haut spüre und erlebe wie die Sicht verschwimmt. Ich bin überfordert damit, genau sowie mit dem Schmerz in meiner Brust, verursacht durch das Klopfen von irgendetwas darin, das ich nicht kenne und das macht mir Angst. Das unbekannte, das neue, es macht mir verdammt Angst.

Ich streiche mir die Haare aus dem Gesicht und ziehe die Augenbrauen zusammen. "Ich bin nicht wütend, Jungkook. Es ist Verzweiflung." Bisher hatte ich als Richter fast alles in der Hand. Was den Tod angeht haben die drei Schwestern das sagen. Klotho spinnt die Lebensfäden der Menschen, Lachesis teilt ihnen ihr Schicksal zu und Atropos zerschneidet die Lebensfäden anschließend. Aber meine Aufgabe war ebenso wichtig, ich entscheide was mit den Menschen nach ihrem Tod passiert und auch wenn es bei Jungkook nicht anders ist, fühle ich mich Machtlos.

"Es mach mich verrückt. Ich habe gesehen, wie dieses Auto auf dich zugerast ist und ich konnte nichts weiter tun als dabei zuzusehen."

Jungkook schüttelt den Kopf und sieht mich tröstend an. "Du hättest nichts tun können."

"Doch, das hätte ich!", sage ich viel zu laut, weil ich meine Stimme nicht kontrollieren kann, so aufgebracht bin ich wegen dem ganzen. Ich hätte mehr tun können als er glaubt, aber ich habe es nicht getan, weil mich das Gefühl, sich um jemanden so sehr zu sorgen, das Gefühl der Angst jemanden zu verlieren und die Verzweiflung, die man in diesem Moment verspürt, viel zu sehr in Beschlag genommen haben. Ich habe mich für einen winzig kleinen Moment nicht mehr gefühlt wie ein Richter, sondern wie ein Mensch. Ich konnte plötzlich ihre Beweggründe nachvollziehen und die Verzweiflung, die sie manchmal zu bestimmten Taten bewegt.

"Ich ertrage es nicht." Dieses mal bin ich derjenige, der einen Schritt auf ihn zu macht und nur wenige Zentimeter von ihm entfernt stehen bleibt. Ich möchte ihn berühren, möchte ihn an mich ziehen und am liebsten nie wieder los lassen, aber ich tue es nicht. Stattdessen bleibe ich einfach vor ihm stehen und sehe ihm mit meiner ganzen Verzweiflung in die Augen. "Ich ertrage die Ungewissheit nicht. Nicht zu wissen wann dich der Tod holen wird macht mich Verrückt."

Das besondere an Menschen ist nicht nur die Vielfalt oder das, was sie zu bestimmten Handlungen bewegt. Es ist das Leben an sich, das, was sie daraus machen, bis sie der Tod holt und das, was sie sich vornehmen, aber nie schaffen. Sie halten sich selber für die klügsten Wesen, überschätzen sich, aber ohne ihren Verstand wären sie vollkommen aufgeschmissen. Bisher habe ich sie als ganzes gesehen, als eine Gruppe von Lebewesen, nie als Individuen, aber das alles ist bereits seit langem vergessen. Seit ich an Jungkooks Tür geklopft habe.

Er verringert den Abstand zwischen uns um ein weiteres als er noch einen Schritt näher an mich heran tritt und das tut, was ich mich nicht zu tun getraut habe. Vorsichtig legt er seine Hand auf meine Wange und lächelt mich an, ebenso sanft wie es seine Berührung ist. "Das ist das erste mal, das sich jemand so sehr um mich sorgt, aber das Leben lässt sich nicht ändern, Taehyung." Ich schnappe nach Luft als er seine Hand wieder entfernt und damit stattdessen meine Blutverschmierte in seine nimmt als wäre nichts dabei.

"Die Zukunft ist immer nur eine Hoffnung", sagt er und zieht die erste Glasscherbe behutsam aus meiner Hand heraus während er mir in die Augen sieht. "Sie ist nie ein Versprechen."
















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Das war das letzte Kapitel für heute und damit das Ende der Lesenacht. Ich weiß, dass wattpad euch keine Benachrichtigungen bezüglich Kapitel 19 und 20 geschickt hat, aber ich hoffe die meisten von euch haben trotzdem gesehen das die da sind und vor allem hoffe ich das sie euch gefallen hat, die Lesenacht

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