5- "...mit weniger Glitzer..."

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Bemüht kein verräterisches Geräusch zu machen, trat ich in den kleinen Hof und drängte mich an der Hecke entlang zu einem zweiten Ausgang. Von dort aus konnte ich zwar nur zwei Schatten ausmachen, die unter Eribs Statue saßen, doch es war nicht schwer Ravn als den Größeren zu erkennen.

Er hatte einen Arm und einen zu weiten Mantel um das weinende Mädchen gelegt und versuchte ihr mit behutsamer Entschlossenheit die Tränen aus dem Gesicht zu wischen.

„Du solltest überhaupt nicht hier draußen sein, Ravn", brachte sie atemlos hervor, ehe ein krampfartiger Schluckauf sie zusammenzucken ließ. Er schüttelte ihren schmalen Körper, sodass sie verzweifelt probierte mit ihren Händen die hektischen Laute in ihrem Mund zu ersticken. Sie war hübsch. Klein und zierlich, mit perfekten blonden Locken und riesigen blauen Augen. Die Prinzessin aus dem Schlafzimmer.

Selbst über diese Distanz hörte ich Ravns leises Lachen, während er dazu überging ihre Arme zu reiben.
Die Nähe, die er dabei zu dem Mädchen suchte, machte mir die Kehle eng. Ich wollte nichts empfinden, wollte mich umdrehen und meiner Wege gehen, doch wie in der Nacht zuvor, hatten meine Füße im gefrorenen Boden Wurzeln geschlagen.
Ich wusste besser als jeder andere, dass all seine Worte und Taten kaum mehr als Lügen gewesen waren. Wie hatte ich es also geschafft, eine kleine Pflanze der Hoffnung für seine Gefühle immer noch in meinem Herzen zu ernähren?
Jetzt wurde sie auf jeden Fall von der Dunkelheit erstickt.

„Du bist eisig, Marijan. Wenn dein Vater dich so erwischt, wird er eine Erklärung fordern."

Es gab keinen großen Zweifel daran, wer der Vater dieses Mädchens war. Meine Gefühlslage kippte ein wenig und ich verdrehte mir selbst zum Trotz die Augen. Natürlich hatte Ravn mehr Interesse an einer Tochter seines Königs. Es gab bestimmt nichts, was dem Herrscher des Landes besser gefallen würde. Und es erklärte auch, warum er gestern unter ihrem Balkon herumgelungert und meinen wundervollen Fluchtplan vereitelt hatte. Blöder Bärven-Hund!

Das Mädchen erholte sich kurzzeitig von ihrem Schluckauf und begann erneut herzzerreißend zu schniefen. „Aber ich könnte doch sagen, dass ich dich hier draußen treffen wollte."

Wieder lachte Ravn auf, als wäre sie das witzigste Wesen, seitdem die Sonnenfeen unser Land verlassen hatten. „Und dann habe ich dich zum Weinen gebracht und kalt werden lassen? Vielen Dank, aber er findet meist schon von alleine Gründe, mich auszupeitschen."

Moment. Ravn wurde was?
Diese amüsiert geäußerten Worte zogen mir den Boden unter den Füßen weg.
Mein Verdacht von gestern war also nicht ganz falsch gewesen. Der König suchte wirklich nach Anlässen, um Ravn zu bestrafen. Doch warum? War er nicht das einzige Familienmitglied, das sich Kaelchon tatsächlich selbst ausgesucht hatte? Sein Ziehsohn und Liebling noch vor allen anderen Una Fil und bestimmt auch vor unnützen Töchtern, die alleine keine Krone erben konnten?

Nachdenklich tippte ich meine Unterlippe an. Ich sah aus wie eine damenhafte Heldin aus diesen Schnulzromanen- einmal davon abgesehen, dass ich mitten in der Nacht einem arglosen Pärchen hinterherspionierte.

„Er hat recht. Sein Oberkörper ist jetzt schon kein schöner Anblick mehr. Noch ein Vorfall und Vater wird sich auf seine Beine verlegen." Die sanft geflüsterten Worte hinter mir ließen mich wie ein Camensi-Vogel herumfahren. Schnulzroman mit Horror Elementen!
Mein Herz erreichte eine derartige Tempospitze, dass ich nicht einen Schlag von dem nächsten trennen konnte und um ein Haar hätten meine Reflexe mich blindlings auf den Typen zu gestürzt, der sich im Schatten der Hecke versteckt hatte.

Es war Theenan.
Fast hätte ich ihn nicht erkannt. Seine Schultern hatten die Anspannung aus dem Schloss verloren und die streng gekämmten Haare fielen ihm in die Stirn, als hätte er sie in einem Ausbruch seiner sonst so gezügelten Wut gerauft. Das rötliche Braun schimmerte tatsächlich im spärlichen Licht. Der Fuchs hatte seinen Bau verlassen. Er wirkte größer, weniger ausgemergelt und viel eher, wie ich einen Edelmann erwartete.
Nur eben nicht in einem Labyrinth. Bei Nacht. Warum waren alle nachts im Labyrinth? Hatte ich eine Versammlungseinladung verpasst?

Jagd der Verfluchten Kinder- Das Elfenkind IIIKde žijí příběhy. Začni objevovat